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Analyse und Prognose von Straßenzustandsdaten mit Hilfe von probabilistischen Methoden und der Strukturgleichungsmodellierung

Blumenfeld, Tim Jonas (2020)
Analyse und Prognose von Straßenzustandsdaten mit Hilfe von probabilistischen Methoden und der Strukturgleichungsmodellierung.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.25534/tuprints-00013279
Ph.D. Thesis, Primary publication

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Item Type: Ph.D. Thesis
Type of entry: Primary publication
Title: Analyse und Prognose von Straßenzustandsdaten mit Hilfe von probabilistischen Methoden und der Strukturgleichungsmodellierung
Language: German
Referees: Bald, Prof. Dr. J. Stefan ; Eichhorn, Prof. Dr. Andreas ; Stöckner, Prof. Dr. Markus
Date: 13 August 2020
Place of Publication: Darmstadt
Date of oral examination: 27 July 2020
DOI: 10.25534/tuprints-00013279
Abstract:

Eine leistungsfähige und sichere Verkehrsinfrastruktur ist die Grundvoraussetzung für gesellschaftlichen Fortschritt. Sie ermöglicht Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Wohlstand und stellt damit das Rückgrat einer modernen Gesellschaft dar. Planung, Bau, Betrieb und Erhaltung von Straßenverkehrswegen erfordern einen bedeutenden Einsatz sowohl an wirtschaftlichen als auch an personellen Ressourcen. Der Bundesverkehrswegeplan 2030 sieht ein Gesamtinvestitionsvolumen von etwa 270 Mrd. Euro vor. Ein Finanzvolumen von ca. 133 Mrd. Euro ist für Bauprojekte von Bundesfernstraßen vorgesehen, wovon wiederum etwa 70 Mrd. Euro für die Erhaltung dieser Straßenbauwerke angesetzt sind [BMVI 2016].

Für eine zielgerichtete und nach objektiven Kriterien ermittelte Verteilung der Finanzmittel kommt in Deutschland ein Pavement Management System (PMS) zum Einsatz, das auf Basis des aktuellen Zustands des Netzes und dessen zukünftiger Entwicklung den Erhaltungsbedarf der Bundesfernstraßen abschätzt. Dazu werden moderne Methoden sowie ein fundiertes Fachwissen benötigt. Abschätzungen zum zeitlichen Zustandsverlauf von Fahrbahnbefestigungen stellen innerhalb des PMS einen wesentlichen Baustein dar, um anhand dessen den abschnittsbezogenen Erhaltungsbedarf abzuschätzen. Dabei werden einzelne Auswerteabschnitte zunächst zu längeren homogenen Abschnitten zusammengefasst. Anschließend wird auf Basis des zuletzt erfassten und normierten Zustandes sowie der Liegezeit eine abschnittsbezogene Verhaltensfunktion ermittelt. Die Ergebnisse dieser bisher deterministisch durchgeführten Berechnungen stellen die Grundlage für den darauffolgenden Entscheidungsprozess dar. Die dabei naturgemäß vorzufindenden Unsicherheiten innerhalb dieses Planungs- und Entscheidungsprozesses sind auf verschiedene Ursachen, wie z. B. die Datenerfassung, die Datenpflege, das diverse Materialverhalten sowie die verkehrlichen und klimatischen Randbedingungen, zurückzuführen. Damit zukünftig eine risikobasierte Entscheidungsfindung erfolgen kann, bedarf es jedoch geeigneter Methoden, die anhand von Szenarien mögliche Ereignisse und deren zugehörige Eintrittswahrscheinlichkeiten quantifizieren können.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist daher die Entwicklung und Validierung eines probabilistischen Prognosemodells, welches sowohl die Unsicherheiten bei der Zustandserfassung als auch bei der Abschätzung der Zustandsentwicklung berücksichtigt. Anhand einer Gegenüberstellung der ermittelten Prognoseergebnisse mit den Ergebnissen der bisher verwendeten deterministischen Verfahren soll die Anwendbarkeit des entwickelten Modells beurteilt werden. Die entwickelte Methode soll einen zukünftigen risikobasierten Entscheidungsprozess innerhalb des systematischen Erhaltungsmanagements ermöglichen.

