Viele Viren die Algen als Wirt nutzen codieren für kleine Membranproteine mit den Eigenschaften von Kaliumkanälen. Das Besondere an diesen Kanälen ist, dass die Monomere aus weniger als 100 Aminosäuren bestehen. Durch die einfache Struktur und ihre funktionale Robustheit sind sie ein sehr gutes Modellsystem um die grundlegende molekulare Struktur von Kaliumkanälen zu verstehen. Um mehr über Struktur-/Funktionskorrelation in diesen einfachen Kanalproteinen zu erfahren, habe ich begonnen eine Bibliothek von Kanalsequenzen zu erstellen. Im Rahmen dessen habe ich Gewässerproben nach neuen Kanälen gescreent und in Datenbanken nach Orthologen gesucht.
Hier stelle ich nun einige interessante neue virale K+-Kanäle aus Salz- und Süßwasserviren vor. Algorithmen zu Strukturvorhersage zeigen, dass die neuen Kanäle aus Salzwasserviren die kanonischen α-Helixmotive aufweisen, die für das Porenmodul aller bekannten K+-Kanäle typisch sind. Allerdings wurden die erwarteten Transmembrandomänen, die die Kaliumkanalporen flankieren, von den Vorhersagealgorithmen nicht identifiziert. Die Tatsache, dass elektrophysiologische Messungen eine Aktivität dieser Kanäle bestätigten, deutet darauf hin, dass die Transmembranorganisation dieser Proteine in anderer Weise als in den bekannten K+-Kanälen erreicht wird.
Die neu gefundenen viralen K+-Kanäle haben einzigartige funktionelle Eigenschaften: Zwei der Gene kodieren für Proteine, Kmpv12T und Kmpv1, die nur 78 bzw. 79 Aminosäuren pro Untereinheit groß sind. Dies sind die kleinsten bekannten Kaliumkanäle und vermutlich nahe am kleinstmöglichen Kaliumkanal. Beide konnten als funktionelle Kanäle durch eine Kombination von heterologer Expression und elektrophysiologischen Messungen nachgewiesen werden. Neben diesen besonders kleinen Kanälen von Micromonas sp. Viren konnte auch die Funktion von Kmpvsp1 bestätigt werden. Dieser Kanal zeigt im Gegensatz zu allen anderen Viruskanälen eine ausgeprägte Einwärtsgleichrichtung und eine gewisse Leitfähigkeit für Na+. Kbpv1 von einem Bathycoccus sp. Virus und KotvRT aus einem Ostreococcus sp. Virus konnten ebenfalls als selektive Kaliumkanäle nachgewiesen werden. KotvRT zeigt einen steilen spannungsabhängigen Ba2 +- und Cs+-Block, der ähnlich dem Cs+-Block von KcvNTS ist.
Zwei weitere neue Kanäle wurden aus Süßwasser-Chlorella-Viren isoliert. Einer von ihnen ist KcvGLND. Dieser stammt aus einem evolutionär interessanten Hybridvirus, der Gene von SAG-Viren und Pbi-Viren enthält. KcvNH ist ein Kanal aus der KcvATCV-1-Familie mit interessanten Struktur-Funktions-Beziehungen.
Einige Proteine wie Kmpv12T haben eine kanalartige Struktur, aber dennoch keine Leitfähigkeit nach Expression in HEK293-Zellen gezeigt. Nach der Untersuchung der zellulären Verteilung von GFP-markierten Proteinen haben wir festgestellt, dass alle Kanäle die in HEK293-Zellen durch Patch-Clamp-Messungen positiv identifiziert wurden, in den sekretorischen Weg und von dort vermutlich zur Plasmamembran transportiert wurden. Die Kanäle, die keine Ströme in der Plasmamembran von HEK293-Zellen gezeigt haben, wurden hingegen überwiegend in die Mitochondrien sortiert oder unsortiert im Cytosol belassen. Repräsentativ für die zu letzte genannten Kanäle wurde Kmpv12T in vitro synthetisiert und in planaren Lipidbilyer rekonstituiert. Hier erzeugte er auch eine typische Kaliumkanalaktivität. Gemeinsam zeigen die Daten, dass die Mehrheit der neu identifizierten viralen K+-Kanäle trotz nicht-kanonischer Strukturmerkmale, sowie einer geringen Größe und einer ungewöhnlichen Transmembran-Domänenarchitektur Kaliumkanal-Funktion zeigen. Einige der neuen Kanäle zeigen eine ungewöhnliche Sortierung in die Mitochondrien. Die Kanalaktivität bei den planaren Lipidbilayer Versuchen deuten darauf hin, dass einige dieser Proteine funktionelle K+-Kanäle sind. | German |