Abstract: |
Die Wahrnehmung und Repräsentation der täglichen Umgebung stellt eine der wichtigsten Aufgaben des visuellen Systems dar. Die Fähigkeit, vor einer gewohnten Szenerie spezifische Änderungen zu detektieren, wie beispielsweise anpirschende Prädatoren oder ahnungslose Beutetiere, stellt das Überleben in einer sich schnell verändernden Welt sicher. Die Menge an Informationen, die für eine adäquate Wahrnehmung der Szenerie notwendig ist, muss präzise und zeitlich effizient verarbeitet werden. Dabei handelt es sich vor allem um teilweise ineinander greifende Formen, die Bewegungen in spezifische Richtungen mit bestimmten Geschwindigkeiten vollführen. Diese müssen in ihre zugrundeliegenden Elemente Geschwindigkeiten, Richtungen und Orientierungen abstrahiert werden. Diese Abstraktion findet in der Großhirnrinde der Säugetiere durch die spezifische Aktivität von Neuronenpopulationen statt, die auf diese Elemente selektiv reagieren. Die gezielte Interaktion der Neuronenpopulationen untereinander über die Grenzen einzelner Bereiche des Großhirns hinweg stellt eine adäquate Kodierung und Integration der Informationen sicher. Doch die Extraktion, Kodierung und Integration der Bestandteile einer visuellen Szenerie kann mit verschiedenen Problemen verbunden sein, wie einer Fragmentierung der Daten oder abrupten Wechseln von Bewegungsrichtungen. Dies führte zu einer Theorie, nach der die Repräsentation von Bewegungsrichtungen, Geschwindigkeiten und Orientierungen die natürliche Statistik der Umgebung widerspiegeln und sich als Funktion der Position im Gesichtsfeld verändert. Daher findet die Prozessierung unter Zuhilfenahme des erfahrungsgestützten Vorwissens, sogenannten “Prior“, statt, um die Effizienz der neuronalen Kodierung zu erhöhen und auch fragmentarische Objekte zu identifizieren [Rao und Ballard 1999, Lee und Mumford 2003, Knill und Pouget 2004].
In dieser Studie wurde die Organisation von richtungs- und geschwindigkeitsselektiven Neuronenpopulationen in Area 18 des primären visuellen Kortex der Katze durch optische Ableitungen mit spannungssensitiven Farbstoffen untersucht. Insbesondere die kortikale Repräsentation unterschiedlicher Bewegungsrichtungen und Geschwindigkeiten in den peripheren Anteilen des Gesichtsfeldes und ihre Antwortdynamiken waren zentrale Fragestellungen dieser Arbeit. Die gezielte Stimulation geschwindigkeitsselektiver Neuronenpopulationen zeigte eine räumliche Verteilung über die untersuchten Bereiche des Gesichtsfeldes, die eine Präferenz für schnellere Bewegungen in der Peripherie aufwies. Diese waren in unterschiedlichen Abschnitten spezifisch verteilt und zeigten Grenzbereiche, an denen eine deutliche Änderung der Geschwindigkeitspräferenz beobachtet werden konnte. Diese Änderungen stehen in direktem Zusammenhang mit der Retinotopie und der korrespondierenden Exzentrizität. Die Untersuchung von richtungsselektiven Antworten unter dem Einfluss der Geschwindigkeit erbrachte eine ungleichmäßige Verteilung im peripheren Gesichtsfeld, die spezifisch für die jeweilige Hemisphäre war. Es konnten deutliche Präferenzen für Bewegungsrichtungen dokumentiert werden, die zentrifugal von der Repräsentation der Area centralis wegführen. Neuronenpopulationen, die selektiv auf diese Richtung reagierten, wiesen eine quantitative Überrepräsentation auf, die sich von anderen Bewegungsrichtungen deutlich abhob. Eine Untersuchung der Aktivitätswahrscheinlichkeiten selektiver Neuronenpopulationen auf einer raumzeitlichen Ebene sollte die Konsistenz der jeweiligen spezifischen Antwortmuster über alle Singletrials gegeneinander vergleichen. Die präferierten Bewegungsrichtungen wiesen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit des Auftretens ihrer kodierenden Einheiten auf, die sich aber über die zuvor ermittelten Bereiche der Geschwindigkeitspräferenz erstreckte. Somit konnten diese Präferenzen über die gesamte untersuchte kortikale Oberfläche nachgewiesen werden. Diese zeigen eine klare Anisotropie in der Repräsentation von Bewegungen, die zugunsten zentrifugaler Richtungen organisiert sind. Eine Untersuchung des Populationssignals konnte außerdem nachweisen, dass die evozierten Antwortmuster unabhängig von der jeweiligen präsentierten Geschwindigkeit des verwendeten Stimulus oder deren Reihenfolge für diese Bewegungsrichtungen deutlich selektiver waren. Diese geringere Unsicherheit in der Kodierung dieser Stimulusparameter durch selektive Neuronenpopulationen lässt Rückschlüsse auf eine lokale Wahrscheinlichkeitsverteilung zu, die durch die tägliche Erfahrung häufig detektierter Bewegungen im Gesichtsfeld bestimmt ist und der Modulation durch Vorwissen aus hierarchisch höheren visuellen Arealen unterliegt.
