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Dynamische Adaption von Störfallprogrammen im S-Bahn-Verkehr

Steinbach, Cedric (2024)
Dynamische Adaption von Störfallprogrammen im S-Bahn-Verkehr.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.26083/tuprints-00028700
Ph.D. Thesis, Primary publication, Publisher's Version

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Item Type: Ph.D. Thesis
Type of entry: Primary publication
Title: Dynamische Adaption von Störfallprogrammen im S-Bahn-Verkehr
Language: German
Referees: Oetting, Prof. Dr. Andreas ; Goverde, Prof. Dr. Rob
Date: 17 December 2024
Place of Publication: Darmstadt
Series: Schriftenreihe der Institute für Verkehr; Institut für Bahnsysteme und Bahntechnik
Series Volume: 17
Collation: xii, 300 Seiten
Date of oral examination: 18 June 2024
DOI: 10.26083/tuprints-00028700
Abstract:

Durch das komplexe Zusammenspiel der Systemkomponenten Fahrweg, Fahrzeug und Betrieb und einer Vielzahl von externen Einflüssen sind Bahnsysteme anfällig für Störungen. Bei S Bahn-Systemen, die oftmals durch eine hohe Auslastung geprägt sind, kann eine Störung eine umfassende Anpassung der Fahr- und Ressourcenplanung erforderlich machen.

Eine Möglichkeit zur Unterstützung der Disponenten bei der Bewältigung von Störungen ist der Einsatz sogenannter Störfallprogramme (SFP). SFP sind vorab konzipierte Handlungskonzepte auf Linienebene, die generisch für den Ausfall bestimmter Infrastrukturelemente (z. B. die Sperrung eines Bahnhofs) geplant werden. Die in einem SFP enthaltenen betrieblichen Maßnahmen beziehen sich auf einzelne Linien. Die betrieblichen Maßnahmen legen fest, wie der Betrieb der Linien während einer Störung angepasst werden soll, beispielsweise durch eine vorzeitige Wende oder Umleitung. Diese betrieblichen Maßnahmen bilden das sogenannte Betriebskonzept. Neben dem Betriebskonzept kann ein SFP auch ein Verkehrskonzept umfassen, welches Maßnahmen zur Reisendenlenkung enthält.

Der Einsatz von SFP zur Bewältigung von Störungen bietet den Vorteil, dass die Komplexität der Anpassung des Fahrplans durch die Vorgabe von betrieblichen Maßnahmen reduziert wird. Dies ermöglicht Disponenten eine schnelle und standardisierte Lösungsfindung. Die Lösung ist auch kundenorientiert, da bereits bei der Planung eines SFP der Fokus auf die Anforderungen der Kunden gelegt werden kann.

Sind beim Auftreten einer Störung nicht-verfügbare Infrastrukturelemente vorhanden, die nicht im SFP berücksichtigt wurden (z. B. aufgrund von Baumaßnahmen), stellt sich für die Anwendung eines SFP die Frage,

• ob das SFP zur Bewältigung der Störung einsetzbar ist und wenn nicht,

• welche Adaption des SFP für eine Anwendung erforderlich ist.

Die vorliegende Dissertation soll Disponenten bei der Beantwortung dieser Frage unterstützen und entwickelt dafür einen Ansatz zur dynamischen Adaption von Störfallprogrammen an die aktuelle Infrastruktur- und Betriebssituation.

Als Methode zur Adaption von SFP an die aktuelle Infrastruktur- und Betriebssituation wird ein heuristischer Ansatz verwendet. Dieser sieht vor, dass die Adaption von SFP in Teilprobleme aufgeteilt wird:

• Anpassung des Betriebskonzepts

• Anpassung des Verkehrskonzepts

• Sicherstellung der betrieblichen Umsetzbarkeit der stabilen Phasen des Betriebskonzepts

• Sicherstellung der Einschwingfähigkeit des Betriebskonzepts in die stabile Phase

• kundenorientierte Bewertung des SFP

Die Teilprobleme werden sequenziell gelöst, woraus ein iteratives Vorgehen resultiert.

Bei der Anpassung des Betriebskonzepts an die aktuelle Infrastruktursituation wird als Methode eine Heuristik angewendet. Die Anpassung des Betriebskonzepts ist weiter aufgeteilt in (1) die Prüfung der Funktionsfähigkeit des Betriebskonzepts in Bezug zur aktuellen Infrastruktursituation, (2) die Erzeugung angepasster Betriebskonzepte und (3) deren kundenorientierte Bewertung. Die Schritte werden iterativ durchlaufen, bis ein funktionsfähiges Betriebskonzept bestimmt wurde. Um den Anforderungen an eine minimale Anpassung des ausgewählten Betriebskonzepts zu entsprechen, wird mit kleinen, inkrementellen Anpassungen begonnen. Damit der Algorithmus dennoch schnell eine Lösung findet, wird bei der Erzeugung angepasster Betriebskonzepte eine Tabu-Liste verwendet.

