Im Forschungsgebiet „interaktive Geschichten“ stellt der Erstellungsprozess einen entscheidenden Engpass dar, der die Entwicklung dieses Gebiets derzeit behindert. Ein Grund hierfür ist eine Besonderheit des Gebiets der „Interaktiven Geschichten“: Hier ist es notwendig, die Anwendungen so zügig wie möglich zu realisieren, um Ideen konkretisieren und Technologien erproben zu können. Theoretische Überlegungen allein sind in diesem Gebiet nicht ausreichend, weil die Anforderungen erst im Laufe des Entwicklungsprozesses deutlich werden können. Bisher existierten keine Verfahren und keine Softwareumgebungen, um unterschiedliche Ideen für interaktive, narrative Anwendungen schnell zu realisieren und iterativ weiterzuentwickeln, bei denen zugleich sowohl das Anwendungsdesign, die Autorenwerkzeuge als auch die Technologien nach und nach angepasst werden können. Diese Dissertation stellt den ersten generischen Softwarerahmen vor, mit dessen Hilfe ein solcher agiler Entwicklungsprozess für interaktive Geschichten mit virtuellen Charakteren möglich wird. Der Fokus liegt dabei auf visuellen Erstellungsmethoden. Der Softwarerahmen besteht aus einer vollständigen, funktionsfähigen Softwareumgebung mit Autoren-werkzeugen, die ihren praktischen Nutzen und ihre Allgemeinheit im Rahmen verschiedener Projekte bereits bewiesen hat. Als Basis des Softwarerahmens wurde ein neuartiger, hybrider visueller Formalismus entwickelt, der verschiedene Arten der Kombination von gerichteten Graphen mit anderen Kontrollmechanismen erlaubt. Durch diese Kombination kann die Entwicklungsgruppe den gerichteten Graphen als sofort einsetzbaren Hauptformalismus verwenden, und andere Kontrollverfahren partiell und inkrementell bei Bedarf im Rahmen des fortschreitenden Entwicklungsprozesses hinzufügen. Durch den Einsatz des relativ einfach handhabbaren gerichteten Graphen als Basis wird garantiert, dass die zusätzlich eingesetzten Technologien tatsächlich den konkreten Erfordernissen der Anwendung und des Inhalts entsprechen. Dieser Softwarerahmen erleichtert die Zusammenarbeit von Informatikern, Fachleuten und Inhaltsspezialisten bei der Entwicklung innovativer und in der Regel experimenteller Anwendungen. Er ist besonders geeignet für Systeme, die auf einem Satz festgelegter Basiselemente oder festgelegter Verhaltensschablonen beruhen, und bei denen sich das Problem der Erstellung auf die Frage reduzieren lässt, wie die Basiselemente in eine korrekte Reihenfolge gebracht werden können. Eine Reihe neuartiger Konzepte für narrative Anwendungen wird ebenfalls vorgestellt, zusammen mit den grundsätzlichen Schemata, die erforderlich sind, um den Softwarerahmen für die Erstellung dieser Anwendungen einzusetzen. Hierbei zeigt sich, dass der Rahmen die Anforderungen der Erstellung erfüllt, und konkretisiert auch bestimmte Hypothesen des Verfassers darüber, warum Interaktivität und Erzählung kombinierbar sind. Schließlich stellt diese Dissertation auch das Modell eines Autorensystems vor, welches das Erstellen von Anwendungen ermöglichen soll, die autonome virtuelle Charaktere verwenden. Bisher existierten keine Modelle davon, wie Autoren auch Details des Verhaltens von autonomen virtuellen Charakteren bestimmen können. Es wird allgemein angenommen, dass autonome virtuelle Charaktere bestenfalls abstrakt parametrisierbar sind. Das hier vorgestellte Modell zeigt demgegenüber, wie das Verhalten von autonomen virtuellen Charakteren, trotz ihrer Autonomie, präzise durch Autoren kontrolliert werden kann. Das Modell basiert auf dem Konzept einer Menge von „gebilligten Geschichten“, und beinhaltet zusätzlich Komponenten für maschinelles Lernen. | German |