Die Empfindlichkeit des frühen Embryos auf ionisierende Strahlung ist nicht ausreichend charakterisiert. Richtlinien des Strahlenschutzes bezüglich einer in utero Bestrahlung basieren hauptsächlich auf Tierexperimenten sowie epidemiologischen Studien. Die Mechanismen, die einer Strahlenantwort des Embryos zu Grunde liegen, sind besonders im Fall von Hoch-LET Strahlung nicht vollständig geklärt. Um zu einem besseren Verständnis über die Wirkung ionisierender Strahlung auf die frühe embryonale Entwicklung beizutragen, wurden H9 embryonale Stammzellen als in vitro Modell für das Blastozysten-Stadium des frühen Embryos eingesetzt. Da die embryonalen Stammzellen in diesem Entwicklungsstadium die Grundlage für einen vollständig funktionalen Organismus darstellen, und um zu verhindern, dass mögliche DNA Schäden an Tochterzellen weitergegeben werden, ist eine Aufrechterhaltung der genomischen Integrität notwendig. Tatsächlich wurde in der Literatur bereits eine geringere Mutationsrate in embryonalen Stammzellen sowie eine hohe Apoptoserate in Folge von DNA Schäden im Vergleich zu differenzierten Zellen beschrieben. In einer zuvor an der GSI durchgeführten Studie konnte beobachtet werden, dass Nachkommen von Hoch-LET bestrahlten embryonalen Stammzellen der Maus Chromosomenaberrationen aufweisen. Die Ergebnisse in Bezug auf das Pluripotenzstadium weisen aber darauf hin, dass die Zellen in der Lage sind, dieses aufrechtzuerhalten.
In dieser Arbeit wurde die Fähigkeit von humanen embryonalen Stammzellen untersucht, durch ionisierende Strahlung geschädigte Zellen von der pluripotenten Population zu entfernen um somit die Differenzierungseigenschaften in definitives Entoderm aufrechterhalten zu können. Dazu wurden Bestrahlungsexperimente mit 1 und 3 Gy Röntgenstrahlen, als auch mit 1 und 3 Gy Schwerionen-Strahlung (C, Ca, Ni und Ti Ionen) durchgeführt. Die Zellen wurden zum einen unter Pluripotenz-erhaltenden Bedingungen bis zu 14 Tage, als auch 11 Tage lang unter Bedingungen, die die Differenzierung in definitives Entoderm fördern, beobachtet. Dabei wurden Endpunkte wie Zellzyklus-Arrest, Apoptose, chromosomale Aberrationen und Genexpression in Bezug auf embryonale Signalwege, Pluripotenz und Differenzierung untersucht. Die Ergebnisse der Apoptose-Messung sowie der Untersuchung von chromosomalen Aberrationen zeigten eine höhere biologische Wirksamkeit von Hoch-LET im Vergleich zu Niedrig-LET Strahlung in humanen embryonalen Stammzellen. Es wurde zudem ein strahleninduzierter G2 Zellzyklus-Arrest beobachtet. Obwohl ein Teil der geschädigten Zellen in Apoptose ging, traten auch in den Tochterzellen noch chromosomale Aberrationen auf. Untersuchungen der Genexpression infolge von Bestrahlung zeigten eine Herabregulation von embryonalen Signalwegen wie WNT, FGF, Hedgehog, TGF-ß und Notch, was vermutlich auch für die beobachtete Herabregulation der Expression von Pluripotenzmarkern wie OCT4A und NANOG verantwortlich ist. In der Folge war auch die Differenzierung zu definitivem Entoderm im Vergleich zu unbestrahlten Zellen beeinträchtigt.
Zusammenfassend weisen die Ergebnisse dieser Arbeit im Falle einer in utero Bestrahlung darauf hin, dass es auf Grund von Zellzyklus-Arrest und Apoptose zu einer Nidationsstörung und Frühabort kommen kann, und dass auf Grund von Veränderungen in Signalwegen und Differenzierungsprozessen Missbildungen möglich sind. | German |