Abstract: |
Durch Sozialkapital werden Zugangsmöglichkeiten zu sozialen Ressourcen bereitgestellt, die einen Nutzen für die Mitglieder eines Netzwerkes beherbergen. Diese Ressourcen sind formeller oder informeller Art. Im Sinne Bourdieus liegen sie als aktuelle oder potentielle Ressourcen vor und bedürfen reziproker Beziehungen um ihren Erhalt zu gewährleisten. Bei einem Missbrauch der Beziehungen oder einem Verstoß gegenüber geltenden Normen und Regeln innerhalb dieses Netzwerkes wird Sozialkapital zerstört. Regelkonformen Netzwerkmitgliedern stehen - zur Wahrung der Normen - Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung, die bis zum Ausschluss aus der Gruppe führen können. Durch diese mögliche Reduzierung der Zugänge zu sozialen Ressourcen verfügt Sozialkapital über einen Abschreckungseffekt und kann in die ökonomische Theorie der Kriminalität eingebunden werden. Unter der Annahme von rationalem Verhalten werden die erwarteten - sozialen und monetären - Folgen bei abweichendem und die bei regelkonformem Verhalten gegeneinander abgewägt. Daraus leitet sich die Hypothese ab, dass die Neigung sich abweichend zu verhalten, mit der Höhe des Sozialkapitals abnimmt. Die Arbeit überprüft die Existenz eines solchen Zusammenhangs zwischen Sozialkapital und Delinquenz. Der zugrunde liegende Datensatz enthält Querschnittsdaten für 1.193 Insassen aus deutschen Strafanstalten und einer zugehörigen - zum Zeitpunkt der Erhebung im Jahr 2004 kriminell unauffälligen - Bevölkerungsstichprobe als Kontrollgruppe mit 1.771 Beobachtungen. In einem deskriptiven Abschnitt der Arbeit werden verschiedene in der Literatur gängige Variablen zur Erfassung des Sozialkapitalbestandes vorgestellt, sowie weitere Determinanten, die durch interdisziplinäre Theorien des abweichenden Verhaltens motiviert sind. Eine Clusteranalyse schließt den beschreibenden Teil der Arbeit ab. Hierbei werden homogene Gruppen hinsichtlich ihres Bestandes an Sozialkapital identifiziert und anschließend ihr abweichendes Verhalten untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Gruppen gefunden werden, die entweder stärker durch kriminell auffällige oder aber stärker durch kriminell unauffällige Personen charakterisiert sind. Zudem findet sich ein gemischtes Cluster, in dem die Anteile an Personen mit unterschiedlicher Kriminalitätsbelastung gleich verteilt sind. Diese " Risikogruppe " gibt einen Hinweis darauf, dass Sozialkapital zu existieren scheint, welches zu erfolgreichem aber unter bestimmten Rahmenbedingungen auch zu weniger erfolgreichem Legalverhalten führen kann. Mit Hilfe von Regressionsanalysen wird der Einfluss von Sozialkapital auf das kriminelle Verhalten insgesamt, sowie nach einzelnen Straftaten(-gruppen) untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Sozialkapital vor allem weniger ökonomisch motivierte Straftaten reduziert, wie das Begehen von Gewaltdelikten. Als weiteres Resultat wurde die Bedeutung der Quelle des Sozialkapitals identifiziert. Während jenes Sozialkapital, das durch die enge Familie akkumuliert wird, in erster Linie kriminalitätshemmend wirkt, fördert insbesondere das Sozialkapital, welches aus dem Freundeskreis gebildet wird, abweichendes Verhalten. Die Höhe des Einflusses von Sozialkapital fällt allerdings, verglichen zu weiteren Merkmalen, eher gering aus. Als stark kriminalitätshemmend haben sich stabile (klassische) familiäre Strukturen sowie stabile " persönliche Verfassungen " herausgestellt. Sind diese nicht vorhanden, d.h. fehlt die Eingebundenheit in die Familie und kommen persönliche Problemlagen, wie Alkohol- bzw. Drogenprobleme oder massive Opfererfahrung dazu, scheint die Risikobereitschaft hinsichtlich abweichendem Verhalten sehr viel stärker ausgeprägt zu sein. Dieses Ergebnis wird bei allen Straftatengruppen hinweg festgestellt. |
Alternative Abstract: |
Alternative Abstract | Language |
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Social capital provides the means for accessing social resources which harbour benefits for the members of a network. These resources are of a formal or informal nature. According to Bourdieu, they are available as current or potential resources and require reciprocal relationships as a condition for their utilization. Where relationships are abused or valid norms and rules within this network are violated, social capital is destroyed. Network members who conform to the rules have - for the upholding of norms - various sanctions at their disposal, which can even include exclusion from the group. This possible restriction of access to social resources presents social capital with a deterrent effect which can be incorporated into the economic theory of crime. Presupposing rational behaviour of network members, the expected - social and monetary - consequences of deviant and non-deviant behaviour are weighed up against each other. The resulting hypothesis maintains that the tendency towards deviant behavior decreases according to the amount of social capital. The study examines the existence of such a correlation between social capital and delinquency. The data set forming the basis of the study contains cross-sectional data for 1,193 inmates of German penal institutions and an appendant control group from the general public - criminally inconspicuous at the time of data collection in 2004 - consisting of 1,771 observations. In a descriptive section of the study, several variables prevalent in the literature are presented in addition to further determinants stemming from the interdisciplinary theories of deviant behavior. A cluster analysis concludes this section of the study. This involves identifying homogenous groups regarding their stock of social capital and subsequently examining their deviant behaviour. The results show that groups are found to be characterized more strongly by criminally conspicuous persons or more strongly by the criminally non-conspicuous. Furthermore, there is a mixed cluster in which the share of persons with varying degrees of criminal background is evenly spread. This " risk group " points to the existence of social capital which can lead to successful, but under certain general conditions to less successful, law-abiding behaviour. With the help of regression analyses the influence of social capital on criminal behaviour as a whole, including individual (groups of) offences, is examined. The results show that, above all, social capital reduces offences which are less economically motivated, such as violent crimes. A further result is the identification of the significance of the source of social capital. Whilst the social capital accumulated in the closely-knit family has a primarily crime-inhibiting effect, it is the social capital derived from an individual’s circle of friends which is especially prone to promoting deviant behaviour. Compared to other characteristics, the degree of influence had by social capital turns out to be quite marginal. It transpired that stable (classic) family structures as well as stable " personal constitutions " have a strong crime-inhibiting effect. Where such structures and dispositions are not present, i.e. where there is a lack of family integration accompanied by personal problems, such as alcohol and drug-related problems or massive past victimization, the risk propensity in respect of deviant behaviour would seem to be much more pronounced. This result applies for all offence groups across the board. | English |
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