Die im internationalen Vergleich niedrige räumliche Mobilität in Deutschland wird häufig als Ursache für einen unzureichenden Ausgleich regionaler Ungleichgewichte genannt und mit einer hohen regionalen Mismatch-Arbeitslosigkeit in Verbindung gebracht. Hinsichtlich des wünschenswerten Ziels eines Wachstums- und Beschäftigungszuwachses sowie der Reduktion interregionaler Disparitäten rückt die Mobilitätsbereitschaft von Arbeitslosen unmittelbar in den Mittelpunkt des Interesses. Entscheidend für die Nutzung oder Nichtnutzung von Wachstums- und Beschäftigungspotenzialen durch räumliche Mobilität sind jedoch die individuellen Anreizstrukturen dieser Erwerbspersonen, die keineswegs homogen sein müssen. Ein wesentliches Ziel der vorliegenden empirischen und mikroökonometrischen Arbeit besteht daher darin, die Determinanten individueller Mobilitätsentscheidungen von Arbeitslosen zu analysieren. So soll zunächst der Frage nachgegangen werden, in welchem Maße heterogene Gruppen von Arbeitslosen (z.B. Qualifikationsgruppen) ihre Suchstrategien auf regionale Arbeitsmarktbedingungen abstimmen. Eine solche Anpassung an regionale Arbeitsmarktbedingungen ist vor allem für den Ausgleich regionaler Ungleichgewichte wünschenswert. Die empirischen Ergebnisse zeigen jedoch, dass nur gut ausgebildete und besser verdienende Arbeitslose auf eine verschlechterte regionale Arbeitsnachfrage mit einer erhöhten Abwanderung reagieren. In einem weiteren Schritt untersucht die Arbeit daher, in welchem Maße institutionelle Faktoren für die räumliche Immobilität einiger Arbeitsmarktsegmente verantwortlich gemacht werden können. Während die empirischen Analysen darauf hinweisen, dass der mobilitätshemmende Einfluss eines erhöhten regionalen Angebots an aktiven Arbeitsmarktprogrammen als begrenzt einzuschätzen ist, zeigt sich in verschiedenen Analysen wiederholt der mobilitätshemmende Einfluss einer verlängerten Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld und einer höheren Lohnersatzquote. Da geringqualifizierte Arbeitslose häufig sehr hohe Lohnersatzquoten erhalten, könnte dies somit eine Ursache für deren geringe Mobilitätsneigung und schwache Reaktion auf regionale Arbeitsmarktbedingungen sein. Die vorliegende Arbeit identifiziert somit institutionelle Faktoren, die die Mobilität von Arbeitslosen reduzieren und zeigt damit Möglichkeiten auf, wie bestehende Wachstums- und Beschäftigungspotenziale durch räumliche Mobilität konsequenter genutzt werden können. Den potenziellen Vorteilen einer erhöhten Mobilität stehen jedoch auch eine Reihe von Nachteilen gegenüber. Neben einem potenziellen Verlust an sozialem Kapital durch die Un-terbrechung sozialer Netzwerke entstehen Kosten für die Gesellschaft beispielsweise durch die Notwendigkeit, die öffentliche Infrastruktur (z.B. Schulen, Krankenhäuser) sowohl in den Zuzugs- als auch in den Wegzugsgebieten einer veränderten Zahl und Struktur der ortansässigen Bevölkerung anzugleichen. Darüber hinaus führt die negative Selektion der Dagebliebenen in den Wegzugsgebieten zu einer ungünstigen Qualifikations- und Altersstruktur der Bevölkerung, welche das langfristige Entwicklungspotenzial der Region gefährdet. Neue Investitionstätigkeiten finden in der Abwanderungsregion kaum noch statt, so dass der ursprüngliche Abwanderungsschub einen weiteren Niedergang im Sinne eines kumulativen Prozesses bewirkt. Anstelle einer räumlichen Konvergenz kann eine erhöhte interregionale Mobilität daher auch zu einer räumlichen Divergenz beitragen. Ein Politikansatz zur Nutzung der Beschäftigungs- und Wachstumspotenziale durch eine Erhöhung räumlicher Mobilität sollte daher durch eine ausgleichende Sozial- und Wirtschaftspolitik flankiert werden, die versucht die Kehrseiten der Flexibilisierung aufzufangen. Als ein Beitrag zu diesem Vorhaben, besteht ein weiteres Anliegen der vorliegenden Arbeit daher darin, Möglichkeiten zu identifizieren, einer divergenten Wirkung der räumlichen Mobilität auf das regionale System entgegenzuwirken. Dies ist insbesondere vor dem Hinter-grund der Abwanderung Hochqualifizierter von Ost- nach Westdeutschland und der Gefahr einer Verfestigung des West-Ost-Gefälles von hoher Relevanz. Ziel der empirischen Analyse ist es daher, die Determinanten der qualifikatorischen Zusammensetzung von Migrationsströmen in Deutschland zu bestimmen und somit Wege aufzuzeigen, dem Wegzug von Hochqualifizierten aus Ostdeutschland entgegenzuwirken. Zu diesem Zweck werden Zielregionenentscheidungen von hochqualifizierten und weniger qualifizierten Arbeitskräften analysiert. Dabei zeigt sich, dass Hochqualifizierte vor allem Zielregionen mit einem hohen Lohniveau bevorzugen, während für weniger Qualfizierte eine geringe regionale Arbeitslosigkeit von größerer Bedeutung ist. Die Wirtschaftspolitik könnte somit einen Beitrag dazu leisten, den Wegzug von Hochqualifizierten zu stoppen ohne den Wegzug von weniger Qualifizierten zu erhöhen, indem sie die Voraussetzungen für einen Anstieg von Löhnen für hochqualifizierte Arbeitskräfte in Ostdeutschland schafft, der nicht zugleich auch zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führt. Neben Maßnahmen zur Steigerung der ostdeutschen Produktivität könnten auch regional flexiblere Lohnabschlüsse, die beispielsweise ein regional höheres Maß an Lohnspreizung zulassen, hierfür Ziel führend sein. Die Dissertation leistet somit einen Beitrag zur Gestaltung einer Wirtschaftspolitik, die die Anreizwirkungen auf die räumliche Mobilität heterogener Arbeitsmarktsegmente stärker berücksichtigt und damit zur Nutzung möglicher Flexibililisierungspotenziale beiträgt, aber gleichzeitig auch die möglichen negativen Auswirkungen einer räumlichen Flexibilisierung auf die Zu- und Abwanderungsregionen abzumildern vermag. | German |