Damberger, Thomas (2012)
Menschen verbessern! Zur Symptomatik einer Pädagogik der ontologischen Heimatlosigkeit.
Technische Universität Darmstadt
Ph.D. Thesis, Primary publication
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Item Type: | Ph.D. Thesis | ||||
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Type of entry: | Primary publication | ||||
Title: | Menschen verbessern! Zur Symptomatik einer Pädagogik der ontologischen Heimatlosigkeit | ||||
Language: | German | ||||
Referees: | Sesink, Prof. Dr. Werner ; Voßkühler, Prof. Dr. Friedrich ; Euler, Prof. Dr. Peter | ||||
Date: | 10 May 2012 | ||||
Place of Publication: | Darmstadt | ||||
Date of oral examination: | 3 May 2012 | ||||
Abstract: | Die vorliegende Arbeit befasst sich sowohl mit pädagogischen als auch mit biotechnischen Möglichkeiten der Verbesserung des Menschen. Dabei geht es ganz wesentlich um die Frage nach der Notwendigkeit und damit auch um das Ziel einer solchen Verbesserung. Bei dem Versuch, diesen Fragen auf den Grund zu gehen, befasse ich mich im ersten Teil der Arbeit („Warum der Mensch nicht ist, was er ist“) mit dem Sein des Menschen. Dabei arbeite ich heraus, dass das menschliche Sein sich durch einen fundamentalen Seinsmangel auszeichnet. Im Gegensatz zu allem anderen Seienden ist der Mensch das, was er ist, in der Weise, das, was er ist, nicht zu sein. Der ontologische Modus des Menschseins ist – mit Jean-Paul Sartre formuliert – das Für-sich-sein und zeichnet sich im Gegensatz zur totalen Seinsfülle – dem An-sich-sein – durch ein Nichts an Sein aus. Dieser Riss, der das Menschsein durchzieht, ist unüberwindbar, weil das Nichts nicht überwunden werden kann. Wohl aber ist der Mangel an Sein die Voraussetzung für jegliches Verhältnis zu sich selbst und zu den Dingen in der Welt und darüber hinaus der Grund dafür, warum der Mensch überhaupt nach irgendetwas strebt. Dieses Streben ist im Wesentlichen nichts anderes als der Versuch, den Zustand der ontologischen Heimatlosigkeit zu überwinden. Im Entwurf macht sich der Mensch zu etwas, und das, wozu er sich macht, will er ganz und gar sein. Das Ergebnis wäre die Koinzidenz mit dem Entwurf, vollständige, bewusstlose Opazität, zur Fülle gebrachtes An-sich-sein. Genau das will der Mensch nicht, vielmehr will er das sein, wozu er sich macht, sich aber zugleich insoweit in einem Zustand der Nicht-Identität bewahren, dass er von seinem Vollkommensein im Moment der totalen Seinfülle weiß. Dies nun ist nichts Geringeres als eine Synthese aus zwei unvereinbaren Seinsmodi: das An-und-für-sich-sein, das ich als das Begehren, Gott zu sein, charakterisiere. Das Streben nach Verbesserung ist, bezogen auf den Menschen, Ausdruck des Versuchs, das eigene Sein zur Fülle zu bringen. Der vollkommene Mensch erweist sich als der Mensch, der keiner mehr ist. Im zweiten Teil der Arbeit („Warum der Mensch nicht vollkommen (gemacht) werden kann“) untersuche ich sowohl pädagogische als auch biotechnische Überlegungen, bei denen es um die Verbesserung bzw. Vervollkommnung des Menschen geht. Ausgehend vom Renaissance-Humanismus Giovanni Pico della Mirandolas und dessen Vorstellung vom Menschen als Schöpfung mit Schöpferpotenzial über Johann A. Comenius’ „Didactica magna“ bis hin zum Neuhumanismus Wilhelm von Humboldts zeige ich auf, dass pädagogische Vorstellungen der Vervollkommnung des Menschen mit einem im Menschsein angelegten Telos korrespondieren. Ohne Pädagogik kann der Mensch nicht seine Bestimmung erreichen, würde er sie allerdings entsprechend der Vorstellungen inbesondere Picos und Comenius’ erlangen, wäre das Menschsein als das, was es ist – nämlich ein nicht-identisches – überwunden. Der vollkommene Mensch wäre das zur Dinghaftigkeit erstarrte An-sich-sein. Pädagogik wohnt insofern eine Tendenz zur Entmenschlichung inne. Die Nähe von Erziehung und Zucht wird bereits in Platons „Politeia“ und dem darin konzipierten Erziehungsmodell deutlich. Platon plädiert unzweifelhaft für ein gezieltes und darüber hinaus geheimes züchterisches Vorgehen, um geeignetes Ausgangsmaterial