DNA ("Deoxyribonucleic acid")-Doppelstrangbrüche (DSB) sind eine gefährliche Form von DNASchäden, die sowohl proliferierende als auch post-mitotische Zellen erleiden können. Im Gegensatz zu proliferierenden Zellen, die Schwesterchromatiden als Reparaturvorlage verwenden können, postmitotische Zellen, wie z.B. adulte Neuronen, können durch die fehleranfällige Reparatur der "nonhomologous end-joining" (NHEJ) tödliche Wirkungen erleiden. Daher wurden DSB bis vor kurzem nur als Ergebnis einer pathologischen Aktivität in postmitotischen Zellen angesehen. Jedoch deuten kürzlich veröffentlicht Studien auf einen Zusammenhang von durch neuronale Aktivität induzierte und durch Typ-2-Topoisomerase beta (Top2β) erzeugte transiente physiologische DSB, welche die Expression von multifunktionalen "early response"- oder "immediate early genes" (IEGs) regulieren. Bisher wurde diese DSB-gesteuerte Genregulation nur in kortikalen Kulturen untersucht. Eine der vielen Funktionen der
IEGs ist die Regulation der neuronalen Aktivität durch die Aktivierung von Sekundärantwortgenen. Daher stellten wir die Hypothese auf, dass neuronale Aktivität induzierte DSBs die Expression bestimmter IEGs fördert und dass diese Gene die Aktivität regulieren könnten. Unser Ziel war es, i)
zunächst die Korrelation von neuronaler Aktivität, die DSB erzeugt, mit der Expression von IEGs in anderen neuronalen Modellsystemen als kortikalen Kulturen zu validieren und ii) die Auswirkungen der Veränderung des DNA-DSB-Status auf die neuronale Netzwerkaktivität zu untersuchen.
Als Modellsystem für unsere Analyse verwendeten wir 14 "Days-in-vitro" (DIV) Mäuse-"hippocampal cultures" (HCs), in denen bereits über die Expression von IEGs berichtet worden war. Da nur spezifische neuronale Aktivität zur Induktion physiologischer DSBs führen kann, konzentrierten wir uns primär auf die DNA-Brüche, die durch "N-Methyl-D-Aspartate-Receptors" (NMDARs) abhängige "cAMP
("Cyclic adenosine monophosphate") response element-binding protein" (CREB) Aktivität erzeugt werden. Für unsere Untersuchung verwendeten wir eine Kombination aus "Microelectrode-Array"- Aufnahmen (MEA) zur Messung der neuronalen Netzwerkaktivität, Gamma-H2AX-Färbungen zur
Überwachung des Vorhandenseins von DSB und "messanger Ribonucleic acid" (mRNA) und ProteinAnalyse für die IEGs-Expression. Nach NMDAR-Aktivierung wurde ein Anstieg des DSB-Status festgestellt, der mit der Expression von IEGs- c-Fos, Egr1 und c-Jun - und einer Hochregulierung der neuronalen Aktivität korrelierte. Zusätzlich wurde der DSB-Status und die IEGs-Expression auch nach der Hemmung von essentiellen, mit synaptischer Plastizität assoziierte Komponenten, CREB und die GluN2B-Untereinheit des
NMDAR, analysiert. Unsere Ergebnisse zeigten, dass der Mangel an einem dieser Faktoren zu einer Abnahme der Expression bestimmter IEGs führt, wahrscheinlich durch Veränderungen im DSB-Status. Um weiter zu untersuchen, ob eine Veränderung des DSB-Status die neuronale Feuerungsaktivität durch eine Störung der IEGs-Expression beeinflussen kann, inkubierten wir HCs entweder mit Etoposid, einem Chemotherapeutikum, das DSBs an den Stellen Top2β-Aktivität, Top2β (small interfering RNA)
siRNA und NHEJ-Inhibitor (NU7441) erzeugt. Unsere Daten entdeckten, dass eine Störung in der Induktion und Reparatur der DSB nach NMDAR-Aktivierung sowohl zu einer veränderten IEGs-Expression als auch zu einer veränderten neuronalen Aktivität beiträgt. Darüber hinaus wurde die IEGs Expression auch im Mäusemodell der "Severe combined immunodeficiency" (SCID) überwacht. Unsere neuen Ergebnisse zeigten, dass diese Mäusemodelle eine niedrige IEGs-Expression aufweisen, was höchstwahrscheinlich auf den inhärenten Mangel an den Komponenten von NHEJ zurückzuführen ist. Dies könnte zu schweren Lern- und Gedächtnisdefiziten führen, welche diese Mäuse haben.
