Abstract: |
Lange Zeit war die Frage nach der grauen Energie von Gebäuden nur ein Randthema in der Debatte um deren Nachhaltigkeit. Im Zentrum stand ihre energetische Performance, nicht aber die Frage, wie möglichst sparsam mit der in ihren Bauteilen gebundenen Energie umgegangen werden kann. In den letzten Jahren rückte die Frage nach der grauen Energie von Gebäuden zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses. Hierfür gibt es drei Gründe.
1. Man kann die graue Energie eines Bauwerks mittlerweile relativ gut bemessen und somit auch beurteilen. Hierfür stehen Methoden und Datenbanken zur Verfügung, die selbst ein ungeübter Laie nutzen kann. Graue Energie wird zu einer sichtbaren Größe von Bauwerken.
2. In der Bautechnologie sind wesentliche Fortschritte gemacht worden. Das Verhältnis von operativer zu grauer Energie über den Lebenslauf eines Gebäudes betrachtet hat sich entscheidend verändert.
3. Gemeinsame klimapolitische Anstrengungen in Europa lassen hoffen, dass in Zukunft ein Großteil der Verbrauchsenergie von Gebäuden tatsächlich regenerativ gewonnen werden könnte.
Das ändert den Blick auf Energie. Plötzlich ist Energie nicht mehr gleich Energie. Mit regenerativ gewonnener Energie kann sorgloser umgegangen werden, als mit in Ressourcen gebundener Energie. Ein sorgsamer Umgang mit grauer Energie, erfordert ein Denken in Kreisläufen. In der Produktindustrie Gang und Gebe, ist dies eine durchaus ungewohnte Form, Architektur zu denken. Will man Architektur recyceln, muss man die Lebenszeit eines Bauwerks und damit auch sein Ende planen. So muss Architektur unter der Prämisse des Recycelns immer als Architektur auf Zeit verstanden werden. Will man das Denken in Kreisläufen auf die Architektur übertragen, so steht also das Verhältnis von Zeit und Architektur auf dem Prüfstein.
Den ersten Teil der Arbeit bildet daher ein Exkurs in die Architekturtheorie, der das besondere Verhältnis von Architektur und Zeit skizziert. Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der praktischen Fragestellung, die sich hinter dem Begriff einer kreislaufgerechten Architektur verbirgt. Wie kann die Eigenschaft ‘kreislaufgerecht’ beschrieben und dargestellt werden?
Welche Mittel und Methoden stehen hierfür zur Verfügung und mit welchen Entwurfsstrategien kann ich sie gestalten? Ziel ist es, die Grundlagen einer Lebenszyklusplanung, wie sie Architekten heute zur Verfügung steht zu erläutern. Dies wird exemplarisch am Entwurfsprozess eines konkreten Fallbeispiels untersucht.
Bei der ETA-Fabrik, welche hier als Untersuchungsgegenstand dient, handelt es sich um ein Forschungs- und Demonstrationsobjekt, das an der TU Darmstadt von Maschinenbauingenieuren gemeinsam mit Bauingenieuren und Architekten an der TU Darmstadt entwickelt und errichtet wurde. Das Kürzel ETA steht dabei für Energieeffizienz-, Technologie- und Anwendungszentrum. Eine industrielle Produktionsanlage soll unter Einbeziehung aller Teilsysteme, von den einzelnen Maschinen bis hin zur Gebäudehülle, analysiert und optimiert werden, indem die Synergieeffekte, die durch die Verknüpfung der Energiekreisläufe miteinander entstehen, ausgeschöpft werden. Für die Konzeption des Bauwerks waren zwei Grundüberlegungen ausschlaggebend:
1. Für die Verknüpfung von Gebäude und maschineller Prozesskette sollte eine an ihren Innen-, wie Aussenflächen thermisch-aktive Gebäudehülle entwickelt werden, die in der Lage ist, Wärme aus ihrer unmittelbaren Umgebung aufzunehmen, an ein Speichersystem zu übergeben und gegebenenfalls zu einem anderen Zeitpunkt wieder abzugeben.
2. Vor dem Hintergrund der im Durchschnitt relativ kurzen Standzeiten von Industriebauten, sollten Tragwerk und Hülle als ‘kreislaufgerechte’ Konstruktion entwickelt werden. Dies bedeutete:
eine möglichst homogene Bauweise, sowie ein konsequent modularer Aufbau des Tragwerks.
Entwickelt wurde ein intergratives Tragwerk, das aus großformatigen modularen Elementen aufgebaut ist, so dass sich die Halle schrittweise erweitern bzw. rückbauen lässt.
Der Wandaufbau wurde als eine Art Sandwichkonstruktion aus unterschiedlichen Betonwerkstoffen konzipiert.
In der vorliegenden Untersuchung wird zum einen evaluiert, inwiefern das zur Realisation gekommene Tragwerk der Forschungsfabrik tatsächlich als ‘kreislaufgerecht’ eingestuft werden kann. Zum anderen wird untersucht, welche Rückschlüsse allgemeiner Art für den Entwurf von ‘kreislaufgerechter’ Architektur gezogen werden können. In der Arbeit wird zudem eine graphische Methode entwickelt, wie mittels des Verhältnisses von verbrauchter (grauer) Energie je Zeiteinheit das Verhalten von Tragwerken und Bauwerken im Allgemeinen in ihren Stoff- und Energiekreisläufen dargestellt werden kann. Anhand dieser Methode werden die entwickelten Tragwerksalternativen unter ausgewählten Lebenszyklusszenarien miteinander verglichen und bewertet. |