Als Datengrundlage werden Daten der ZEB-Dauermessstrecke in Hessen verwendet. In Ergänzung zu der alle vier Jahre durchgeführten Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) erfolgt auf einem ca. 76 km langen Teilabschnitt der BAB A5 seit einigen Jahren eine halbjährliche Erfassung und Bewertung des Zustandes auf allen Fahrstreifen je Richtungsfahrbahn. Neben den Zustandsdaten werden zusätzlich Daten zur Verkehrsbelastung, zum Aufbau und zu den klimatischen Bedingungen erhoben sowie sämtliche Maßnahmen der betrieblichen und baulichen Erhaltung detailliert dokumentiert.

Das Kernelement der entwickelten Methode basiert auf dem Ansatz der Bayes’schen Statistik. Der aufgezeigte Modellansatz (Kalman-Filter) differenziert zwischen dem wahren Zustand einer Fahrbahnoberfläche, dem gemessenen, mit Unsicherheit behafteten Zustand in Form von Beobachtungen im Rahmen der ZEB sowie einem mit Hilfe eines Modells geschätzten Systemzustands zu jeweils diskretenZeitpunkten. Durch die Kombination aus einem a priori festgelegten Systemverhalten und dem kontinuierlichen Abgleich zwischen erwarteten und gemessenen Zuständen wird auf den wahren Zustandsverlauf eines Auswerteabschnittes zurückgeschlossen. Die Methode bietet die Möglichkeit einer probabilistischen Analyse und Prognose des Straßenzustands, um die große Variation von möglichen Zustandsentwicklungen treffend abzubilden.

Die entwickelte Methode wird exemplarisch am Beispiel des Zustandsmerkmals Ebenheit im Querprofil für Fahrbahnen in Asphaltbauweise angewendet. Da die Zustandsentwicklung einer Fahrbahnoberfläche einer Vielzahl an Einflussgrößen unterliegt, sind hierbei erhebliche Streuungen zu beobachten, die eine treffende Zustandsprognose erschweren. Um die Unsicherheiten in der Prognose zu reduzieren, werden zusätzliche Informationen in das Modell integriert. Dazu werden zunächst potentielle Einflussfaktoren identifiziert und die daraus entwickelten Hypothesen einer statistischen Prüfung unterzogen. Dies erfolgt mit Hilfe eines Wachstumskurvenmodells, welches um den Prädiktor Verkehrsbelastung erweitert wird. Abschließend werden die Ergebnisse des in dieser Arbeit entwickelten probabilistischen Prognosemodells mit den Ergebnissen der bisher verwendeten deterministischen Prognoseverfahren gegenübergestellt.

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen zeigen, dass durch die Aufbereitung der Zustandsdaten mit Hilfe eines Kalman-Filters eine verbesserte Abschätzung der Zustandsverteilung nach einer Liegezeit von 20 Jahren erfolgen kann. Im Vergleich zu den nicht aufbereiteten Zustandsdaten kann die Abweichung zwischen wahrem und prognostiziertem Mittelwert von 1,0 mm (SD = 1,2 mm) auf 0,1 mm (SD = 1,5 mm) verringert werden.

Neben einer verbesserten Prognose ermöglicht eine Aufbereitung der Daten eine deutliche Vergrößerung der für die probabilistische Beschreibung von Zustandsänderungen verwendeten Datengrundlage. Nach der Datenaufbereitung weisen nur noch etwa 5 % aller Auswerteabschnitte eine Zustandsverbesserung auf, wohingegen bei nicht aufbereiteten Daten ca. 50 % der Datengrundlage aufgrund von gemessenen Zustandsverbesserungen verworfen werden müsste. Durch die vergrößerte Datengrundlage können die Übergangsverteilungen innerhalb der Matrix wesentlich besser modelliert werden. Anhand einer weiteren Differenzierung der Zustandsänderungen nach der Verkehrsbelastung können die Zustandsverteilungen sowie die über alle Auswerteabschnitte zusammengesetzte Zustandsverteilung mit hoher Genauigkeit vorhergesagt werden.