Somit liefert unsere Studie experimentelle Beweise für die Rolle der durch synaptische NMDARs vermittelten DSB bei der Vermittlung der IEGs-Expression und zeigt darüber hinaus, wie eine Störung der DSB-Induktion und -Reparatur zu einem veränderten Muster der neuronalen Aktivität in HCs
beitragen könnte. Indem wir diese Zusammenhänge der Rezeptoraktivität mit der Genexpression und den neuronalen Ableitungen untersuchen, validiert unsere Studie außerdem die vielseitige Verwendung eines solchen In-vitro-Modells zur Aufklärung von Veränderungen auf zellulärer und elektrophysiologischer Ebene.
Im zweiten Teil dieser Arbeit untersuchten wir die Auswirkung von Strahlenbelastung auf die Expression von IEGs. Ionisierende Strahlung (IS) ist eine wirksame Behandlung für verschiedene Tumore, die das zentrale Nervensystem (ZNS) befallen. Im Anschluss an die klinischen Studien wurde in der Literatur mehrfach gezeigt, wie selbst eine niedrige Dosis die synaptische Plastizität, eine Grundlage für kognitive Funktionen, verändern kann. Allerdings wird es aufgrund der vielen Angriffspunkte der IS kompliziert, den Zusammenhang zwischen der Bestrahlung und den Komponenten der synaptischen Plastizität zu beurteilen. Um zu verstehen, wie eine Bestrahlung eine
tödliche Wirkung auf kognitive Bereiche haben kann, konzentrierten wir uns auf die Expression der Gene, die leicht durch verschiedene Reize aktiviert werden und eine Rolle beim Lernen und Gedächtniserwerb spielen. Dazu untersuchten wir den Effekt einer niedrigen bis moderaten IS-Dosis auf die Expression von IEGs in 14 DIV HCs.
Die Ergebnisse der Immunfärbung gegen Gamma-H2AX nach Strahlenexposition zeigten, dass eine einzelne 2 Gy-Dosis viele DSB post-mitotischen Neuron 60 Minuten (min) nach der Exposition erzeugt. Allerdings ist die Expression von IEGs wie c-Fos und Egr1, wie durch mRNA- und Protein-Analyse ermittelt, nach der gleichen IS Dosis herunterreguliert. Da diese beiden Gene die neuronale Aktivität regulieren, analysierten wir als nächstes die neuronale Netzwerkaktivität nach der Bestrahlung. Unsere
Daten zeigten, dass eine Einzeldosis von 2 Gy ausreicht, um eine Abnahme der neuronalen Netzwerkaktivität 60 min nach der Bestrahlung zu verursachen. NMDAR spielt eine wichtige Rolle bei der IEGs-Expression; daher untersuchten wir, ob die NMDA-Inkubation dem durch die Strahlung verminderten IEGs-Expressionsniveau entgegenwirken kann. Folglich untersuchten wir weiter den gleichzeitigen Einfluss von NMDAR-Aktivierung und Bestrahlung auf die Kontrolle der IEGsExpression durch DSB und mRNA-Analyse. Unsere Ergebnisse zeigten, dass eine 60-minütige kontinuierliche NMDA-Behandlung der strahleninduzierten Verminderung der IEGs-Expression entgegenwirkt.
Diese Ergebnisse sind die ersten, die Veränderungen in der IEGs-Expression und der neuronalen Aktivität in HCs nach 1-stündigen einzelnen Bestrahlungsereignissen aufzeigen. Außerdem weisen sie auf die Interaktion der Strahlung mit dem NMDAR-Signalweg hin, die für die Veränderungen der
Genexpression verantwortlich ist. | German |