Zahlreiche Proteine, die als therapeutische Wirkstoffe zum Einsatz kommen, wie z.B. therapeutische Antikörper, werden aus Zellkulturen gewonnen. Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Entwicklung einer komplexen, chemisch definierten, hoch konzentrierten pH neutralen Nährlösung (Feed) für die Zellkultur, die alle Nährstoffe für Fed-Batch Prozesse beinhaltet (Ein-Feed-Strategie). Dabei sollen das Zellwachstum, die Antikörperproduktion und die Charakteristika des produzierten monoklonalen Antikörpers im Vergleich zum Standard Fed-Batch Prozess nicht verändert oder sogar verbessert werden. Es ist bekannt, dass die Aminosäure L-Cystein schnell zu schwer löslichem L-Cystin durch Oxidationsvorgänge dimerisiert. Die Zugabe von L-Cystein zu einer komplexen, chemisch definierten, hoch konzentrierten pH neutralen Nährlösung (Feed) führt zur schnellen Bildung von L-Cystin. Dies zeigt die geringe Stabilität von L-Cystein im pH neutralen Feed. L-Cystein wird daher in einem separaten, alkalischen Feed im Standard Fed-Batch Prozess der Firma Merck stabil gehalten (Zwei-Feed-Strategie). Durch die Zugabe des alkalischen L-Cystein-Feeds während der Fütterungen ergaben sich pH Spitzen in den Fed-Batch Kulturen.
Um das Ziel der Etablierung einer Ein-Feed-Strategie zu realisieren, wurden zunächst verschiedene L-Cysteinderivate getestet wie in Teil 5.1 dieser Arbeit beschrieben. Aus den getesteten L-Cysteinderivaten wurde S-Sulfocystein für weitere Tests ausgewählt, da dieses Molekül die gewünschten physikochemischen Eigenschaften besitzt. In Teil 5.3 dieser Arbeit wird gezeigt, dass S-Sulfocystein über drei Monate bei 4°C in der komplexen, chemisch definierten, hoch konzentrierten pH neutralen Nährlösung stabil ist.
In Teil 5.5 dieser Arbeit wird L-Cystein durch S-Sulfocystein in Batch Kulturen mit dem CHO Suspensionsklon 1 ersetzt. In diesen Experimenten zeigte sich, dass S-Sulfocystein L-Cystein ersetzen konnte. Dies deutet darauf hin, dass S-Sulfocystein als Cysteinquelle von diesem Klon genutzt werden konnte. Der Einsatz von S-Sulfocystein in Fed-Batch Experimenten (spin tubes, Bioreaktoren) mit CHO Suspensionsklon 2 wurde in den Teilen 5.6 und 5.7 dieser Arbeit untersucht. Bei Verwendung von 15 mM S-Sulfocystein (Ein-Feed-Strategie) zeigte sich verlängertes Zellwachstum und erhöhter Titer im Vergleich zu dem Standard Fed-Batch Prozess (Zwei-Feed-Strategie).
Der in dieser S-Sulfocystein-Kondition produzierte monoklonale Antikörper zeigte keine Unterschiede hinsichtlich N-Glykosylierung, charge variant und Sequenz im Vergleich zum Antikörper aus dem Standard Fed-Batch Prozess wie in Teil 5.8 dieser Arbeit gezeigt.
Der Mechanismus zur Wirkung von S-Sulfocystein als L-Cysteinquelle wurde in Teil 5.9 dieser Arbeit untersucht. Durch die Interaktion von S-Sulfocystein mit Glutathion bildeten sich gemischte Disulfide,die S-Sulfocystein als Cysteinquelle nach ihrer enzymatischen Reduktion bereitstellen. Weiterhin wurden im Vergleich zu dem Standard Fed-Batch Prozess (Zwei-Feed-Strategie) erhöhte intrazelluläre Glutathionpools, erhöhte Superoxid Dismutase 1 und 2 Levels und verminderte, intrazelluläre, reaktive Sauerstoffspezies in der Ein-Feed-Kondition mit 15 mM S-Sulfocystein beobachtet. Dies deutet darauf hin, dass Mechanismen, ähnlich zur Antioxidanz, in der Kondition mit 15 mM S-Sulfocystein bestehen.
Toxische Effekte auf das Zellwachstum von CHO Suspensionsklon 2 wurden im Fed-Batch Prozess mit 20 mM S-Sulfocystein und im Batch Modus mit 1.5 mM S-Sulfocystein beobachtet. Die beobachtete Toxizität in beiden Konditionen wird einem extrazellulären pH Abfall zugeschrieben wie in Teil 5.10 dieser Arbeit gezeigt. Es wird vermutet, dass die beobachteten pH Abfälle in toxischen S-Sulfocysteinkonzentrationen für den beobachteten schnellen Zelltod in beiden Prozessformen im Vergleich zu den Standardprozessen verantwortlich sind. Weiterhin wurde in dieser Arbeit gezeigt, dass verschiedene CHO Suspensionsklone unterschiedlich auf das Cysteinderivat reagieren. Dies deutet darauf hin, dass klonabhängige Effekte bei S-Sulfocystein Verwendung auftreten.
Die Ergbenisse dieser Arbeit bestätigen das Konzept der Ein-Feed-Strategie in Fed-Batch Prozessen mit CHO Suspensionszellen. Zum ersten Mal wurde S-Sulfocystein erfolgreich als Cysteinquelle in der Zellkultur eingesetzt. Der Erfolg der S-Sulfocysteinanwendung hängt maßgeblich von der eingesetzten S-Sulfocysteinkonzentration, vom Prozesss und von dem verwendeten CHO Suspensionsklon ab. | German |