Ionisierende Strahlung (IR) verursacht verschiedene Formen der DNA-Schädigung, unter denen der DNA-Doppelstrangbrüch (DSB) der biologisch schwerwiegendste ist. In somatischen Zellen gibt es eine Vielzahl an zellulären Schadensantworten (DNA damage response, DDR), wie die Zellzykluskontrolle oder DSB-Reparaturmechanismen. Eine koordinierte Zusammenarbeit dieser Prozesse sorgt so für den Schutz vor langfristigen DNA-Schäden. Der G1/S- und G2/M-Checkpoint verhindert die Progression der Zellen in die nächste Zellzyklusphase. Durch diesen Mechanismus wird die Replikation und Teilung der Zellen verhindert, wodurch Zellen, die DSBs enthalten, genügend Zeit für die Reparatur erhalten. Die Mehrheit der IR-induzierten DSBs wird schnell über die kanonische nicht-homologe Endverknüpfung (c-NHEJ) repariert, in der DNA-PKcs eines der Kernenzyme darstellt. Im Gegensatz dazu, wird eine Subfraktion von Schäden mit langsamer Kinetik in einer ATM-abhängigen Weise repariert. Dieser Reparaturweg repräsentiert die homologe Rekombination (HR) in der G2-Phase und das resektionsabhängige c-NHEJ in der G1-Phase. In Stammzellen, bei welchen sich die DDR-Regulation von denen in somatischen Zellen unterscheidet, sind die Schlüsselfaktoren und ihre Funktionsmechanismen noch unbekannt.
Das Hauptziel dieser Arbeit war es, den Mechanismus zu verstehen, durch den Stammzellen ihre genomische Integrität bewahren. Darüber hinaus wurde der Umfang der Reparaturkapazität und die Genauigkeit in pluripotenten und multipotenten Stammzellen verglichen. Um diese Ziele zu erreichen, wurde der DDR-Mechanismus in embryonalen Mausstammzellen (ESCs) und ESC-abgeleiteten neuronalen Stammzellen (NSCs) charakterisiert.
Die Zellzykluskontrollanalyse nach 2 Gy-Röntgenstrahlung zeigte einen ineffektiven G1/S-Zellzyklusarrest in NSCs, während ESCs die Zellzyklusprogression in die S-Phase nicht verhindern konnten. In beiden Zelltypen wurde der Zellzyklus vollständig durch den G2/M-Checkpoint angehalten. ESCs zeigten jedoch einen längeren Zellzyklusarrest im Vergleich zu NSCs.
Die Anzahl der DBS, die durch 10 mGy und 100 mGy Röntgenstrahlung in NSCs induziert wurden, ergab, dass die Reparaturkapazität durch Verringerung der Strahlendosis reduziert wurde. Nach 10 mGy IR blieb das Niveau der DSBs konstant, bis 4 h nach der Bestrahlung. Dies könnte auf eine mangelnde Aktivierung der DNA-Reparatur zurückzuführen sein. Außerdem haben wir gezeigt, dass unter diesen Bedingungen DNA-PK nicht ausreichend aktiviert wird, um H2AX in Abwesenheit von ATM zu phosphorylieren.
Die Untersuchung der DSB-Reparaturkapazität nach 2 Gy-Röntgenstrahlung ergab, dass Wildtyp (WT) ESCs und NSCs ähnliche Reparaturkinetiken aufweisen und die IR-induzierten DSBs innerhalb von 6 h nach IR fast komplett repariert werden. Die ATM-Inhibition in ESCs und NSCs hatte keinen Einfluss auf die schnelle DSB-Reparaturkomponente, während die langsame Komponente beeinträchtigt war. Interessanterweise induziert die DNA-PKcs-Inhibition einen temporären Reparaturdefekt in ESCs, gefolgt von einer effizienten Reparatur auf Kontroll-Niveau. Im Gegensatz dazu, wurde die DSB-Reparatur in NSCs nach der DNA-PKcs-Inhibition fast komplett gestoppt. Die Inhibierung von Rad51 verhindert die DSB-Reparatur in G2-Phasen-NSCs, während die Reparaturkapazität in ESCs nicht betroffen war. Daraus ergab sich die Frage, ob die DSBs in DNA-PKcs- und Rad51-defizienten ESCs über einen alternativen Reparaturweg repariert werden.
