Wahlen unterscheiden sich nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb einzelner Länder. Einige Wahlen haben sehr einfache Abstimmungsregeln und Stimmzettel. Bei Parlamentswahlen in Estland oder in Deutschland können Wähler zum Beispiel 1-aus-n Kandidaten wählen. Andere Wahlen, wie die Parlamentswahlen in Luxemburg und Belgien oder die Kommunalwahlen in Deutschland, haben sehr komplexe Abstimmungsregeln und große Stimmzettel. Da diese Wahlen verschiedene Abstimmungsregeln kombinieren wie k-aus-n Kandidaten wählen (Panaschieren), Stimmengewichtung (Kumulieren) und Vorzugswahl (den Rang der Kandidaten beeinflussen), stellen diese Wahlen sowohl für Wähler als auch für Wahlhelfer eine Herausforderung dar. Aufgrund der komplexen Abstimmungsregeln ist es wahrscheinlich, dass die Wähler in solchen Wahlen unabsichtlich ungültige Stimmen abgeben. Darüber hinaus ist die Auszählung der abgegebenen Stimmen aufgrund der Kombination von komplexen Abstimmungsregeln und den großen Stimmzetteln überaus zeitintensiv und mit hoher Wahrscheinlichkeit fehleranfällig.
Um solchen Herausforderungen wirksam zu begegnen und die Situation sowohl für Wähler als auch für Wahlhelfer zu verbessern, insbesondere in Bezug auf die Kommunalwahlen in Hessen/Deutschland, wurde EasyVote als Konzept eines hybriden (elektronisch/Papier) Wahlsystems vorgeschlagen. Der Fokus von EasyVote liegt auf Wahlen im Wahlbezirk. Die zentrale Idee von EasyVote besteht in der Anwendung eines elektronischen Abstimmungsgeräts, welches keine elektronischen Stimmen speichert, sondern eine Zusammenfassung der Stimmabgabe auf DIN-A4-Papier (einem sogenannten ``Paper Audit Trail'') ausdruckt. Der Ausdruck (Stimmzettel) besteht sowohl aus einer menschlich lesbaren als auch einer maschinenlesbaren (QR-Code) Komponente. Innerhalb des Auszählungsprozesses werden die Stimmzettel, d.h. die abgegebenen Stimmen, halbautomatisch gezählt. Dabei scannen Wahlhelfer den QR-Code jedes einzelnen Stimmzettels ein und überprüfen, ob dessen Inhalt mit dem Inhalt der menschlich lesbaren Komponente übereinstimmt. Bevor EasyVote jedoch in rechtsverbindlichen Wahlen verwendet werden kann, müssen diverse Forschungsfragen adressiert werden.
Das Ziel dieser Dissertation ist es, den Weg für den Einsatz von EasyVote in rechtsverbindlichen Wahlen zu ebnen. Um dieses Ziel zu erreichen, befasst sich diese Dissertation mit fünf offenen Forschungsfragen, die im Folgenden vorgestellt werden. Während die zweite und die fünfte Frage EasyVote spezifisch sind, sind die restlichen Fragen für alle Wahlsysteme relevant, welche auf ähnlichen Konzepten wie EasyVote aufbauen.
1. Sind Wähler über ihr Wahlgeheimnis in Zusammenhang mit der Verwendung von QR-Codes besorgt und, wenn ja, wie können solche Sorgen effektiv adressiert werden?
2. Wie sieht ein optimales Stimmzetteldesign aus, das den Wählern die Nachvollziehbarkeit der Auswirkung und eine leichte Überprüfbarkeit ihrer Stimmabgabe ermöglicht?
3. Wie sehen optimale Anweisungen zur Stimmzettelüberprüfung aus, die höchstwahrscheinlich sicherstellen, dass Wähler überprüfen, ob ihr Stimmzettel ihrer Wahlintention entspricht?
4. Welche Methode zur Stimmzettelüberprüfung stellt am besten sicher, dass Wahlhelfer mögliche Diskrepanzen zwischen den menschlich- und maschinenlesbaren Stimmzettelkomponenten feststellen?
5. Sind die Prozesse der Stimmabgabe und Auszählung benutzbar und wenn nicht, wie kann die Benutzbarkeit dieser Prozesse verbessert werden?
Die Ergebnisse zeigen Bedenken der Wähler bezüglich ihres Wahlgeheimnisses in Zusammenhang mit dem Einsatz von QR-Codes. Allerdings zeigen die Ergebnisse auch, dass der Ansatz der Schutzmotivationstheorie zur Einschätzung der Bedrohung ein angemessener Ansatz ist, um solche Bedenken signifikant zu verringern. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass ein optimales Stimmzetteldesign bezüglich der Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der Stimmabgabe erreicht werden kann, indem die direkt vergebenen Stimmen in Orange hervorgehoben werden. Die Ergebnisse zeigen auch, dass Anweisungen zur Stimmzettelüberprüfung, die auf der Rückseite des Stimmzettels vorgedruckt sind und den Wählern zum richtigen Zeitpunkt gegeben werden, einen signifikanten Einfluss darauf haben, ob Wähler ihren Stimmzettel überprüfen und Diskrepanzen zu ihrer Wahlintention feststellen. Zusätzlich zeigen die Ergebnisse eine signifikante Steigerung der erfolgreichen Feststellung von Diskrepanzen zwischen der menschlich lesbaren Stimmzettelkomponente und dem QR-Code, wenn Wahlhelfer während der Auszählung die direkt vergebenen Stimmen laut vorlesen. Außerdem belegen die Ergebnisse eine hohe wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit des implementierten EasyVote Prototypen. Zusammenfassend zeigen diese Ergebnisse, dass der Einsatz von EasyVote zu empfehlen ist, und dass ein böswilliges oder fehlerhaftes Verhalten eines Abstimmungsgeräts, welches die Integrität des Wahlergebnisses verletzen könnte, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit festgestellt wird. | German |