Für die Prüfung der Funktionsfähigkeit von Betriebskonzepten (1) wurden auf Grundlage von Literatur und Expertenbeiträgen Anforderungen an funktionale Betriebskonzepte definiert. Die definierten Anforderungen sind in vier Typen unterteilt:

• Verfügbarkeit der Infrastrukturelemente,

• Auslastung der Infrastruktur, sodass ein stabiler Betrieb ermöglicht wird,

• Ausgestaltung von Linien (z. B. die Verzweigung von Linien) und

• resultierender Liniennetzplan, für den auch kundenorientierte Anforderungen berücksichtigt werden.

Bei einem negativen Ergebnis der Prüfung der Funktionsfähigkeit (1) besteht ein Anpassungsbedarf des Betriebskonzepts. Die Anpassung von Betriebskonzepten (2) erfolgt anhand von zwei Strategien:

• die Entfernung und/oder Ergänzung betrieblicher Maßnahmen

• die Verwendung von Teillösungen aus Betriebskonzepten anderer SFP.

Um bei der ersten Strategie eine minimale Anpassung zu erreichen, stellen die verwendeten betrieblichen Maßnahmen die kleinsten möglichen Einheiten zur Anpassung einer Linie dar. Eine solche sogenannte „elementare betriebliche Maßnahme“ ist beispielsweise die Wende in Bahnhof A oder eine Umleitung zwischen Betriebsstelle B und C. Zur Anpassung von Betriebskonzepten werden nur vorab bestimmte und auf Machbarkeit geprüfte betriebliche Maßnahmen verwendet.

Bei der Entfernung und Ergänzung von elementaren betrieblichen Maßnahmen wird zunächst bestimmt, welche Änderungen eine Erfüllung der Anforderungen an die Funktionsfähigkeit des Betriebskonzepts ermöglichen. Ausgangspunkt für die Änderungen sind die Ergebnisse zur Funktionsfähigkeit des Betriebskonzepts (1). Da oftmals diverse Änderungen möglich sind, wird abgeschätzt, welche betrieblichen Änderungen die geringsten negativen Auswirkungen aus Sicht der Kunden erwarten lassen.

Bei der Änderung verschiedener Linien wächst die Anzahl der sich daraus ergebenden angepassten Betriebskonzepte exponentiell, abhängig von den möglichen Anpassungen sowie der Anzahl der Linien. Durch die abgeschätzte Auswirkung der Änderungen auf die Fahrgäste kann die Suche gezielt geleitet werden, indem zunächst die Änderungen mit den geringsten zu erwartenden Auswirkungen verwendet werden. Das Ergebnis von (1) ist eine Menge von angepassten Betriebskonzepten.

Für die Anpassung des Verkehrs¬konzepts auf Basis des angepassten Betriebskonzepts wird zunächst bestimmt, welche Maßnahmen zur Reisendenlenkung durch die Anpassung des Betriebskonzepts nicht mehr angewendet werden können bzw. nicht mehr zielführend sind. Falls erforderlich, werden neue Maßnahmen zur Reisendenlenkung bestimmt. Dabei wird sowohl auf Maßnahmen aus Verkehrskonzepten anderer SFP zurückgegriffen als auch neue Maßnahmen erzeugt. Ansätze für die Erzeugung neuer Maßnahmen sind vorhanden und können genutzt werden.

Zur Sicherstellung der Umsetzbarkeit des Betriebskonzepts in der stabilen Phase wird eine KE/KL Heuristik angewendet. Diese ist hinsichtlich des Nicht-Vorhandenseins einer eindeutigen zeitlichen Reihenfolge von Konflikten in einem periodischen Fahrplan und für das Entfernen obsoleter Konfliktlösungen für KE/KL-Heuristik modifiziert.

Bereits bestehende Ansätze werden für die Sicherstellung der Einschwingfähigkeit und die kundenorientierte Bewertung angepasst verwendet.

Die entwickelten Algorithmen zur Adaption von SFP ermöglichen eine Prüfung und Anpassung von generischen SFP an die bei einem Störfall vorherrschende Infrastruktur- und Betriebssituation. Die Algorithmen sind allgemeingültig einsetzbar und auf die Erfüllung praxisnaher Anforderungen ausgelegt. Eine Umsetzung in die Praxis wird durch die Modularität und die Kompatibilität mit bestehenden Systemen des Störfallmanagements unterstützt. Durch Automatisierung, schnelle Lösungsfindung und gezielte Unterstützung der Disponenten wird die Grundlage für eine erfolgreiche Bewältigung von Störungen geschaffen. Der kundenorientierte Ansatz sorgt dafür, dass die Mobilität der Fahrgäste auch während einer Störung bestmöglich erhalten bleibt.

Alternative Abstract:
Alternative AbstractLanguage

Due to the complex interaction of system components, tracks, vehicles, operations, and a multitude of external influences, railway systems are susceptible to disruptions. In the case of commuter railway systems, which are often characterized by high capacity utilization, a disruption may require the comprehensive adjustment of the railway timetables and resource planning.

