Koenig, Christoph Jan (2011)
Bildung im Netz: Analyse und bildungstheoretische Interpretation der neuen kollaborativen Praktiken in offenen Online-Communities.
Technische Universität Darmstadt
Ph.D. Thesis, Primary publication
|
Dissertation Christoph Koenig - Bildung im Netz -
PDF
Dissertation_Christoph_Koenig_-_Bildung_im_Netz.pdf Copyright Information: CC BY-NC-ND 2.5 Generic - Creative Commons, Attribution, NonCommercial, NoDerivs . Download (3MB) | Preview |
Item Type: | Ph.D. Thesis | ||||
---|---|---|---|---|---|
Type of entry: | Primary publication | ||||
Title: | Bildung im Netz: Analyse und bildungstheoretische Interpretation der neuen kollaborativen Praktiken in offenen Online-Communities | ||||
Language: | German | ||||
Referees: | Sesink, Prof. Dr. Werner ; Meyer, Prof. Dr. Torsten ; Steinmetz, Prof. Dr. Ralf | ||||
Date: | 2 August 2011 | ||||
Place of Publication: | Darmstadt | ||||
Date of oral examination: | 16 July 2010 | ||||
Abstract: | Grundannahme meiner Arbeit ist, dass im Netz neue Phänomene entstanden sind, die fundamentale Prämissen traditioneller Bildungstheorie in Frage stellen. Zu diesen Phänomenen gehören das Web 2.0, Freie und Open Source Software Projekte, Open Content Projekte, Peer-to-Peer Netzwerke, Wikis, die Blogosphäre und viele andere Online-Communities. Zunächst (1) analysiere ich diese Phänomene eingehend, um anschließend (2) aus der Perspektive zweier kontrastierender Bildungstheorien zu untersuchen, wie Bildung im Netz konzipiert werden kann, so dass sie den Eigenheiten dieser Phänomene gerecht wird. Daraus entwickle ich abschließend (3) eine Konzeption von Bildung durch kollaborative Transformationsprozesse sozio-technischer Arrangements und beschreibe drei idealtypische Formen solcher Bildungsprozesse. (1) In einem ersten Schritt führe ich eine qualitative Metaanalyse von empirischen Untersuchungen der neuen Praktiken im Netz durch, um daraus Modelle für deren typische Eigenschaften zu entwickeln. Diese Charakteristika sind: - eine Allmende-basierte Ökonomie, in der Kultur- und Informationsgüter durch Peer-Produktion hergestellt und distribuiert werden, - eine lose und redundante Vernetzung der Akteure zu offenen Online-Communities, die an den Rändern ausfransen, - Lernprozesse, die informell in der produktiven Praxis situiert sind und in denen Akteure durch die Partizipation an der Praxis in eine Community hineinwachsen, - Kommunikations- und Produktionsprozesse, die durch Schnittstellen und Protokolle modularisiert sind, so dass diese Prozesse sehr gut skalieren und sich Akteure aus den unterschiedlichsten Motiven und mit verschieden starkem Engagement in die Communities einbringen können, - Formen der Konfliktlösung, die nicht auf Konsens und Synthese zielen, sondern auf die Anerkennung von Differenzen, und die in Diskursen stattfinden, die zum Teil anarchisch sind und zum Teil durch Technologie bestimmt werden, - Das sogenannte "Recht zu forken" (sich von einer Community zu trennen und ein Derivat von deren Arbeit weiterentwickeln zu dürfen), das durch Freie und Open Source Software Lizenzen und durch die Creative Commons Lizenzen garantiert wird. (2a) Aus der Perspektive der Kritischen Bildungstheorie lassen sich viele dieser Eigenschaften als qualitative Umbrüche in der Produktionsform des globalen Kapitalismus interpretieren. Aus dieser Perspektive besteht Bildung im mündigen Umgang mit diesen Umbrüchen (Koneffke, Sesink); besonders damit, dass sich diese Umbrüche gleichzeitig in die kapitalistische Produktionsform integrieren und diese unterlaufen. Allerdings legt diese Perspektive einen Schwerpunkt auf das Subjekt. Dieser Fokus ist gegenüber den vernetzten Akteuren, die sich