Zusammenfassung
Die Dissertation leistet sowohl einen Beitrag zur Entwicklungsökonomie (Development Economics) als auch zur Neuen Institutionenökonomie (New Institutional Economics). Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit langfristig angelegter Wirtschaftsanalyse.
Es wird der Standpunkt vertreten, dass rein neoklassische Modelle, die den institutionellen Faktor unberücksichtigt lassen, die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung nicht korrekt analysieren können. Das gilt insbesondere für Wirtschaftssysteme, die sich im Übergang befinden. Weitergehend wird gezeigt, dass eine Reihe von analytischen Fähigkeiten der neoklassischen Theorie in die Institutionenanalyse (Institutional Analysis) eingebunden werden kann. So wird beispielsweise die Marginalanalyse, die mit Konzepten wie Transaktionskosten und Spekulationsgewinnen (Rent) operiert, erfolgreich in die Dissertation eingebunden, wobei Transaktionskosten und Spekulationsgewinne Größen sind, die häufig in der Neuen Institutionenökonomie auftauchen. Kombiniert man die beiden analytischen Bezugsrahmen, so lässt sich eine größere Erklärungskraft im Hinblick auf die reale Wirtschaft herstellen.
Die Dissertation diskutiert das Verhältnis von Wirtschaftswachstum und der Verteilung von Einkommen und Wohlstand. Das Problem der Verknüpfung von Wirtschaftswachstum und Ungleichheit wird aus verschiedenen Blickrichtungen analysiert: Zunächst wird bestätigt, dass institutionelle Einrichtungen entscheidend für die Wirtschaftsleistung sind. Ein gutes institutionelles Arrangement wird, langfristig besehen, sowohl dem Wirtschaftswachstum als auch der Verteilung von Einkommen und Wohlstand dienen. Sodann werden einige frühere neoklassische Ansichten über die Entstehung einer ungleichen Verteilung des Wohlstands während einer Wachstumsphase weiterentwickelt. Die Argumentation zielt darauf ab, dass die entscheidende Rolle der Verteilung von Spekulationsgewinnen (Rent Distribution) und der weiteren Verbreitung von Ausbildung[smöglichkeiten] unter dem vorrangigen Aspekt der Gleichheit zur Kenntnis genommen werden sollte. Schließlich zeigen wir auf, dass sich Ungleichheit, langfristig betrachtet, negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirkt. Im Gegensatz dazu hat Gleichheit einen positiven Effekt auf anhaltendes Wachstum. Insbesondere gilt dies für eine Wirtschaft im Übergang, die den Tertiärisierungsprozess durchläuft.
Die Dissertation ist eine ausführliche Studie über die Verknüpfung von Wirtschaftswachstum und Ungleichheit, basierend auf der Wirtschaftsleistung der Volksrepublik China seit Reform und Öffnung 1979. Daher ist sie auch ein Beitrag zum Verständnis des sogenannten "chinesischen Wirtschaftswunders". Die Dissertation stellt die weit verbreitete optimistische Perspektive auf Chinas anhaltenden Wachstum in Frage und liefert Gegenargumente. Die Analyse führt auch zu Vorschlägen hinsichtlich zukünftiger Reformen in China, die der Wirtschaft helfen können, das Problem der "Mittleres-Einkommen-Falle" zu überwinden.
Der Inhalt der Dissertation lässt sich wie folgt zusammenfassen: In Kapitel 1 werden die grundlegenden Merkmale des Wirtschaftswachstums und des Ungleichgewichts von Einkommen und Wohlstand während des besagten Zeitraums in China zusammengefasst, um vor diesem Hintergrund in die Untersuchung einzuführen. Dann wird in Kapitel 2 eine empirische Untersuchung mittels der Institutionenanalyse unternommen, welche die Ungleichheit der Einkommen in China seit den 1990er Jahren erklärt. Dabei wird herausgestrichen, dass der Tertiärisierungsprozess eine entscheidende Rolle sowohl für die Verteilung von Einkommen und Wohlstand als auch für ein bleibendes Wirtschaftswachstum spielt. Es wird der Standpunkt vertreten, dass es maßgeblich drei institutionelle Einrichtungen in China sind, die den Prozess der Tertiärisierung blockieren: Zum einen Chinas politische und kulturelle Institutionen, die das Land zu einer Wirtschaftsform führen, die in hohem Maße an der Suche nach Spekulationsgewinnen orientiert ist (Rent-Seeking Economy), zum anderen das “Zwei-Wege-Wirtschaftssystem“ (Double Track Economic System) und schließlich die Duale-Sektoren-Wirtschaft (Dual-Sector Economy), welche sich in den ländlichen und in den städtischen Sektor aufteilt. In Kapitel 3 werden drei Modelle entwickelt, um die Analyse zu vertiefen. Im ersten Model wird das Ramsey-Cass-Koopmans-Wachstumsmodell erweitert, um zu erklären, wie Ungleichheit sich mittels zweier repräsentativer Akteure entwickelt, die für eine Wirtschaftsinstitution "von innen" (Inside Institution Economy, tizhinei) und eine Wirtschaftsinstitution "von außen" (Outside Institution Economy, tizhiwai) stehen. Das zweite Modell zeigt, dass das Zwei-Wege-Wirtschaftssystem in ein Ein-Weg-Wirtschaftssystem umgewandelt werden sollte, um auf diese Weise die Produktion zu maximieren. Schließlich führen wir ein drittes, verallgemeinertes Modell ein und zeigen auf, dass in einer an Spekulationsgewinnen orientierten Wirtschaft (Rent-Seeking Economy), die den Arbeitslohn ausschließt, die Verteilung des Wohlstand langfristig besehen dann in größerem Maße auf Gleichheit beruhen wird, wenn auch die Verteilung von Spekulationsgewinnen (Rent Distribution) stärker unter Aspekten der Gleichheit erfolgt. In Kapitel 4 wird sich dem Aufbau eines neuen theoretischen Bezugsrahmens zugewandt, der auf einem neu definierten Begriff der Transaktionskosten (Transaction Cost) beruht. Damit wird ein neuer Standpunkt vorgelegt, um auf beide, die kurz- und die langfristigen Veränderungen wirtschaftlicher Größen zu schauen. Das Konzept der Stück-Transaktionskosten (Unit Transaction Cost) wird vorgestellt und sein Verhältnis zum Wirtschaftswachstum wird erkundet. Die Analyse in diesem Kapitel bestätigt und vertieft die Argumente der Neuen Institutionenökonomie bezüglich des Wirtschaftswachstums. In Kapitel 5 wird die Analyse auf den an Spekulationsgewinnen orientierten Bereich (Rent-Seeking Space) ausgedehnt. Die Auswirkung von Ungleichheit auf wirtschaftliches Wachstum wird von der Perspektive der Spekulationsgewinne (Rent) her diskutiert. Wird dies mit den Argumenten aus Kapitel 2 kombiniert, dann ist die auf lange Sicht negative Beziehung zwischen der Ungleichheit im Bereich von Einkommen und Wohlstand auf der einen Seite und wirtschaftlichem Wachstum auf der anderen Seite nachgewiesen. Abschließend werden die Schlussfolgerungen und Implikationen der Dissertation in Kapitel 6 diskutiert. Das führt zu dem Standpunkt, das eine Doktrin des Marxismus, wonach die wirtschaftliche Basis den Überbau bestimmt, stark zu bezweifeln ist, wenn es sich um kurzfristige Zeiträume handelt. Als ein kurzfristiger Zeitraum wird dabei in historischer Perspektive die Entwicklung innerhalb eines Zeitraums von 30 Jahren angesehen.
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