Seit Jahrzehnten wird die Röntgenbestrahlung in der Krebstherapie zur Eliminierung bösartiger Zellen eingesetzt. Bei dieser Behandlung werden jedoch nicht nur die Tumorzellen, sondern auch Zellen im umliegenden Gewebe und im Blut zwangsläufig einer ionisierenden Bestrahlung (IR) ausgesetzt. Während die zellulären und molekularen Auswirkungen der Bestrahlung auf die Tumorzellen gut untersucht sind, bleiben die Auswirkungen auf Immunzellen, die sich zufällig in den Blutgefäßen und der unmittelbaren Umgebung des Tumors befinden, unklar. Aufgrund dieser noch vorhandenen Wissenslücke besteht das Ziel der vorliegenden Arbeit daraus, die Auswirkungen von Röntgenstrahlung als eine Art von IR auf Immunzellen, insbesondere T-Lymphozyten, aufzudecken. Der Fokus liegt darauf, frühe durch Strahlung ausgelöste Ereignisse aufzudecken und ihre nachfolgenden intrazellulären Effekte aufzuklären. Die Arbeit motiviert durch die Annahme, dass ein Verständnis der intrazellulären Reaktionsmechanismen dazu beitragen wird, die Risiken der Strahlentherapie für Tumorpatienten besser einschätzen zu können. Die Fokussierung auf exponierte Immunzellen birgt die Möglichkeit, dass Röntgenstrahlen antagonistische oder sogar agonistische Effekte auf diese Zellen erzeugen können, was zu einem verbesserten Ansprechen der Patienten auf die Bestrahlungsprozesse führen kann. Im Falle einer agonistischen, hormetischen Wirkung auf Immunzellen eröffnet sie sogar die Möglichkeit, die Radio- und Immuntherapie für eine erfolgreiche Krebsbehandlung zu kombinieren.
In früheren Studien wurde gezeigt, dass ionisierende Strahlung vorteilhafte Wirkungen auf T-Lymphozyten haben und eine Immunaktivierung in diesen Zellen stimulieren kann. In diesem Szenario dienen Redox- und Calciumsignale als Komponenten in second messenger-Kaskaden, die identisch zu kanonischen Signalereignissen, die eine Immunaktivierung in den T-Zellen verlaufen. Letztere wird durch eine Antigenbindung an den T-Zell-Rezeptor (TCR), der sich auf der T-Zell-Oberfläche befindet, ausgelöst. Darauf folgen präzise regulierte cytosolische Calcium-(Ca2+cyt) Oszillationen, die eine nukleare Translokation des Transkriptionsfaktors nuclear factor of activated T-cells (NFAT) stimulieren und damit spezifische immunologische Modulationen vermitteln.
Die Daten der aktuellen Studie bestätigen Ergebnisse früherer Untersuchungen, dass die Exposition von T-Lymphozyten mit Röntgendosen zwischen 0,1 und 5 Gy eine intrazelluläre ROS/Ca2+-abhängige Signalkaskade in Jurkat T-Zellen und peripheren mononukleären Blutzellen (PBMCs) auslöst. Die ersten auflösbaren Ereignisse des IR-getriggerten Signalwegs sind ein transienter Anstieg der cytosolischen und mitochondrialen ROS in den ersten Minuten nach der Exposition. Darauf folgen nach einer Latenzzeit von einigen Minuten langanhaltende (>3 h) Ca2+-Oszillationen mit einer hochkonservierten Frequenz (˜3 mHz) und einer dosisabhängigen Amplitude. Die Ca2+-Signalkaskade umfasst eine Anhäufung von STIM/Orai-Proteinen, die Ca2+-freisetzungsaktivierte Ca2+-Kanäle (CRAC) bilden, die wiederum die Ca2+-release activated Ca2+ (CICR) aktivieren. Als stromabwärts gerichtete Folge der dynamischen Ca2+-Änderungen im Cytosol migriert der Transkriptionsfaktor NFAT etwa 50 Minuten nach der Bestrahlung vom Cytosol in den Kern. Als Ergebnis dieser Translokation kann 24 h nach der Bestrahlung die Expression verschiedener T-Zell-Aktivierungsmarker, einschließlich der Zytokine Interleukin-2 und Interferon-γ nachgewiesen werden. Die nachgewiesenen durch Röntgenstrahlen ausgelösten Signalereignisse sind nahezu identisch zu denen, die bei naiven T-Lymphozyten nach TCR-Immunstimulation beobachtet werden. Diese Ähnlichkeit wird noch dadurch unterstrichen, dass nicht nur die Schlüsselmoleküle, die an den Signalkaskaden beteiligt sind, identisch sind, sondern auch die Dynamik der Prozesse. Dazu gehören die Latenzzeiten zwischen IR-Stimulation und Beginn der Ca2+-Oszillationen und der NFAT-Translokation sowie die hochkonservierte Frequenz der Calcium-Oszillationen.
Zusammenfassend unterstreichen die vorliegenden Daten die Annahme, dass die Röntgenbestrahlung von T-Zellen mit klinisch relevanten Dosen eine immunologische Stimulation dieser Zellen über eine Aktivierung derselben Signalkaskade induziert, die auch durch TCR Bindung hervorgerufen wird. Diese agonistische Wirkung der Röntgenbestrahlung auf T-Zellen könnte in Zukunft Therapieansätze fördern, die die Effekte der Bestrahlung mit einer Immuntherapie kombinieren. | German |