für eine Erziehung mit Blick auf den Idealstaat zu erreichen. Pädagogische Überlegungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts versuchen in Anlehnung an die im 19. Jahrhundert erstarkten Vererbungstheorien den Zuchtgedanken mit Blick auf die Vervollkommnung der Menschheit zu integrieren. Die schwedische Reformpädagogik Ellen Key plädiert in „Das Jahrhundert des Kindes“ dafür, im neuen Jahrhundert den neuen Menschen zu bilden. Der Rückgriff auf eugenische Maßnahmen erweist sich dabei als erforderliches Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Ähnliche Argumente finden sich sowohl bei Fritz Lenz und dessen Schrift „Über die biologischen Grundlagen der Erziehung“ als auch in Ernst Kriecks „Nationalpolitische Erziehung“. Im Anschluss an die vollständige Entschlüsselung des menschlichen Genoms 2001 bzw. 2006 erhält die Möglichkeit der Gestaltbarkeit des Menschen jenseits pädagogischer Maßnahmen eine neue Dimension. Nun stellen sowohl Genmanipulation als auch Erzie-hung heteronome Eingriffe dar. Wo es im Falle der Erziehung jedoch um den Anderen und um die Entfaltung des eigenen Sinns dieses Menschen geht, ist die Gestaltung des Erbguts als Ausdruck einer liberalen Eugenik ein Eingriff auf etwas, das sich im ontolo-gischen Modus des An-sich befindet. Der im Zuge des ontologischen Akts entstehende Mensch wird auf keine sowohl ihm selbst als auch allen anderen Menschen unverfügbare eigene Natur mehr verweisen können. Inwieweit das von Hannah Arendt herausgearbeitete Zerreißen der Kette der Kultur, das mit der biologischen Geburt einhergeht, im Rahmen erweiterter biotechnischer Gestaltungsmöglichkeiten zukünftig noch in der intendierten Weise stattfindet, bleibt fraglich. Im dritten Teil („Warum Selbstbestimmung nicht ausreicht, sich selbst bestimmen zu können“) befasse ich mich mit den Möglichkeiten, vermittels Neuro-Enhancement eine bessere, weil effizientere Selbstgestaltung zu betreiben. Hierbei geht es ganz wesentlich um die Frage nach dem Selbst der Selbstgestaltung. Insofern der Mensch das, was ist, und damit auch das, war er ist, allein als Ergebnis seiner subjektiven Gestaltungsmacht wähnt, verstellt diese Sichtweise dasjenige, was der Macht zur Selbstbestimmung als ihr Ermöglichendes zugrundeliegt. Damit rückt das Sein des Menschen erneut in den Mittelpunkt, dieses Mal als das Unverfügbare, das der Subjektivität des Menschen vorausgeht. Das sich-zurückhaltende Sein erweist sich im Zuge meiner Überlegungen als Offenhalten eines Nichts an Potenzialität, wodurch Menschsein als nicht-identisches Für-sich-sein geschehen kann und damit zugleich die Kraft zur Selbst- und Weltgestaltung möglich wird. Diese Kraft, dieses Streben, das durch ein Nicht-Sein bedingt ist, zu verendlichen, indem das Nicht-Sein im Vollkommenheitssteben nivelliert wird, wäre gleichbedeutend mit dem Ende des Menschen. Pädagogik, die den Ursprung des Strebens nach Verbesserung nicht versteht, befindet sich in der Gefahr, den Menschen zu einer sich selbst verfehlenden Selbstbestimmung zu führen. Ich stelle dem ein Plädoyer für einen erweiterten Mündigkeitsbegriff gegenüber, der explizit eine Sensibilität für das Unverfügbare zu erzeugen versucht, das bedacht, bewahrt und im Zuge eines Lebens entsprechend des eigenen Sinns fruchtbar gemacht werden soll. |
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Alternative Abstract: |
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URN: | urn:nbn:de:tuda-tuprints-29768 | ||||
Classification DDC: | 100 Philosophy and psychology > 100 Philosophy 300 Social sciences > 370 Education 500 Science and mathematics > 570 Life sciences, biology |
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Divisions: | 03 Department of Human Sciences > Institut für Allgemeine Pädagogik und Berufspädagogik | ||||
Date Deposited: | 11 May 2012 09:30 | ||||
Last Modified: | 09 Jul 2020 00:04 | ||||
URI: | https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/id/eprint/2976 | ||||
PPN: | 386255741 | ||||
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