im Netz einbringen, nicht angemessen. Im Netz realisiert sich Mündigkeit nicht im Subjekt oder durch individuelle Prozesse, sondern durch kollektive Prozesse von vernetzten Akteuren. Es stellt sich aber die Frage, wie man solch eine kollektive Mündigkeit konzipieren kann. (2b) Aus einer postmodernen Perspektive -- genauer auf der Basis einer Bildungstheorie, die auf Lyotards Ethik des Widerstreits aufbaut -- lassen sich viele Eigenschaften der Kollaboration und der Machtdispositive im Netz als ethisch fundierte diskursive Transformationsprozesse interpretieren. Aus dieser Perspektive realisiert sich Bildung in solchen Prozessen, die die grundlegenden Regeln und Normen von online Communities transformieren (vgl. Marotzki, Koller), bzw. die diffuse, sozio-technische Arrangements verändern (vgl. Lyotard, Wunderlich). Es lässt sich zeigen, dass solche Transformationen immer wieder skeptisch gegenüber totalitären Diskursen sind und paralogisch (die Logik des Gegebenen überschreitend) nach neuen Ausdrucksformen suchen, und also den Kriterien von Lyotards Ethik entsprechen. Allerdings zeigt sich auch, dass diese Transformationen sehr seltene Ausnahmephänomene sind, die zwar grundsätzlich ermöglicht werden, aber in konkreten Situationen möglichst vermieden werden. Es stellt sich also die Frage, ob Lyotards Ethik des Widerstreits als kategoriale Forderung den neuen Praktiken im Netz gegenüber angemessen ist. (3) Indem ich nun die Ergebnisse beider Interpretationen zusammenführe, kann ich drei idealtypische Formen von Bildungspraktiken von Communities beschreiben, die ich als "Herumrouten", "Hineinziehen" und "Herausdehnen" bezeichne. Es handelt sich hierbei um Prozesse, bei denen das Arrangement der Community heteronomen Strukturen und Diskursen ausweicht, sie aufnimmt und unterläuft oder sich so weit aus ihnen herauslöst, dass die Community anders mit ihnen umgehen kann. Diese verteilten, kollaborativen Transformationsprozesse haben unter Anderem eine topologische Komponente; sie lassen sich unmöglich als Transformationen von Individuen konzipieren. Sie sind bildungsrelevant im Sinne der Kritische Bildungstheorie, weil sie gleichzeitig ökonomische Interessen bedienen und diese unterlaufen, und ebenso im Sinne der postmodernen Perspektive, weil sie neue Formen und Umgangsweisen jenseits von totalitären Arrangements eröffnen. Weil diese Communities große, offene und lose vernetzte Arrangements ausbilden, sind ihre Transformationsprozesse durch einzelne Akteure kaum zu kontrollieren. Es handelt sich hierbei um wirklich kollaborative Bildungsprozesse, deren 'Subjekt' (also dasjenige, das den Prozess vollzieht) die Community als Arrangement ist. Der einzelne menschliche wie nicht-menschliche Akteur kann sich in diese Prozesse einbringen, indem er sich an die Community ankoppelt, dort Positionen einnimmt, die das Arrangement ihm anbietet und darin Spielräume ausnutzt, die es eröffnet. |
||||
Alternative Abstract: |
|
||||
Uncontrolled Keywords: | Bildungstheorie, Medienpädagogik, Neue Medien, Internet, Online Communities, Freie und Open Source Software (FOSS), Open Content, Copyleft, Flame War, Fork | ||||
Alternative keywords: |
|
||||
URN: | urn:nbn:de:tuda-tuprints-26419 | ||||
Classification DDC: | 300 Social sciences > 370 Education | ||||
Divisions: | 03 Department of Human Sciences 03 Department of Human Sciences > Institut für Allgemeine Pädagogik und Berufspädagogik > Institute for General and Vocational Pedagogy |
||||
Date Deposited: | 02 Aug 2011 16:13 | ||||
Last Modified: | 25 Jan 2024 12:41 | ||||
URI: | https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/id/eprint/2641 | ||||
PPN: | 386244197 | ||||
Export: |
View Item |