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Wahrnehmungskongruenz spitzensportlicher Trainer-Athlet-Dyaden zur wahrgenommenen Qualität von Trainingseinheiten - ein prozessorientierter Ansatz -

Werkmann, Sven (2017)
Wahrnehmungskongruenz spitzensportlicher Trainer-Athlet-Dyaden zur wahrgenommenen Qualität von Trainingseinheiten - ein prozessorientierter Ansatz -.
Technische Universität Darmstadt
Ph.D. Thesis, Primary publication

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Item Type: Ph.D. Thesis
Type of entry: Primary publication
Title: Wahrnehmungskongruenz spitzensportlicher Trainer-Athlet-Dyaden zur wahrgenommenen Qualität von Trainingseinheiten - ein prozessorientierter Ansatz -
Language: German
Referees: Hänsel, Prof. Dr. Frank ; Wiemeyer, Prof. Dr. Josef
Date: 2017
Place of Publication: Darmstadt
Date of oral examination: 9 February 2017
Abstract:

Die Zusammenarbeit von Athlet und Trainer stellt eine tragende Säule für die sport-liche Leistungsentwicklung der Athleten dar. Deren Interaktion und Austausch sowie das gegenseitige Verständnis ist dabei von der individuellen und subjektiven Wahrnehmung der Akteure geprägt. Oftmals erschweren Wahrnehmungsdiskrepanzen allerdings die Zusammenarbeit. Insbesondere vor dem Hintergrund der Qualität von Trainingseinheiten erscheinen ähnliche Sichtweisen der handelnden Personen oder der Austausch zu den individuellen Wahrnehmungen nützlich für den Trainingserfolg. Untersuchungen zur Wahrnehmungskongruenz von Dyaden und Teams belegen einen förderlichen Einfluss der Kongruenz von Wahrnehmungen und Kognitionen auf die Zusammenarbeit und die Leistung. Die Ausprägung der Wahrnehmungskongruenz fällt hingegen typischerweise nur gering aus. Zumeist nehmen die Dyadenpartner unterschiedliche Inhalte wahr und ziehen auch falsche Schlüsse auf das, was der andere denkt oder fühlt. Mit steigender Menge und Häufigkeit des Informationsaus-tauschs nimmt die Kongruenz jedoch zu. Je mehr und je häufiger die Dyadenpartner über die Gedanken und Gefühle des anderen erfahren, desto besser können sie diese auch einschätzen. Die gegenseitige Kenntnis der Wahrnehmung des Dyadenpartners ist daher wesentlich für eine effiziente Zusammenarbeit (Eccles et al., 2007; Lorimer et al., 2011; Rentsch et al., 2009). Auch die in der Qualitätsforschung diskutierten Konzepte betonen die Berücksichti-gung der unterschiedlichen Perspektiven und Wahrnehmungen der beteiligten Personen. Um zum Beispiel Dienstleistungsprozesse zu optimieren, werden nicht nur die Erwartungen und Wahrnehmungen der Nutznießer berücksichtigt, sondern auch mit der Perspektive des Leistungserstellers abgeglichen. In diesem Zusammenhang steht die wahrgenommene Qualität (engl. Perceived Quality) von Leistungsprozessen – an anderer Stelle auch als Dienstleistungsqualität bezeichnet – im Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen. Als Ergebnis der subjektiven Bewertung, inwieweit individuelle Bedürfnisse und Erwartungen bei der Inanspruchnahme einer Leistung erfüllt werden, bestimmt sich die wahrgenommene Qualität aus der Summe der Eigenschaften bzw. Merkmale des Leistungsprozesses, individuellen Anforderungen gerecht zu werden. Sowohl im privatwirtschaftlichen Sektor als auch in nicht-gewerblichen Branchen werden diese subjektiven Qualitätswahrnehmungen daher vermehrt berücksichtigt, um die Angebote und Prozesse von Organisationen zu evaluieren, zu optimieren und zu sichern. Dabei zeigt sich der Nutzen dieser Ansätze nicht nur im Hinblick auf Akzeptanz, Zufriedenheit und Bindung der Beteiligten, sondern auch bezogen auf Leis-tungs- und ökonomische Vorteile (Golder et al., 2012; Zeithaml et al., 2013). Übertragen auf die Wahrnehmung der Qualität von Trainingseinheiten lässt sich da-her die Annahme aufstellen, dass die Übereinstimmung oder der Prozess des Abgleichens der subjektiven Wahrnehmung von Qualität die Zusammenarbeit der Dyade und dadurch die Leistungsentwicklung des Athleten fördert. In der sportwissenschaftlichen Diskussion findet die Wahrnehmungskongruenz von Trainer-Athlet-Dyaden bisher wenig Beachtung und wird auch vor dem Hintergrund der wahrgenommenen Qualität von Trainingseinheiten nicht erwähnt. Auch subjektive oder nutzerorientierte Qualitätswahrnehmungen werden bislang weder systematisch berücksichtigt oder wissenschaftlich untersucht noch zur Steuerung und Evalua-tion von Trainingseinheiten herangezogen. Die Zielsetzung dieser Arbeit war daher eine zweifache:

1. Die Wahrnehmungskongruenz von spitzensportlichen Trainer-Athlet-Dyaden wurde in Bezug auf die wahrgenommene Qualität von Trainingseinheiten untersucht.

