Die Vielseitigkeit von Antikörpern in den modernen Biowissenschaften oder auch der Medizin beruht nicht nur auf ihrer Fähigkeit, Antigene mit sehr hoher Affinität zu binden, sondern auch auf der intrinsischen Stabilität, die es ermöglicht, Antikörper mit maßgeschneiderten Eigenschaften zu erzeugen.
Das erste Projekt, das in dieser Arbeit vorgestellt wird, konzentrierte sich auf pH-schaltbare bispezifische Antikörper (bsAbs) mit sweeping-Funktion. bsAbs haben - im Gegensatz zu herkömmlichen Antikörpern - zwei Antigenspezifitäten, die zur Erzeugung immunologischer Synapsen und nachfolgender Zielstrukturzerstörung genutzt werden können. Werden jedoch solide tumor-assoziierte Antigene anvisiert, kann antibody buffering die Wirksamkeit des bsAb minimieren, wenn das Antigen auch in löslicher Form im Blutstrom vorhanden ist. Ein Phänomen was insbesondere im Kontext von monoklonalen Antikörpern beschrieben wurde. In aktuellen Publikationen wird die Erzeugung von recycling- und sweeping-Antikörpern beschrieben, die eine pH- oder Kalzium-responsive Antigenbindung aufweisen, um antibody buffering zu umgehen. Zu diesem Zusammenhang wird der Antigen-Antikörper-Komplex von Endothelzellen internalisiert und bei Änderung der Kalziumkonzentration oder des pH Wertes dissoziiert das Antigen. Während der Antikörper sezerniert wird und wieder in der Lage ist, Antigen zu binden, wird das Antigen im Lysosom abgebaut. Unser Ansatz beschreibt die erste Implementierung einer Recyclingfunktion in einen bsAb, welcher common light chains (cLC) besitzt. Zu diesem Zweck wurde eine Histidin-angereicherte cLC-Bibliothek generiert und auf Antigen-Bindung bei pH 7,4 und Antigen-Freisetzung bei pH 5,0 durchmustert. Der parentale Antikörper wurde aus einer Immunisierung von OmniFlic Tieren mit den Kolorektalkarzinom-assoziierten Proteinen CEACAM5 und CEACAM6 generiert und in diesem Zusammenhang wurde auch die hier genutzt cLC entdeckt. Zusätzlich wurde beabsichtigt, die pH-Responsivität nur für eines der Antigene – CEACAM5 – zu implementieren. Die isolierten Kandidaten wurden hinsichtlich Schmelztemperatur und Antigenaffinität charakterisiert und zeigten nur geringe Unterschiede im Vergleich zur parentalen cLC. Wichtiger noch, es wurde untersucht und bestätigt, dass die erzeugte cLC ihre Eigenschaften als cLC behält und für einen CEACAM5/CEACAM6-spezifisches bsAb verwendet werden kann. Diese Arbeit vermittelt tiefere Einblicke in cLCs und zeigt, dass cLCs detailliert auf Einzelanwendungs-spezifische Anforderungen zugeschnitten werden können. In der dargestellten Arbeit war dies die Etablierung von pH-Responsivität für nur eine der beiden Antigen-Bindestellen.
Die zweite Untersuchung konzentrierte sich auf die Erzeugung von Hühnerantikörperfragmenten im Format der single chain Fragment variable (scFv) basierend auf Hühnerimmunisierungen, um die Verwendung von Hühnerantikörpern als Affinitätsliganden in Proteinreinigungsverfahren zu untersuchen. Die Affinitätschromatographie ist ein leistungsfähiges Werkzeug zur Reinigung von Proteinen aus komplexen Lösungen. Insbesondere im Zusammenhang mit Antikörpern ermöglichen natürlich vorkommende Liganden wie Protein A nicht nur eine Vereinfachung, sondern auch eine Beschleunigung des Reinigungsprozesses. Jedoch ist die hohe Affinität von Protein A zu Immunoglobulinen zeitgleich ein entscheidender Nachteil während des Reinigungsprozesses, da hierdurch harsche Elutionsbedingungen wie beispielsweise Puffer mit niedrigem pH-Wert oder hoher Ionenstärke benötigt werden, welche Ausbeuteverluste durch Proteindegradation zur Folge haben könnten. Dies ist einer der Gründe, wieso für die Reinigung von Antikörpern oft Affinitätsliganden erzeugt werden, welche intrisische Responsivitätselemente aufweisen, die mildere Elutionsbedingungen ermöglichen. Wir wollten Affinitätsliganden auf der Basis von Hühnerantikörpern erzeugen. Hühner-Antikörper sind für eine einfache Bibliothekserzeugung und intrinsische thermische Stabilität bekannt und können durch einen einfachen Immunisierungsprozess erzeugt werden. Darüber hinaus sind Hühner keine Säugetiere, was die Chance erhöht, bei Immunisierung mit einem Säugetierprotein im Gegensatz zu Nagetierwirten eine Immunreaktion auszulösen. Für unsere Studien wählten wir das scFv-Format, um eine kostengünstige und einfache Herstellung durch bakterielle Expression zu ermöglichen. Unsere generierte Hühner-scFv-Bibliothek konnte verwendet werden, um eine Vielzahl verschiedener scFvs gegen unser Modellprotein - ein humaner IgG Antikörper - zu isolieren, die nicht nur eine hohe Affinität aufwiesen, sondern auch ein pH- und/oder Magnesium-responsives Bindungsverhalten zeigten. Dies sollte als zusätzliches Sortierkriterium milde Elutionsbedingungen in einem Downstream Processing Setup (DSP) ermöglichen. Nach der Kopplung der scFvs an ein voraktiviertes Festphase wurden Chromatographien durchgeführt, die sowohl die Spezifität als auch das pH /Magnesium-responsive Bindungsverhalten in einem DSP-Setup bestätigten. Unser experimentelles Design erwies sich als ein sehr zeiteffizientes Verfahren zur Isolierung potenter Affinitätsliganden für die Reinigung menschlicher Proteine unter Anwendung milder Elutionsbedingungen.
Der dritte Teil dieser Arbeit konzentrierte sich auf die Methode des Hefe-Displays selbst und dessen Verbesserung. Das Online-Monitoring bei der Sortierung von Hefe-Display-Bibliotheken wird durch Immunfluoreszenzfärbung ermöglicht. Aufgrund der Färbung muss vor der Sortierung Zeit für die Vorbereitung der Bibliothek aufgewendet werden. Um dieses Verfahren zu umgehen, haben wir ein Expressionssystem entwickelt, bei dem die Oberflächenpräsentation mit intrazellulärer tGFP-Expression gekoppelt ist. Zu diesem Zweck wurde eine ribosomale Skipping-Sequenz (auch als 2A-Peptid bekannt) genetisch mit dem 3'-Ende des präsentierten Proteins und dem 5'-Ende von tGFP verknüpft. Nach der Translation wird die Polypeptidkette bis zum letzten Codon des 2A-Peptidgens verlängert, wo ein Strangbruch stattfindet, ohne dass das Ribosom stoppt, sondern die Translation mit einer zweiten Polypeptidkette (in dieser Arbeit tGFP) fortgesetzt wird, bis ein Stoppcodon erkannt wird. Dieser Aufbau ermöglicht den Nachweis von Oberflächenproteinkonstrukten in voller Länge ohne Verwendung von immunologischer Färbung, was eine zeit- und kostenfreundlichere Alternative zur immunologischen Färbung darstellt. | German |