Die Familie Baculoviridae umfasst doppelsträngige DNA Viren mit stabförmigen, umhüllten Virionen, welche Larvenstadien der Insektenordnungen Lepidoptera, Diptera und Hymenoptera infizieren. Aufgrund ihres oftmals sehr engen Wirtsspektrums und dem Fehlen von negativen Einflüssen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt, werden bereits einige Baculovirusarten in biologischen Pflanzenschutzmitteln verwendet.
Ein möglicher Einsatz ist die Bekämpfung von Erdraupen. Erdraupen stellen ernstzunehmende Bodenschadorganismen im Garten- und Ackerbau dar und umfassen neben anderen Arten auch die Gattung Agrotis. Sie leben nahe oder unterhalb der Oberfläche wo sie sich polyphag von den Setzlingen, Stämmen, Wurzeln und anderen Pflanzenteilen ernähren. In jüngster Vergangenheit wurden aus den Arten Agrotis segetum und A. ipsilon vier Baculovirusarten isoliert: Agrotis segetum nucleopolyhedrovirus A (AgseNPV-A), Agrotis segetum nucleopolyhedrovirus B (AgseNPV-B), Agrotis ipsilon nucleopolyhedrovirus (AgipNPV) und Agrotis segetum granulovirus (AgseGV). All diese Arten sind vielversprechende Kandidaten für biologische Insektizide gegen Erdraupen auf Basis von Baculoviren. Der Fokus dieser Arbeit lag jedoch auf AgseGV und AgseNPV-B aufgrund der langjährigen Forschungserfahrung mit diesen beiden Arten am Julius-Kühn-Institut in Darmstadt.
Aufgrund seiner geringen Mortalität in A. segetum Larven und des beobachteten Zelltropismus, der aufe eine Infektion des Fettkörpers und des Mitteldarmepitheliums beschränkt ist, wurde das europäische Isolat AgseGV-DA als langsam wirkendes Typ I Granulovirus identifiziert. Die vollständige mit NGS sequenzierte Genomsequenz beinhaltete lediglich einen homogenen Genotyp und war mehr als 99% identisch zu den beiden chinesischen Isolaten AgseGV-XJ und AgseGV-L1. Das AgseGV-DA Genom hat eine Größe von 131,557 bp und enthält 149 mögliche offene Leserahmen (orfs), unter anderem 37 Baculoviruskerngene und den Infektionsfaktor ac110, sowie einen möglichen non-hr Replikationsursprung. AgseGV besitzt für ein spezielles enhancin Gen, welches eine entfernte Verwandtschaft zu jenen enhancin Genen aufweist, die bisher in der Gattung Betabaculovirus entdeckt wurden. Wenngleich alle drei AgseGV Isolate derselben Spezies angehören, so wurde AgseGV-DA als das speziesbeschreibende Isolat vom Internationalen Komitee für Virustaxonomie (ICTV) wegen seiner vollständigen Beschreibung der Genomsequenz und Pathologie ausgewählt.