One way of supporting dispatchers in dealing with disruptions is the use of so-called disruption programs (DRPs). DRPs are pre-defined plans at line level, generically planned to allow dispatchers adjusting the timetable in response to failures of specific, pre-selected network elements (e.g. the closure of a station). The operational measures contained in a DRP relate to individual lines and define the way in which operations should be adjusted during a disruption, for example by means of an early turnaround or detour. These operational measures form what is known as the operating concept. In addition to the operating concept, a DRP may also include a transport concept, which contains measures for passenger guidance.

The advantage of DRPs for reacting to a disruption is that the complexity of adjusting the timetable is reduced by specifying operational measures. This enables dispatchers to find and implement quick and standardized rescheduling solutions. Additionally, DRPs are customer-oriented, as their planning can prioritize solutions that address customer needs from the outset.

If during the implementation of a DRP, additional network elements are unavailable (e.g. due to construction works), it may be necessary to verify the following:

• whether the DRP can still be used to cope with the disruption or

• what adaptations of the DRP are required for its implementation.

The aim of this work is to support dispatchers in the implementation process by developing an approach for the dynamic adaptation of DRPs.

A heuristic method is employed to adapt DRPs to the current infrastructure and operational situation. The proposed approach foresees dividing the DRP adaption process into concrete sub-problems:

• Adaptation of the operating concept

• Adaptation of the transport concept

• Ensuring the operational feasibility of the stable phase within the operating concept

• Ensuring the transition capability of the operating concept to the stable phase

• Customer-oriented evaluation of the DRP

The sub-problems are solved sequentially, forming an iterative algorithmic process.

A heuristic method is used to adapt the operating concept to the current infrastructure situation. The adaptation of the operating concept is divided into the following steps: (1) assessing the functionality of the current operating concept in relation to the current infrastructure situation, (2) generating adapted operating concepts, and (3) evaluating their impact on the customer satisfaction. The three steps are iterated until a functional operating concept is developed. To address the need for minimal adjustments to the selected operating concept, the adaptation process begins by implementing small, incremental adjustments, focusing on potential solutions that are closely related to the original operating concept. To allow the algorithm to find a quicker solution, a tabu list is employed during the generation of adapted operating concepts.

For assessing the functionality of operating concepts (1), requirements for functional operating concepts were defined based on literature and expert input. The defined requirements are divided into four types:

• availability of network elements,

• utilization of the infrastructure – such that a stable operation is possible,

• resulting operating concepts of specific lines (e.g. the branching of lines) and

• resulting operating concept of all lines in the network, including passenger transport requirements.

If the result of the functionality assessment (1) is negative, there is a need to adapt the operating concept (2). Two strategies are used for adapting operating concepts:

• removal and/or addition of operational measures

• use of partial solutions from operating concepts to be found in other DRPs.

In order to achieve minimal adjustments in the first strategy, the operational measures used represent smallest possible changes to adapt the operating concept of a line. Such a measure, referred to as an “elementary operational measure” could include actions like a turnaround at station A or a detour between stations B and C. Only elementary operational measures that have been previously tested for feasibility are used to adapt lines of the operating concepts.

The first step when removing or adding elementary operational measures to or from the operating concept is to determine which changes can be made to meet the requirements for functional operating concepts. The starting point for developing the changes is the result of the functionality assessment (1). As various changes are often possible, an assessment is made to determine which operational changes are expected to have the least negative impact from a customer's perspective.

When changing the operating concept of different lines, the number of resulting adapted operating concepts grows exponentially, depending on the possible adaptations of the lines and the number of lines. The estimated impact of the changes on the passengers serves as a guide in the search by first using the changes with the least expected impact. The result of (1) is a set of adapted operating concepts.

To adapt the transport concept based on the adapted operating concept, the first step is to determine which passenger guidance measures can no longer be used or are no longer effective due to the adaptations in the operating concept. If necessary, new passenger guidance measures must be developed. In this process, measures from the transport concepts of other DRPs are used, along with new measures. Existing approaches for the development of new measures are available and can be applied.

For ensuring the operational feasibility of the stable phase within the operating concept, a CD/CR heuristic is applied, with modifications to account for the lack of a clear temporal sequence of conflicts in a periodic schedule and for the removal of obsolete conflict solutions in the CD/CR heuristics.

Already existing approaches are adapted and used to ensure transition capability of the operating concept and for the customer-oriented evaluation of DRPs.

The developed approach for adapting DRPs enable generic DRPs to be assessed and adapted to the actual infrastructural availability in the event of a disruption. The approach is universally applicable and designed to meet practical requirements. Its implementation in practice is supported by modularity and compatibility with existing disruption management approaches. Automation, rapid solution finding and targeted support for dispatchers form the basis for successful disruption management. The customer-oriented approach ensures that the mobility of the passenger is maintained in the best possible way, even during a disruption.

English
Status: Publisher's Version
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-287003
Classification DDC: 600 Technology, medicine, applied sciences > 620 Engineering and machine engineering
600 Technology, medicine, applied sciences > 624 Civil engineering and environmental protection engineering
Divisions: 13 Department of Civil and Environmental Engineering Sciences > Institutes of Transportation > Institute for Railroad Systems and Technology
Date Deposited: 17 Dec 2024 10:32
Last Modified: 17 Dec 2024 10:32
URI: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/id/eprint/28700
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