Die Zustandsverteilung der mittleren Spurrinnentiefe auf dem Hauptfahrstreifen nach einer Liegezeit von 20 Jahren weist eine ausgeprägte Streuung auf wohingegen auf dem ersten und zweiten Überholfahrstreifen eine deutlich geringere Zustandsvariation zu beobachten ist. Die Abweichung des Mittelwertes über alle Auswerteabschnitte zwischen wahrer und prognostizierter Zustandsverteilung beträgt hierbei 0,0 mm. Die zugehörige Standardabweichung der prognostizierten Zustände (SD = 2,6 mm) sowie die Standardabweichung der wahren Zustandsverteilung (SD = 3,2 mm) zeigen jedoch auch, dass eine nicht mit Hilfe des entwickelten Modells erklärbare Reststreuung vorhanden ist.

Der Vergleich zwischen den deterministischen und dem probabilistischen Verfahren zeigt auf, dass das entwickelte Modell vergleichbare Prognoseergebnisse zu dem in den RPE-Stra 01 enthaltenen Verfahren der Koeffizientenanpassung liefert. Bei dem derzeit für Rechenläufe innerhalb des PMS verwendeten Curve-Shifting-Verfahren waren mit den Daten der ZEB-Dauermessstrecke die größten Abweichungen zwischen wahren und prognostizierten Zuständen zu beobachten.

Die vorliegende Arbeit liefert wichtige Erkenntnisse für die Zustandsprognose innerhalb des systematischen Erhaltungsmanagements von Straßen. Das probabilistische Modell ermöglicht eine Berücksichtigung der vorhandenen Unsicherheiten bei der Abschätzung der Restnutzungsdauer sowie bei der Planung von Erhaltungsmaßnahmen. Der Vergleich verschiedener Erhaltungsstrategien auf der Basis von Wahrscheinlichkeitsverteilungen bietet die Grundlage für eine risikobasierte Entscheidungsfindung. Dies stellt den wesentlichen Vorteil im Gegensatz zu den bisher verwendeten deterministischen Prognoseverfahren dar.

Die große Variabilität in der Zustandsentwicklung der mittleren Spurrinnentiefe auf dem Hauptfahrstreifen deutet daraufhin, dass wichtige Einflussfaktoren auf das zeitliche Verhalten einer Fahrbahnbefestigung derzeit nicht netzweit erfasst werden. Dazu zählen insbesondere Informationen zur strukturellen Substanz der Fahrbahnbefestigungen, die zum aktuellen Zeitpunkt (noch) nicht netzweit vorliegen. Dieser Ansatz wird in Zukunft fokussiert werden, da nur durch eine Berücksichtigung der strukturellen Substanz die Ursachen von Fahrbahnoberflächenschäden tiefergehend analysiert werden können. Eine Grundvoraussetzung hierfür ist die systematische Dokumentation und Pflege aller hiermit verbundenen Daten. Mit Hilfe dieser sehr wichtigen zusätzlichen Informationen kann die Zustandsprognose schließlich verfeinert werden.

Alternative Abstract:
Alternative AbstractLanguage

Efficient and secure transport infrastructure is the fundamental prerequisite for social progress. It enables economic growth, employment, and prosperity and thus represents the backbone of modern society. Planning, construction, operation, and maintenance of roadways require significant use of both financial and human resources. The Federal Transport Infrastructure Plan 2030 provides for a total volume of about € 270 billion, of which about € 70 billion will be used to maintain the existing road network by 2030 [BMVI 2016].

In Germany, a Pavement Management System (PMS) is used for a purposeful and objective distribution of funds, which estimates the maintenance requirements of federal highways based on the current state of the network and its future development. For this purpose, modern evaluation methods, as well as sound expertise, are needed. Estimates of the temporal status of pavement fortifications represent an essential element within the PMS in order to estimate the section-related maintenance requirements. The results of these previously deterministic calculations provide the basis for the subsequent decision-making process. The inherent uncertainties within this planning and decision-making process are due to various causes, such as data collection, data maintenance, different material behavior, and traffic and climatic boundary conditions. For future risk-based decision-making, suitable methods are required that can quantify possible events and their associated probabilities of occurrence based on scenarios.

An accurate description of road deterioration is one of the most challenging aspects within the scope of Pavement Management Systems (PMS). However, the data quality is often insufficient, as research has shown a high amount of road sections with measured condition improvements based on a simple comparison of two condition monitoring campaigns. The reasons for these improvements are often unknown due to restricted data quality of recorded maintenance works. Concerning an asset of the current state of a road network, this aspect is not that relevant because measurement errors lead to condition improvements as well as to condition deteriorations. However, concerning a longitudinal analysis of road condition, a consequent exclusion of measured condition improvements leads to a systematic violation of type one and type two errors from a statistical point of view: Road sections whose condition truly got worse are excluded due to measured condition improvements. Even though the mentioned problem is already partially known, suitable methods to handle this issue hardly exist.