2.Die wahrgenommene Qualität spitzensportlicher Trainingseinheiten wurde umfänglich erfasst und strukturierend beschrieben.

Damit die Wahrnehmungskongruenz in Bezug auf die wahrgenommene Qualität be-stimmt werden konnte, wurden die Ansätze aus dem Qualitätsmanagement und zur Wahrnehmungskongruenz von Dyaden und Teams auf Trainer-Athlet-Dyaden in Trainingseinheiten übertragen. Auf Basis der Leistungssportspezifischen Sequentiel-len Ereignismethode (LSE) - einer sequenz- bzw. teilphasen- und ereignisorientierten Befragung - wurden konkrete Ereignisse erfasst, einer induktiv abgeleiteten Klassifikation zugeführt sowie für die einzelnen Trainingsphasen qualitätsrelevante Informa-tionen abgeleitet. Um eine Einschätzung der Wahrnehmungskongruenz zu erhalten, wurden die vorlie-genden Beschreibungen der wahrgenommenen Qualität dyadenspezifisch miteinander verglichen. Neben der Entwicklung einer Klassifikation von Ereignissen in Trai-ningseinheiten und einer phasenorientierten Analyse wurde die Analyse zur Wahr-nehmungskongruenz mit insgesamt 18 Trainer-Athlet-Dyaden durchgeführt, die sich aus der für die Studie vorliegenden Gesamtstichprobe von 20 Kader-Athleten und 19 Bundes- bzw. Landestrainern rekrutierten.

Insgesamt deuten die Ergebnisse auf eine geringe Übereinstimmung in der Quali-tätswahrnehmung von Athleten und Trainern hin, liefern aber wertvolle Hinweise für eine qualitäts- und prozessorientierte Steuerung spitzensportlicher Trainingseinheiten und der Zusammenarbeit von Athlet und Trainer. Es konnten 883 interpersonale, personale und sachliche Ereignisse als Elemente von Trainingseinheiten identifiziert und in acht Ereignisdimensionen sowie 31 Subdimensionen differenziert werden. Bei einem Drittel der Subdimensionen und einem Fünftel der Ereignisse stimmten die Dyadenpartner in ihrer Wahrnehmung überein. Diskrepanzeinschätzungen auf Ereignisebene deuteten auf ähnliche Valenzeinschätzungen innerhalb der Dyaden hin. Die Relevanz der Ereignisse wurde hingegen signifikant unterschiedlich bewertet. Trai-ner schätzten die Ereignisse grundsätzlich relevanter ein als die ihnen anvertrauten Athleten. Eine deutliche Mehrheit von interpersonalen Ereignissen, im Vergleich zu personalen und sachlichen, betonte die Bedeutung der Zusammenarbeit und Interaktion von Athleten und Trainern als wichtige Komponente der Trainingsqualität. Die Verteilung häufig genannter Subdimensionen zeigte deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Trainingsphasen. Insbesondere auf der Ebene konkreter Ereig-nisse wurden phasenweise zu vermeidende und förderliche Aspekte erkennbar. Eine phasen- und demnach prozessorientierte Evaluation, Optimierung und Sicherung der Qualität von Trainingssituationen im Leistungssport erscheint somit sinnvoll. Diskutiert wurde außerdem die Nutzung der vorliegenden Ergebnisse. Die phasen-weise Ableitung von Qualitätsindikatoren auf Basis der vorgestellten Klassifikation und der konkreten Ereignisse sollte als Grundlage für die Entwicklung pragmatischer Messverfahren zur systematischen Erfassung subjektiver Qualitätswahrnehmungen im Spitzensport dienen. Vor dem Hintergrund des Einflusses ähnlicher Wahrnehmungen von Athlet-Trainer-Paaren auf deren Zusammenarbeit sollten die abgeleiteten Messverfahren einen Vergleich der Qualitätswahrnehmung ermöglichen. Unter-schiede und Gemeinsamkeiten ließen sich dadurch aufdecken, Konflikte früher erkannt und gelöst und eine hohe Qualität von Trainingseinheiten langfristig und gemeinsam gestaltet werden.

Alternative Abstract:
Alternative AbstractLanguage

The co-operation between athlete and coach is a mainstay of athletes' athletic performance. Their interaction and exchange as well as their mutual understanding is characterized by the individual and subjective perception of the two actors. Frequently, however, perceptual discrepancies complicate cooperation. Especially in the context of the quality of training units, similar perceptions of the persons acting or the exchange about the individual perceptions are useful for the success of the training.

