In der Wissensgesellschaft wird die Pflege und Aneignung von Wissen für den Einzelnen immer wichtiger. Geänderte Lebens– und Arbeitsbedingungen sowie der technologische Fortschritt bedingen eine Abnahme der Halbwertszeit von Wissen. Somit genügt das in institutionellen Bildungseinrichtungen erworbene Wissen nicht mehr den sich ständig ändernden Bedingungen. Darum gewinnt selbstgesteuertes Lernen im Privaten oder am Arbeitsplatz immer mehr an Bedeutung.
Gleichzeitig wird insbesondere das Internet zu einer wichtigen Quelle von Lernmaterialien, weil es eine Vielzahl von Ressourcen umfasst, die potenziell zum Lernen eingesetzt werden können. Die Art von selbstgesteuertem Lernen, die unter anderem auf Webressourcen basiert, wird üblicherweise als Ressourcenbasiertes Lernen bezeichnet und ist durch einen hohen Freiheitsgrad in der Auswahl der Ressourcen und der Planung des Lernprozesses charakterisiert.
Mit der Nutzung von Webressourcen als Lernmaterialien stellen sich den Lernenden allerdings neue Herausforderungen: Erstens sind relevante Informationen, die den spezifischen Wissensbedarf eines Lernenden decken, oft über viele Webressourcen verteilt. Dies kann insbesondere durch eine Bereitstellung von geeigneten Suchmechanismen adressiert werden, wobei die Suche sich nicht auf eine Internetsuche beschränkt, sondern auch von Lernenden bereits gefundene und als relevant erachtete Ressourcen betrifft. Allerdings ist eine Suche oft durch die Nutzung unterschiedlicher Terminologie erschwert. Weiterhin sind Webressourcen (im Gegensatz zu oft in Bildungsinstitutionen eingesetzten Lernmaterialien in Form von Lernobjekten) meistens nicht durch wohlstrukturierte Metadaten beschrieben. Da Lernende mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Ressourcen umgehen müssen, ist eine geeignete Beschreibung jedoch sehr wichtig, um eine angemessene Organisation der Lernressourcen zu erreichen. Zuletzt fehlt in selbstgesteuerten Lernszenarien meistens ein Lehrender oder Tutor, der Lernziele setzt, den Lernprozess strukturiert und das Lernergebnis bewertet. Der Lernende muss somit beim selbstgesteuerten Lernen die Aufgaben übernehmen, die ansonsten der Rolle des Lehrenden zufallen.
In dieser Arbeit wird diese Form des ressourcenbasierten Lernens betrachtet und geeignete Unterstützungsmöglichkeiten werden hierfür vorgestellt. Insbesondere werden aus den Eigenschaften des ressourcenbasierten Lernens die Anforderungen an ein Werkzeug zur Unterstützung, ELWMS.KOM genannt, herausgearbeitet und umgesetzt. ELWMS.KOM ist ein System, das es Lernenden ermöglicht, ihren selbstgesteuerten Lernprozess und die dabei anfallenden Lernressourcen in einem persönlichen Wissensnetz mittels Auszeichnung der Ressourcen mit semantisch typisierten Tags zu organisieren. Insbesondere im Fokus stehen dabei webbasierte Ressourcen, die im Gegensatz zu Lernobjekten im bildungsinstitutionellen Kontext keine feste Struktur haben, nicht primär für Lernzwecke intendiert sind (und aus diesem Grunde nicht didaktisch aufbereitet sind) und nicht durch für den Lernenden wichtige Metadaten ausgezeichnet sind. ELWMS.KOM ist angelegt, diese Mängel und die daraus entstehenden Herausforderungen für den Lernenden durch angemessene Unterstützung abzumildern.
Die Beiträge dieser Arbeit umfassen die Herleitung und Umsetzung von Technologien und Paradigmen, die eine solche Unterstützung in ELWMS.KOM ermöglichen. Dazu werden, ausgehend von einer Analyse von Lernobjekten, die in bildungsinstitutionellen Lernszenarien verwendet werden, die Unterschiede zu freieren, selbstgesteuerten Lernparadigmen analysiert und auf dieser Basis Designentscheidungen für ELWMS.KOM abgeleitet. Diese bilden die Basis für die konkret in dieser Arbeit behandelten Unterstützungsmöglichkeiten.
Zum einen werden Technologien präsentiert, die es ELWMS.KOM erlauben, dem Lernenden Tags und Lernressourcen basierend auf einer semantischen Repräsentation ihres Inhalts vorzuschlagen. Dabei wird anhand einer Nutzerstudie die Notwendigkeit aufgezeigt, sowohl monolinguale als auch sprachübergreifende Ansätze zur Ermittlung von semantisch ähnlichen Tags und Ressourcen zu ermöglichen.
Eine Analyse des eingesetzten Ansatzes zur Ermittlung von semantischen Ähnlichkeiten wird präsentiert. Darauf aufbauend werden verschiedene Strategien vorgestellt und verglichen, die den Berechnungsaufwand der Methode reduzieren können, ohne die Güte des Ansatzes zu mindern. Weiterhin werden Erweiterungen für dieses Verfahren vorgestellt und evaluiert, die zusätzliche semantische Eigenschaften eines Referenzkorpus nutzen, um die Qualität des Ansatzes zu verbessern.
Ferner präsentiert diese Arbeit einen Ansatz zur automatischen Segmentierung von Webressourcen, um Lernenden die Auswahl relevanter Passagen einer Webressource zu vereinfachen. Diese Segmentierung baut auf einer strukturellen und visuellen Analyse von Webressourcen auf und hat eine Menge von kohärenten Segmenten zum Ergebnis. Eine Nutzerstudie belegt die Güte dieses Verfahrens.
Weiterhin unterstützt ein Ansatz Lernende bei der konsistenten Erstellung ihres in ELWMS.KOM verwendeten Tag–Vokabulars durch eine sprachunabhängige, automatisierte Erkennung des Web–Genres einer Webressource für den semantischen Tag–Typen Typ. Hier werden neuartige Merkmale entwickelt, anhand derer eine zuverlässige Klassifikation von Webressourcen in verschiedene Web–Genres möglich ist. Mehrere Evaluationen mit unterschiedlichen Parametrisierungen werden vorgestellt.
Zuletzt wird in dieser Arbeit der Tag–Typ Ziel eingeführt, der Lernende bei der Planung, Durchführung und Bewertung ihres gesamten Lernprozesses unterstützt. Diese Unterstützung in ELWMS.KOM wurde basierend auf der Lerntheorie des selbstregulierten Lernens hergeleitet und dementsprechend umgesetzt. Die Vorteile einer solchen Unterstützung werden in zwei großangelegten Studien nachgewiesen, die mit ELWMS.KOM und den darin integrierten Zielsetzungsmechanismen durchgeführt wurden. | German |