The aim of the present study is the development and validation of a probabilistic forecasting model, which takes both the uncertainties in the condition state detection and the estimation of the condition state development into account. Based on a comparison of the predicted condition states with the results of the previously used deterministic methods, the applicability of the developed model shall be assessed. The developed method should enable a future risk-based decision-making process within systematic pavement management.

This research is based on data from a long-term observation section in Hesse, Germany. In addition to the condition assessment and evaluation (ZEB), which is carried out every four years, semi-annual condition surveys on each driving lane have been carried out on the approx. 76 km long section of BAB A5 for several years. Furthermore, data on traffic loads, structure, and climatic conditions are collected, and all maintenance and rehabilitation treatments are documented in great detail.

The core element of the developed method is a Bayesian approach. The presented model differentiates between the true condition state of a road surface, observations in the form of condition measurements, and an estimated system behavior at discrete points in time. By combining an a priori system behavior with the continuous comparison between expected and noisy measured condition states, the true condition state of an evaluation section is deduced. The method offers the possibility of a probabilistic prognosis of the most likely condition development over time in order to reflect the large variety of possible condition state developments accurately. The developed method is presented by the example of rutting. Since the condition state development of a road surface is subject to a large number of influencing variables, considerable scattering is observed, which makes it challenging to arrive at an appropriate condition state prognosis. In order to reduce the uncertainties in the forecast, additional information is integrated into the model. First of all, potential influencing factors are identified, and the resulting hypotheses are subjected to a statistical test. The analyses are done with the help of a longitudinal structural equation model (SEM), which is gradually extended by the variable traffic loading. At the end of the investigations, the results calculated with the stochastic prediction model are compared to the results of the previously used deterministic prognosis methods.

As a result, the condition data can be improved by estimating the state distribution after 20 years. Compared to the unprocessed condition data, the deviation between true and predicted mean values can be reduced from 1.0 mm (SD = 1.2 mm) to 0.1 mm (SD = 1.5 mm). In addition to improved prognosis, the data can be enhanced significantly to provide the data basis used to estimate transition matrices. After data preparation, only about 5 % of all evaluation sections have a condition state improvement, whereas in the case of non-processed data, approx. 50 % of the data basis must be discarded due to measured condition state improvements. Due to the enlarged data basis, the transition distributions within the matrices can be modeled more precisely. Based on further differentiation of the state changes according to traffic loads and the respective present type of structure, the condition state distributions of all evaluation sections can be predicted with high accuracy. The deviation of the mean value between true and predicted condition state distribution is 0.0 mm. For the associated standard deviation, a value of 2.6 mm is predicted compared to the standard deviation of the true condition state distribution of 3.2 mm. The comparison between the deterministic and the stochastic method shows that the developed model provides comparable prognosis results to the deterministic method used in the current German guidelines RPE-Stra 01.

The developed probabilistic model allows consideration of the current uncertainties in the estimation of the remaining service life as well as in the planning of maintenance works. The comparison of different maintenance strategies based on probability distributions provides the basis for risk-based decision-making. This fact represents the main advantage, in contrast to deterministic prognosis methods. The high variability in the development of road condition indicates that essential factors influencing the temporal behavior of pavements are currently not recorded across the road network. In particular, this includes information on bearing capacity, which is not yet available at the current time throughout the network. This approach will be focussed in the future since the causes of road surface damages can be thoroughly analyzed only by considering the structural behavior of the road section. Furthermore, a fundamental prerequisite is the systematic documentation and maintenance of all collected data. With the help of this essential information, the condition prognosis can finally be refined.

English
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-132796
Classification DDC: 600 Technology, medicine, applied sciences > 600 Technology
600 Technology, medicine, applied sciences > 620 Engineering and machine engineering
Divisions: 13 Department of Civil and Environmental Engineering Sciences > Institutes of Transportation
13 Department of Civil and Environmental Engineering Sciences > Institutes of Transportation > Institute for Road Engineering
Date Deposited: 22 Sep 2020 13:56
Last Modified: 22 Sep 2020 16:36
URI: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/id/eprint/13279
PPN: 470284986
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