Studies on the perceptual congruence of dyads and teams demonstrate a conducive influence of congruence of perceptions and cognitions on co-operation and performance. The degree of the perceptual congruence, on the other hand, is typically only small. In most cases, the dyad partners perceive different contents and draw also wrong conclusions about what the other thinks or feels. However, congruence increases as the volume and frequency of information exchange increases. The more and the more frequently the dyad partners learn about each other's thoughts and feelings, the better they can assess them. The mutual knowledge of the perception of dyadic partners is therefore essential for effective collaboration ( Eccles et al., 2007 ; . Lorimer et al, 2011 ; Rentsch et al., 2009 ).

The concepts discussed in quality research also emphasize the different perspectives and perceptions of the persons involved. For example, to optimize service processes, not only the expectations and perceptions of the beneficiaries are taken into account, but also compared with the perspective of the service provider. In this context the perceived quality of performance processes - also referred to elsewhere as service quality - is the focus of scientific investigations. As a result of the subjective assessment of the extent to which individual needs and expectations are met when a service is used, the perceived quality is determined by the sum of the service process characteristics in order to meet individual requirements. Both in the profit and non-profit sectors, these subjective quality perceptions are therefore increasingly taken into account in order to evaluate, optimize and secure the offers and processes of organizations. Here, the benefits of these approaches is not only in terms of acceptance, satisfaction and commitment of those involved, but also based on performance and economic advantages ( Golder et al 2012. ; Zeithaml et al, 2013. ).

Thus, transferred to the perception of the quality of training units, the assumption can be made that the match or the process of matching the subjective perception of quality promotes the cooperation of the dyad and thus the performance development of the athlete.

In the sports-scientific discussion, the perception of the coach-athlete-dyad has not been given much attention and is not mentioned in the context of the perceived quality of training units. Even subjective or user-oriented quality perceptions have so far not been systematically taken into account or scientifically investigated or used for the control and evaluation of training units. The aim of this thesis was therefore a twofold:

1. The perceptual congruence of elite coach-athlet-dyads was examined in relation to the perceived quality of training units. 2. The perceived quality of elite training units was captured in detail and structured.

In order to determine the perceptual congruence with respect to the perceived quality, the approaches from the quality management and the perceptual congruence of dyads and teams were transferred to coach athlete-dyads training units.

On the basis of the performance-specific sequential incident method - a sequence- and incident-oriented survey - concrete events were recorded, induced to an inductively derived classification, and quality-relevant information was derived for the individual training phases. In order to obtain an assessment of the perceptual congruence, the descriptions of the perceived quality were compared with each other in a dyad-specific manner. In addition to the development of a classification of incidents in training units and a sequence-oriented analysis, the analysis was carried out with a total of 18 coaches-athlete-dyads, who were recruited from the total sample of 20 squad athletes and 19 national coaches.

Overall, the results point to a low congruence in the quality perception of athletes and coaches, but provide valuable evidence for a quality- and process-oriented control of athletic training units and the cooperation between athlete and coach.

883 interpersonal, personal and factual events could be identified as elements of training units and differentiated into eight incident dimensions as well as 31 subdimensions. In a third of the subdimensions and one-fifth of the incidents, the dyad partners agreed in their perception. Discrepancy estimates at the incident level indicated similar valence estimates within the dyads. The relevance of the incidents was significantly different. Trainers estimated incidents to be more relevant than their athletes.

A majority of interpersonal incidents, compared to personal and factual aspects, emphasized the importance of cooperation and interaction between athletes and coaches as a relevant component of training quality.

The distribution of frequently mentioned sub-dimensions showed differences between the individual training sequences. Particularly at the level of concrete incidents, the analysis identified the most salient perceived incidents and offerd information on what should be fostered and what should be avoided in specific sequences. A sequence- and therefore process-oriented evaluation, optimization and assurance of the quality of training situations in elite sports appears thus sensible.

The use of these results was also discussed. The sequence-by-sequence derivation of quality indicators on the basis of the presented classification and the concrete incidents should serve as a basis for the development of pragmatic measuring methods for the systematic recording of subjective quality perceptions in elite sport. Against the background of the influence of similar perceptions of athlete-coach-dyads on their co-operation, the derived measuring methods should allow a comparison of the qualityperception. Differences and similarities can be detected, conflicts identified earlier, and a high quality of training units could be developed in a sustainable and collaborative manner.

English
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-61112
Classification DDC: 100 Philosophy and psychology > 150 Psychology
700 Arts and recreation > 796 Sports
Divisions: 03 Department of Human Sciences > Institut für Sportwissenschaft
Date Deposited: 24 Mar 2017 12:20
Last Modified: 09 Jul 2020 01:35
URI: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/id/eprint/6111
PPN: 40086973X
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