Eine erweiternde Untersuchung mittels Bewegungsrichtungswechseln diente dazu, die zeitliche Antwortdynamik von richtungs- und geschwindigkeitsselektiven Neuronenpopulationen zu untersuchen. Die zugrundeliegende Hypothese bestand darin, dass die Präsentation einer präferierten Richtung durch die quantitative und funktionelle Anisotropie in einer schnelleren Formation eines stimulusspezifischen Aktivitätsmusters resultiert. Daher sollten die Antwortlatenzen aktiver Neuronenpopulationen, die diese Richtung präferieren, im Vergleich zu nicht-präferierten Bewegungen geringer sein. Das Ergebnis zeigte deutlich, dass die Latenzen neuronaler Antworten zu präferierten Bewegungsrichtungen, unabhängig von deren Reihenfolge der innerhalb des Stimulationsprotokolls, signifikant geringer waren. Dieses Ergebnis bestätigt, dass die Kodierung zentrifugaler Richtungen in den untersuchten kortikalen Repräsentationen des Gesichtsfeldes durch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens im Gesichtsfeld bestimmt ist.
Weiterführend wurde die Repräsentation von Orientierungen in Area 18 unter dem Gesichtspunkt untersucht, dass Repräsentationen von Liniensegmenten, die parallel zu den Bewegungsachsen der festgestellten Richtungspräferenzen liegen, ebenfalls anisotrop verteilt vorliegen. Die Ergebnisse zeigten eine quantitative Überrepräsentation von Orientierungen, die radial im Gesichtsfeld liegen. Diese wiesen die höchsten Aktivitätswahrscheinlichkeiten und die geringsten Antwortlatenzen in beiden Hemisphären auf. Auch hier spiegeln sich die festgestellten quantitativen und funktionellen Anisotropien in einer natürlichen Statistik der wahrgenommenen Umgebung wider. |
Alternative Abstract: |
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Perception and representation of the environment is one of the most important tasks of the visual system. The capability of detecting specific changes of usual scenery for example stalking predators or unsuspecting prey ensures survival in a quickly changing world. The amount of information for adequate perception of scenery has to be processed in a precise and efficient way. It concerns partially overlapping forms showing motion of specific directions with a certain velocity. They have to be abstracted into their compartments velocity, direction and orientation. The abstraction happens in the mammalian cortex by specific activity of neuronal populations reacting selectively to the different elements. Selective interactions between neuronal populations beyond the borders of single cortical areas ensure the adequate coding and integration of information. But extraction, coding and integration of compartments of visual scenery is associated with different problems such as fragmentation of data or sudden changes of motion direction. This results in a theory proposing direction, velocity and orientation representation to reflect natural statistics and changing itself as a function of different positions inside the visual field. As a result, processing happens with the help of experience mediated knowledge, a so-called “prior”, to increase efficiency of neuronal coding and to identify even fragmentary objects [Rao and Ballard 1999, Lee and Mumford 2003, Knill and Pouget 2004].
This study investigated the organization of direction- and velocity-selective neuronal populations in area 18 of the primary visual cortex by optical imaging using voltage-sensitive dyes. Central aspects of this study were cortical representations of different directions and velocities in the visual periphery and their response dynamics. Stimulation specifically targeted at velocity-selective neuronal populations revealed a spatial distribution with preference for faster motion in periphery of investigated parts of the visual field. They were organized into different sections including border areas where significant changes in velocity preference occurred. These kind of changes correlated with retinotopy and corresponding eccentricities. Studying direction-selective responses under influence of velocities revealed uneven distributions in peripheral fields, which appeared to be specific for each hemisphere. Significant direction preferences for centrifugal motion away from representation of the area centralis were documented. Those direction-selective neuronal populations showed a quantitative overrepresentation differing from other motion directions. The investigation of the probability of activation of selective neuronal populations on spatiotemporal level was used to compare consistency of specific activity patterns in all single trials. Preferred directions appeared to have higher probabilities of activation among coding units reaching far beyond the exposed borders of velocity preferences. These preferences could be demonstrated to be dominant on the studied cortical surface. They show an anisotropy in the representation of motion in favor of centrifugal directions. A study of population signals revealed evoked activity patterns to be more selective for those directions and independent of the presented velocity of the current stimulus or even its sequence. Coding of these stimulus parameters with low uncertainty by selective neuronal populations leads to the conclusion of local probability distributions shaped by daily experience of regularly detected motion in visual field and is subject to modulation by prior knowledge from higher hierarchical visual areas.
In expanding studies motion reversal stimuli were used to investigate temporal response dynamics of direction- and velocity-selective neuronal populations. The underlying hypothesis proposed the presentation of a preferred direction to result in a faster formation of stimulus-specific activity pattern because of the revealed quantitative and functional anisotropy. Therefore, neuronal latencies of active neuronal populations preferring this direction are expected to be lower compared to non-preferred motion. As a result, latencies of neuronal responses to preferred directions were significantly smaller, independent from the sequence of the stimulation protocol. This result confirms the coding of centrifugal directions in studied cortical representation to be determined by probability of appearance in the visual field.
Additionally, the representation of orientations in area 18 was studied to reveal a possible anisotropic distribution of line segments parallel to already found preferred directions along a motion axis. Results showed a quantitative overrepresentation of orientations, lying radially in the visual field. Those orientations showed the highest probabilities of activation und the smallest response latencies in both hemispheres. The resulting quantitative and functional anisotropies reflect the natural statistics of the perceived environment. | English |
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