Die Wasserversorgung zählt zu den Infrastrukturen, die für das städtische Leben grundlegend sind. Aus diesem Grund wird seit langer Zeit von den Akteuren in Planung und Politik die Wasserversorgung für die Bevölkerung durch ein standardisiertes Infrastruktursystem angestrebt, das den "modernen" und "progressiven" Idealen entspricht. Die "vernetzte Stadt" ist ein solches Ideal, eine technologische Ideologie der westlichen Welt, die seit dem 19. Jahrhundert eine Grundlage für die Planung und Entwicklung der Wasserinfrastruktur auf der ganzen Welt ist. Dieses "moderne" Planungsmodell setzt eine zentral verwaltete und einheitliche Stadtstruktur als Bedingung für die Bereitstellung von vernetzten Infrastrukturen zur Versorgung mit Wasser, Elektrizität und Telekommunikation, sowie zur Entsorgung von Abwasser, voraus. Die Ideologie der vernetzten Stadt zeigt jedoch nur begrenzt Perspektiven auf für die vielfältigen sozio-technischen Arrangements der Wasserversorgung in vielen zeitgenössischen Städten. Dies trifft insbesondere auf postkoloniale Städte des Globalen Südens zu, die in rasantem Wandel begriffen sind. Die Sichtbarkeit von Wassertankern, Wasserkarren, langen Schlangen an Wasserkiosken, offengelegten Wasserrohren und allgegenwärtigen 20-Liter-Wasserkanistern im städtischen Raum offenbart die alltäglichen Improvisationen und die ungleichen Anstrengungen, die die Menschen in Städten des Globalen Südens auf sich nehmen, um ihre Versorgung mit Wasser sicherzustellen. Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Formen der Wasserversorgung zum Erhalt städtischen Lebens verweist nachdrücklich auf das Konzept der multiplen Modernitäten, welches die westliche Vereinfachung im Sinne des "modernen" Ideals zentralisierter und vernetzter Infrastruktursysteme grundsätzlich in Frage stellt.
Diese Dissertation analysiert in einem sozio-technischen Ansatz bestehender Formen der Wasserversorgung in Städten des Globalen Südens an. Mittels einer interpretativen Fallstudie von Nairobi, Kenia, beleuchtet die vorliegende Arbeit in unterschiedlichen sozialräumlichen Typologien die Zusammenhänge zwischen der netzgebundenen Wasserinfrastruktur des öffentlichen Versorgungs-unternehmens einerseits und den vielfältigen nicht-netzgebundenen Wasserinfrastrukturmodellen, wie etwa privatisierten Infrastrukturenklaven, Praktiken des Wasserverkaufs, privaten Brunnen und Regenwassernutzung, andererseits. Die Studie verknüpft dabei Prozesse rasanten sozialräumlichen Wandels, wie die Herausbildung von städtischen Enklaven und informellen Siedlungen, sowie peri-urbane Zersiedelung, mit einer Betrachtung der politischen Ökonomie als prägendem Faktor für die Versorgung mit Wasserinfrastrukturen. Lokalisierte sozialräumliche Prozesse, die durch zirkulierende Planungsmodelle
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geprägt werden und diese gleichzeitig prägen, und so ungleiche Geographien der Wasserversorgung Nairobis reproduzieren, sind das übergreifende Thema dieser Arbeit. Dies wird durch umfangreiche empirische Untersuchungen in vier verschiedenen Nachbarschaften belegt, nämlich Eastleigh (ein sich rasant wandelnder innerstädtischer Wohn- und Geschäftsbezirk), Runda (eine wohlhabende Gated Community am Stadtrand), Kayole Soweto (eine sich rasant wandelnde informelle Siedlung) und Ruai (ein peri-urbaner Bezirk). Jede der Fallstudien kennzeichnen unterschiedlichste sozioökonomische und politische Realitäten, die alle der Vision der Stadtbehörden widersprechen, ein integriertes "modernes" einheitliches Infrastruktursystem zu installieren. Insgesamt verdeutlichen die vier empirischen Fälle die Notwendigkeit, von der Ko-existenz, Ko-produktion und Ko-Governance heterogener Infrastrukturkonfigurationen auszugehen, um die Unzulänglichkeiten zentralisierter Infrastruktursysteme in rasant wachsenden Städten des 21. Jahrhunderts zu überkommen.
Wie die vorliegende Dissertation am Beispiel von Nairobi zeigt, sind diese Zusammenhänge und die Vielfalt der Infrastrukturen stark kontextbezogen zu interpretieren. Dieser Kontext ist, wie in vielen Städten des Globalen Südens, durch das Fehlen zentralisierter Dienstleistungen, eine sporadische und lückenhafte Versorgung oder vielfältige, nebeneinander existierende Modalitäten der Wasserversorgung gekennzeichnet. Diese Arbeit zeigt, dass es kein isoliertes Infrastrukturmodell gibt, sondern dass bestimmte Formen der Versorgung immer mit anderen Konfigurationen interagieren. Diese Interaktion kann der Funktionalität sowohl zuträglich als auch hinderlich sein. Es wird weiterhin deutlich, dass städtische Akteure der öffentlichen Verwaltung und des Immobiliensektors, Angehörige internationaler Organisationen, Wohnungsbaugesellschaften, Kleinunternehmer und Haushalte sich vielfältiger sozio-technischer Arrangements zur Deckung ihres täglichen Wasserbedarfs bedienen. Die ständige Koexistenz der heterogenen Wasserversorgungssysteme widersetzt sich daher der einfachen Vorstellung, die moderne Infrastruktur in unterschiedlichen sozialräumliche Zusammenhänge transportieren zu können, indem sie in den vielfältigen Mechanismen der Wasserbereitstellung multiple Modernitäten aufdecken.
Diese Koexistenz und Koproduktion haben im Allgemeinen komplexe Auswirkungen auf die städtische Infrastruktur und städtische Governance. Diese Dissertation fordert politische Entscheidungsträger, internationale Akteure, Entwicklungspartner und staatliche Stellen auf, ihren Fokus auf die vielschichtigen Realitäten zu erweitern, mit denen sie alltäglich konfrontiert sind, weiterhin auf externen und starren Ideologien zu beharren. Diese Ideologien festigen städtische Segregation und Fragmentierung nämlich
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anstatt sie zu verringern. Die Arbeit erdeutlicht insbesondere den Bedarf einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit der Schnittstelle zwischen offiziellen Planungsmodellen und ihren Rationalitäten einerseits, und den zunehmend aktiven bürgerschaftlichen Initiativen in der Wasserversorgung von verschiedenen Akteuren, Agenturen, Institutionen und Gemeinden andererseits. Die Betrachtung dieser Schnittstelle verspricht ein besseres Verständnis davon, welche sozio-technischen Arrangements für eine gerechte Bereitstellung und Verteilung der knappen Wasserressourcen unter den verschiedenen sozioökonomischen Gruppen der städtischen Bevölkerung geeignet sind. | German |