Um die oben genannte Frage zu beantworten, untersuchten wir die Rolle des alt-NHEJ- Reparaturweges in ESCs und NSCs durch die Inhibition von PARP1. Die PARP1-Inhibition hat dabei weder die DSB-Reparaturkinetik in WT- oder ATM-inhibierten ESCs, noch in NSCs beeinflusst. Allerdings induzierte es einen zusätzlichen, signifikanten Reparaturdefekt in DNA-PKcs- und Rad51-inhibierten ESCs, nicht jedoch in NSCs. Diese Daten zeigten, dass das PARP1-abhängige alt-NHEJ als Backup-Reparaturweg für c-NHEJ und HR in ESCs fungiert.
Es ist bereits bekannt, dass PARP1-abhängiges alt-NHEJ ein resektionsabhängiger Reparaturweg ist. Untersuchungen der Resektion in der G2-Phase zeigten ein höheres Level an Rad51-Foci in ESCs, als in NSCs. Zusätzlich konnte eine Untersuchung der Resektion in der G1-Phase die Bildung von pRPA-Foci in ESCs, nicht jedoch in NSCs, bestätigt werden. Darüber hinaus verringerte die Inhibierung der Proteine, die die Resektion in der G1-Phase regulieren, wie PLK3, nicht nur die Bildung von pRPA-Foci, sondern auch die DSB-Reparatur in ESCs. Während in nicht pluripotenten Zellen (NSCs oder HeLa-Zellen) kein Reparaturdefekt nach Inhibierung der Resektion in der G1-Phase beobachtet wurde. Diese Ergebnisse zeigten, dass ESCs mehr Resektion als NSCs durchführen. Resektionsabhängiges NHEJ stellt demnach einen prominenten DSB-Reparaturweg in G1-Phase-ESCs dar. Die gesammelten Daten implizieren, dass ESCs eine weitreichende Resektion von DSB-Enden durchführen können und daher im Falle von beeinträchtigten klassischen Reparaturpfaden leicht zu PARP1-abhängigem alt-NHEJ wechseln können.
In einer Studie konnte die Beteiligung von naszierenden RNAs an einer fehlerfreien c-NHEJgezeigt werden, indem sie als Vorlagen für die genomische Information an den Bruchstellen dient. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass die RNA-Transkriptions-Maschinerie als molekularer Motor fungiert, um eine exzessive DNA-Resektion zu fördern. Diese Beweise führten zu der Frage, ob RNA die Resektion in G1-Phase-ESCs vermittelt.
Der Nachweis von RNA-DNA-Hybriden an den DSB-Stellen, sowie die Reduktion der pRPA-Foci nach Hemmung der Transkription, bestätigten unsere Hypothese, dass die RNA-Transkription eine weitreichende Resektion in G1-Phase-ESCs vermitteln könnte. Darüber hinaus induzierte die Destabilisierung der RNA-DNA-Hybride durch Überexpression des RNaseH1 Enzyms einen signifikanten Reparaturdefekt in G1-Phase-ESCs. Dieser Effekt war identisch mit dem Reparaturdefekt, der nach der Hemmung von PLK3 beobachtet wurde. Diese Beobachtungen bestätigten die Rolle der RNA bei der Vermittlung der Resektion in G1-Phase-ESCs. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Beteiligung von RNA als Vorlage während der DSB-Reparatur eine fehlerfreie Reparatur vermittelt und somit eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der genomischen Integrität von pluripotenten Stammzellen spielen könnte. | German |