Die Permissivität der Insektenzellkultur AiE1611T gegenüber AgseGV-DA und AgseNPV-B, wurrde untersucht, da sie die Grundvoraussetzung jedwelcher in vitro Experimente darstellt. Während AgseGV und AgseNPV-B anfällige Larven koinfizieren könne, zeigte sich in Experimenten mit transfizierter DNA und infektiöser Hämolymphe von infizierten Larven, dass AiE1611T Zellen lediglich für AgseNPV-B permissiv sind, aber jedoch nicht für AgseGV. In AiE1611T Zellen wurden vielfache Okklusionskörper von AgseNPV-B produziert und das Virus wurde in einer Runde eines „Plaque Purification“ Assay für die weiteren Experimente selektiert. Von zwölf genotypisch und morphologisch identischen Isolaten, wurde eines, PP2 genannt, benutzt um die Virusstabilität in zehn aufeinanderfolgenden Passagen in AiE1611T Zellen untersucht. Weiterhin wurde die Zellkultur für die Untersuchung eines rekombinanten Virusklons, dem Bacmid bAgseNPV-B, benutzt. AgseNPV-B PP2 erwies sich als genomisch stabil, wohingegen die Infektionsrate in Larven über die Passagen schwankte. Während in der ersten Passage ein Verlust der Virulenz zu verzeichnen war, blieb diese im weiteren Verlauf stabil. Gleichzeitig wurde über den Verlauf von zehn Passagen das Auftreten sogenannter „few polyhdera“ Mutanten weder mikroskopisch noch in der Genomanalyse beobachtet. Die wenigen Einzelnukleotidpolymorphismen (SNPs), welche mit diesem Verfahren ermittelt wurden, lagen im Bereich von „homologous repeat“ Sequenzen (hrs). Eine exakte Zuordnung der kurzen Sequenzierungs-Reads war deshalb aufgrund der repetitiven Natur dieser hrs nicht möglich, weswegen keine weiteren Schlüsse aus diesen SNPs gezogen wurden. Die Methodenvalidierung für die Detektion von Deletionen gelang mithilfe des Bacmids bAgseNPV-B. Dieses Bacmid war um schätzungsweise 43 kb im AgseNPV-B Genom deletiert, besaß aber weiterhin die bakterielle rekombinante DNA, welche durch homologe Rekombination im hr6 eingesetzt wurde. Die Deletion umfasste 42 orfs und zwei hrs. Als Konsequenz konnten AiE1611T zwar transfiziert werden, was an dem cytopathologischen Effekt ersichtlich war, die Infektion wurde jedoch zu einem frühen Zeitpunkt blockiert und verteilte sich nicht auf benachbarte Zellen. Dies korreliert wahrscheinlich mit dem Fehlen der AgseNPV-B Gene lef-1, lef-2 und me53.
Bei dem zweiten exemplarischen Baculovirus das hier behandelt wurde, handelt es sich um das Cydia pomonella granulovirus (CpGV). CpGV besitzt ein sehr enges Wirtsspektrum und wirkt sehr effizient gegen die lepidoptären Schädlinge Cydia pomonella (Apfelwickler, CM) und im geringeren Maße auch gegen nahe artverwandte Wickler. Aufgrund dessen wurde CpGV erfolgreich zu einem biologischen Insektizid entwickelt, welches nahezu im gesamten Obstbau Verwendung findet. CpGV umfasst einige Isolate und die intensive phylogenetische Forschung an CpGV konnte unter anderem beweisen, dass man die Isolate in fünf Genomgruppen/-typen unterteilen kann. Die Unterteilung gibt bestimmte Trends wieder, unter anderem Insertionen und Deletionen und abstammungslinienspezifische SNPs, welche hier im Fokus stehen. Datensätze aus NGS Sequenzierungen der kommerziellen Isolate CpGV-0006, CpGV-R5 und CpGV-V15 wurden bezüglich ihrer genomischen Zusammensetzung mit ihrer Wirkung in verchiedenen Larven Populationen mit den Resistenztypen I - III kombiniert. In Infektionen, waren die Isolate CpGV-0006 und CpGV-R5 resistenzbrechend für die Typ-I Resistenz und ebenso in geringerem Umfang für die Typ-III Resistenz. Aufgrund der SNP Verteilung der Illumina Sequenzen konnte gefolgert werden, dass beide Isolate genomisch beinahe identisch waren und zu zwei Dritteln aus Genomtyp E und zu einem Drittel aus Genomtyp A bestanden. Im Gegensatz dazu besteht CpGV-V15 zu etwa gleichen Teilen aus den Genomytpen B und E und bricht alle drei Resistenztypen. Die unterschiedliche Wirksamkeit lässt sich mit der Zusammensetzung aus verschiedenen Genomtypen erklären, was für zukünftige CpGV Isolate verwendet werden kann um ihren möglichen Erfolg in der Bekämpfung resistenter Apfelwicklerpopulationen vorherzusagen. | German |