Die Optogenetik ist die am weitesten verbreitetese Technik, die von Neurowissenschaftlern zur Steuerung der neuronalen Aktivität mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung in vitro und in vivo eingesetzt wird. Optogenetik stützt sich auf natürlich vorkommende oder synthetische Ionenkanäle, deren Gating durch Licht gesteuert wird. Derzeit sind sowohl exzitatorische als auch inhibitorische optogenetische Werkzeuge verfügbar, um elektrische Aktivität in Neuronen aus der Ferne zu fördern oder zu verhindern. Inhibitorische Werkzeuge sind von besonderem Interesse als therapeutische Mittel für die Behandlung von neuropathischen Schmerzen, einer Pathologie, die durch Nervenläsionen/Entzündungen verursacht wird und unkontrolliertes Feuern in peripheren sensorischen Neuronen erzeugt. Angesichts der begrenzten Eindringtiefe von Licht in Gewebe, die den Einsatz optogenetischer Werkzeuge in vivo stark behindert, wird nach neuen, alternativen Wegen zur Stimulierung hemmender Werkzeuge gesucht. Vor kurzem wurde die Magneto-Genetik als alternative Technik zur Optogenetik vorgeschlagen. Sie beruht auf der Fähigkeit externer Magnetfelder, die tief in das Gewebe eindringen, Ionenkanäle zu aktivieren. Dazu wurde zunächst der hitzeaktivierte Kanal TRPV1 mit exogen zugeführten Eisenoxid-Nanopartikeln konjugiert. Letztere erzeugen als Reaktion auf ein oszillierendes Magnetfeld Wärme und dieser Temperaturanstieg ist für die Öffnung von TRPV1 verantwortlich. In der zweiten Generation von magneto-genetischen Werkzeugen wurden die TRPV-Kanäle (TRPV1-4) mit Ferritin verknüpft, einem 24-meren Protein, das eine Hohlkugel bildet, die bis zu 4500 Eisenatome speichern kann. Die Aktivierung von TRPV-Kanälen mit Ferritin durch oszillierende Magnetfelder wurde sowohl in vitro als auch in vivo Experimenten nachgewiesen. Das physikalische Prinzip, das hinter dem Wirkmechanismus der magneto-genetischen Werkzeuge steht, ist unklar und wird derzeit diskutiert. Im Fall von Magneto2.0, einem TRPV4-basierten Kanal, konnte jedoch experimentell gezeigt werden, dass die Öffnung auf den Temperaturanstieg zurückzuführen ist, der durch Ferritin bei Einwirkung eines oszillierenden Magnetfelds erzeugt wird.
Bislang verwenden alle magneto-genetischen Werkzeuge TRPV-Kanäle, die hauptsächlich Kalzium-, Magnesium- und Natriumionen leiten, was das Anwendungsspektrum dieser Werkzeuge auf neuronale Erregung beschränkt. Ziel dieser Arbeit ist es, ein magnetogenetisches Werkzeug für Kalium (K⁺) zu entwickeln, das langfristig zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen eingesetzt werden soll. In der Natur sind alle bekannten temperatursensitiven Kaliumkanäle polymodal, d. h. sie reagieren auf eine Reihe von Reizen neben der Temperatur. Diese Erkenntnis hat uns dazu motiviert, ein Mitglied der viralen Kaliumkanalfamilie, Kcv Next to Smith (KcvNTS), in einen temperaturempfindlichen Kanal zu verwandeln. Zu diesem Zweck haben wir die zytosolische Domäne des temperaturempfindlichen bakteriellen Natriumkanals NavAe1 an seinen C-Terminus fusioniert. Eines der Konstrukte, v1 genannt, zeigte die gewünschte Eigenschaft, bei 37°C geschlossen und >45°C geöffnet zu sein. Wir führten einzelne Punktmutationen in den C-Terminus von v1 ein, um den Temperaturbereich für das Gating den Kanals fein abzustimmen. Die Mutation M267A verringerte dabei die kritische Öffnungstemperatur des Kanals von 45°C auf 40°C, was ihn zu einem guten Werkzeug für Säugetiere macht. Die M267A-Mutante wurde in "Temperaturinduzierter Kanal für K⁺" (TICK1) umbenannt. Die Aktivierungs- und Deaktivierungskinetik von TICK1 wurde charakterisiert. Sie zeigt eine exponentill zunehmende Aktivierung mit einer Zeitkonstante τ von etwa 10 Sekunden; die Deaktivierung ist varaibale mit τ Weren zwischen 66 und 672 Sekunden.
Parallel dazu haben wir auch das Ferritin charakterisiert, das wir mit TICK verbinden wollten. Nach Literaturangaben wird eine Ferritin Einheit durch ein Dimer gebildet, das durch die Fusion von Monomeren der leichten und schweren Kette entsteht. Dies gewährleistet ein Verhältnis von leichter zu schwerer Kette von 1:1, was Berichten zufolge die Eisenaufnahme erhöht. Wir fügten außerdem ein grün fluoreszierendes Protein (EGFP) am N-Terminus des Dimers hinzu und wiesen nach, dass dieses Konstrukt, EGFP-mFT, in HEK293-Zellen zu 12mer-Ferritinen assembliert. Anschließend testeten wir mittels Korrelationsspektroskopie, ob Magnetfelder die konstruierten Ferritine beeinflussen. In diesen Experimenten wurden jedoch keine Veränderungen der Diffusionskoeffizienten in Gegenwart statischer Magnetfelder festgestellt. Gereinigte Ferritine wurden weiter mit induktiv gekoppeltem Plasma - optischer Emissionsspektrometrie (ICP-OES) analysiert, um ihren Eisengehalt zu messen. Dabei zeigte sich, dass jedes Ferritin im Durchschnitt 583 Eisenatome enthält, ein Ergebnis, das mit dem physiologischen Eisengehalt von Säugetierferritinen übereinstimmt.
In einem nächsten Schritt bauten wir unser magneto-genetisches Werkzeug: TICK1 wurde dazu mit einem N-terminalen EGFP-Nanobody (nanoTICK1) modifiziert und dieses Konstrukt wurde in HEK293T-Zellen zusammen mit EGFP-mFT exprimiert. Der Nanobody gewährleistet die Bindung von Ferritin an den Kanal, der in MagKCV umbenannt wurde. Nach ersten Tests zur korrekten Membranlokalisierung und Temperaturaktivierung von MagKCV haben wir die magnetischen Eigenschaften dieses synthetischen Kanals untersucht. Dazu wurde ein Versuchsaufbau mit einem zylindrischen Dauermagneten aufgebaut, der manuell mit 1 Hz von der Zelle hin und her bewegt wurde und ein maximales Magnetfeld von etwa 50 mT erzeugte. Die Experimente wurden mit Zellen durchgeführt, die bei 37°C gehalten wurden. Etwa 20% der getesteten Zellen, die MagKCV exprimieren, zeigten eine Aktivierung des Kanals als Reaktion auf das Magnetfeld. Die Aktivierung von MagKCV ist langsamer als die von TICK1, behält aber immer noch die typische TICK1-Strom-Spannungs-Eigenschaften und die Bariumempfindlichkeit bei. In der Kontrollbedingung, ohne Magnetfeld-Exposition, zeigten nur 1 von 40 getesteten Zellen (2,5%) einen offenen Kanal, was darauf hindeutet, dass MagKCV etwas weniger reguliert sein könnte als TICK1 (100%ige Temperaturregulation, n=37). MagKCV scheint ein vielversprechender Prototyp für die Entwicklung des ersten magneto-genetischen K⁺-Tools zu sein. | German |