Für Beschleunigeranlagen ist es unabdingbar, Messdaten von Strahlparametern während
des Betriebs zu bestimmen. Diese Aufgabe übernimmt die Strahldiagnose. Sie stellt ein
Schlüsselglied zur Inbetriebnahme, Einstellung und Optimierung der Anlage dar. Eine
wichtige Information ist die Phasenraumverteilung der beschleunigten Teilchensorten. Im
Falle der Beschleunigeranlage GSI (Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung) sind dies
Ionen von Protonen bis hin zu Uran.
Nicht immer existieren etablierte Messmethoden zur Bestimmung notwendiger Strahlinformationen,
sodass neuartige Ansätze verfolgt werden müssen. Vor dieser Herausforderung
steht der vorliegende Messaufbau, der zur Inbetriebnahme des Hochstrominjektors von
Forck et al. konzipiert und realisiert wurde. Dieser soll einen experimentellen Zugang zur
longitudinalen Phasenraumverteilung bei niedrigen Energien von 1.4 AMeV ermöglichen.
Etablierte Ansätze bei deutlich höheren Energien, die sich der Messung der elektrischen
Feldverteilung bedienen, sind, bei gegebenen nichtrelativistischen Geschwindkeiten von
5.5 % der Lichtgeschwindigkeit, nicht praktikabel. Die vorgestellte Messmethodik basiert auf
der Messung der Flugzeit einzelner Ionen zwischen zwei Teilchendetektoren. Eine Modifikation
ermöglicht, alternativ, die direkte Messung der Energie mittels eines monokristallinen
Diamantdetektors.
Derzeit steht, neben anderen Strahlparametern, die Kenntnis des longitudinalen Phasenraums
im Fokus der Optimierung des Injektors. Sie erlaubt eine systematische Optimierung
der Strahlanpassung entlang der Beschleunigerkavitäten und somit eine verbesserte Transmission
sowie niedrigere Emittanzwerte. Durch den Neubau der Beschleunigeranlage FAIR
(Facility for Antiproton and Ion Research) ist die Erhöhung der Strahlqualität des bestehenden
Injektors eine grundlegende Voraussetzung.
In dieser Arbeit wird der Messaufbau auf seine Eignung untersucht, den longitudinalen
Phasenraum hinreichend präzise abzubilden. Dabei gilt es, die Phase und Impuls einzelner
Ionen längs der Strahlachse möglichst exakt zu bestimmen. Die Phasenraumverteilung
ergibt sich schließlich aus dem gemessenen Ensemble.
Der Aufbau wird im Detail vorgestellt, sowie in notwendige Konzepte wie dem Phasenraum
und der Emittanz eingeführt. Nach der ausführlichen Beschreibung der Datenakquisition
folgt eine Diskussion der Datenanalyse. Ein maßgeblicher Bestandteil ist die Einführung
eines robusten Schätzers für die Kovarianzmatrix. Diese ist direkt mit der Emittanz verknüpft,
jedoch für den klassischen Schätzer sehr sensitiv auf Ausreißer in der gemessenen
Verteilung. Die übliche Herangehensweise des subjektiven Setzens von Schnitten an die
Daten wird damit konsequent vermieden.
Die Messeigenschaften des Flugzeitexperiments wurden für Hoch- und Niederstrom getestet.
Dabei wurde die Sensitivität des Messaufbaus auf den Phasenraum bestätigt.
Weiterhin zeigte sich, dass der Gasdruck im Stripperbereich und in besonderem Maße die Einstellung
der Hochstromschlitze, die zur Abschwächung bei Hochstrom benötigt werden, einen
signifikanten Einfluß auf den gemessenen Phasenraum zur Folge haben. Die Streuung von
Ionen an den Schlitzen führt bei kleinen Schlitzöffnungen zu einer messbaren Energieverbreiterung,
grösserer Bunchlänge und, folglich, grösseren Emittanz. Unabhängig von der
Messkonfiguration wurden konsistent Abweichungen von den erwarteten Werten der Energiebreite
∆E/⟨E⟩ ≈ 1 % und des Twiss-Parameters α ≈ 4 gemessen. Die gemessenen Energiebreiten
überschritten die Theoriewerte um einen Faktor 1.5-1.6. Eine direkte Messung
der Bunchstruktur ist hingegen, unter Beachtung der Schlitzkonfiguration, sinnvoll.
Niederstrommessungen mit dem monokristallinen Diamantdetektor zeigten nach der Bestrahlung
von ≈ 3×10^4 Argon-Ionen einen Verlust von 5 % in der Pulshöhe und 2 % im
Pulsintegral. Obwohl dieser Effekt in der Datenanalyse korrigiert wurde, zeigte sich, wie
bereits in der Flugzeitmessung, eine deutlich höhere Energiebreite als erwartet. Ebenso lagen
die Werte für α deutlich unter 0.5. Auftretende Schleppen in den gemessenen Verteilungen
zeigten ein breites Energiespektrum und konnten quantitativ auf Wechselwirkung mit
den Kollimatorblenden zurückgeführt werden.
Nach diesen experimentellen Hinweisen auf eine unzureichende Energieauflösung wurde
dieser Effekt in einem Gauss’schen Modellraum untersucht. Dabei konnten die Diskrepanzen
zwischen erwarteten und gemessenen Werten der Größen ∆E/⟨E⟩, α und der Emittanz
durch Annahme einer Systemantwort von 1.3 % aufgelöst werden. Im Rahmen des Modellraumes
konnte somit vorgeschlagen werden, bei guter Kenntnis der Messauflösung, die
gemessenen Daten durch Rücktransformation an die tatsächlichen longitudinalen Parameter
anzunähern.
Im Umkehrschluss war es dadurch möglich, anhand des Modells eine analytische Formel
für die benötigte Energieauflösung herzuleiten. Es zeigt sich eine hohe Abhängigkeit der
benötigten Energieauflösung vom Twiss-Parameter α. Demnach skaliert die benötigte
Auflösung mit 1/α. Um die erwartete Emittanz zu messen, muss die Messgenauigkeit bereits
eine Energieauflösung von besser als 1.7 AkeV aufweisen, um eine maximale Abweichung
von 10 % zu erzielen. Dies entspricht einer Zeitauflösung von besser als 30 ps.
Dies motivierte eine Erhebung möglicher systematischer Fehlerquellen. Der dominierende
Beitrag ist durch die Inhomogenität der Folien gegeben. Bereits die Abschätzung für die
Tantalfolie mit σE/⟨E⟩ ≈ 1 % führt zu einer merklichen Energieverbreiterung, von der Größe
des eigentlich zu messenden Wertes. In Anbetracht der benötigten Zeitauflösung, um die
Emittanz mit 10 % Genauigkeit zu messen, ist jedoch auch der Beitrag der verkippten
Aluminiumfolie von 25 ps kritisch. Die quantitative Erhebung sämtlicher Fehlerquellen,
bestehend aus der Zeitauflösung der einzelnen Komponenten und dissipativen Beiträgen
der Folien, unterstützt die besprochene Modellbetrachtung. Demnach deckt sich der erhobene
Wert für die Systemantwort des Gesamtsystems mit der in der Modellbetrachtung
gewählten.
Obwohl eine direkte Messung der gesamten longitudinalen Phasenraumverteilung mit dem
derzeitigen Aufbau nicht möglich ist, liefert die Bunchstruktur vertrauenswürdige Werte.
Der Messaufbau wurde zu diesem Zweck in mehreren Messkampagnen erfolgreich eingesetzt
und für weitere angefordert. | German |