In der heutigen Zeit sind computergestützte Simulationen ein wichtiges Hilfsmittel
um Materialeigenschaften zu untersuchen. Sie ermöglichen es die Gleichgewichts- und
Nicht-Gleichgewichtseigenschaften von Stoffen auf Basis einer atomistischen Auflösung
zu berechnen, welche mit herkömmlichen experimentellen Techniken nicht ohne weit-
eres realisierbar wäre. Daher werden Computersimulationen weitestgehend verwen-
det um ein besseres Verständnis von chemischen und biochemischen Prozessen auf
atomarer Ebene zu erlangen. Viele experimentelle und computergestützte Methoden
dienen dazu Erkenntnisse über die Stabilität, die Konformationsänderungen und die
Löslichkeitseigenschaften von Proteinen oder Peptiden in wässrigen,ionischen oder os-
molythaltigen Lösungen auf molekularer Ebene zu erlangen. Ziel dieser Arbeit ist es
diese Phänomene mit Hilfe molekulardynamischer Simulationen anhand zweier ther-
modynamischer Prozesse zu erklären: Dem Solvatieren verschiedener Seitenketten von
Aminosäuren und der Ionenpaarung/Ion-Ion Wechselwirkung in Wasser und in der Nähe
hydrophober Oberflächen.
Ein detailliertes Verständnis über die Solvatation der Proteinbausteine, den Aminosäuren,
in Wasser ist zur Erklärung des thermodynamischen Verhaltens von Proteinen und Pep-
tiden sehr nützlich. Die Berechnung der freien Energie durch molekulare Simulationen
ist hierfür ein geeignetes Hilfsmittel. Verschiedene Methoden, die der Berechnung der
freien Energie dienen sind in Kapitel 2 zusammengefasst. Die meisten Studien über das
Verständnis der Solvatationstheromdynamik der Proteine basieren auf der Solvatation
kleiner Moleküle oder Seitenkettenanaloga, welche das Verhalten von Aminosäureseit-
enketten in Proteinen oder Peptiden darstellen sollen. In Wirklichkeit sind diese Seiten-
ketten aber nicht frei in Lösung, sondern vielmehr an das Rückgrat des Peptids gebunden.
Kapitel 3 beinhaltet daher die Berechnung der freien Energie für verschiedene polare und
unpolare Aminosäureseitenketten, die an ein Rückgrat gebunden sind. Dies dient dazu
die Verlässlichkeit der Daten, die auf Basis der Solvatation kleiner Molekül erhalten wur-
den, zur Erklärung von Prozessen wie Proteinfaltung oder Protein-Protein Assoziierung
zu überprüfen. Aus diesen Berechnungen kann geschlussfolgert werden, dass alle un-
polaren Seitenketten signifikant weniger hydrophob sind als es aufgrund dieser Daten
zu erwarten wäre. Skalen, die die Hydrophobizität der Seitenketten ordnen und auf
diesen Daten basieren, werden also durch die erhaltenen Ergebnisse hinterfragt. Um den
Ursprung des Rückgangs der Hydrophobizität zu untersuchen werden in Kapitel 4 die
Solvatationsentropien und Solvatatonsenthalpien polarer und unpolarer Seitenketten in
Kontakt mit dem Peptidrückgrat berechnet. Daraus geht hervor, dass die Solvatationsen-
tropien unpolarer Seitenketten in Anwesenheit des Rückgrates weniger negativ sind als
die der freien unpolaren Seitenketten. Darüber hinaus wird ebenfalls der Anteil der Kav-
itätsbildung und der Anteil der Dispersion an der freien Solvatationsenergie unpolarer
Seitenketten berechnet. Anhand dieser Berechnungen kann herausgefunden werden,
dass die Bildung eines Hohlraums in der Größe einer Seitenkette in der Nähe der Rück-
grates eines Tripeptids im Vergleich zur Bildung eines ähnlich großen Hohlraumes in
purem Wasser entropisch favorisiert wird. Dieser Unterschied in der Entropie bewirkt
eine geringere effektive Hydrophobizität der unpolaren Seitenketten in Anwesenheit des
Rückgrates. Für die polaren Seitenketten ist sowohl die Solvatationsenthalpie als auch
die Solvatationsentropie negativ. Jedoch ist auch hier der Gesamtbeitrag kleiner ver-
glichen mit den Daten, die auf Basis der entsprechenden Seitenkettenanaloga erhalten
wurden. Die beiden Effekte, Entropie und Enthalpie, gleichen sich fast vollständig aus in
ihrem Betrag zur freien Löslichkeitsenergie. Aus diesem Grund wird die freie Energie im
Falle der polaren Seitenketten kaum von der Anwesenheit des Rückgrates beeinflusst.
Wässrige Ionenlösungen spielen in verschiedenen Anwendungsgebieten eine entschei-
dende Rolle. Angefangen bei der Faltung von Proteinen, über kolloidale Stabilität, bis
zum Einfluss auf die Oberflächenspannung von Wasser und dem osmotischen Verhalten.
Ionen spezifisches Ausfällen von Proteinen und die Ionen spezifische Affinität sowohl
an die Luft-Wasser-Grenzfläche zu wandern als auch zu hydrohpoben Grenzflächen sind
wohl bekannt. Die meisten Studien über dieses Verhalten basieren auf einzelnen Io-
nen. Die Charakteristika der Wechselwirkung zwischen zwei Ionen in der Nähe der
beschriebenen Wassergrenzfläche sind dagegen bis dato nicht besonders detailliert un-
tersucht worden. Um mehr Wissen über die spezifischen Wechselwirkungen zwischen
Ionen zu erlangen, wird in Kapitel 5 die Ionenpaarung von Halogenidionen mit K+ , Na+
und Cs+ in reinem Wasser und nahe einer hydrophoben Modelloberfläche, Graphit, un-
tersucht. Aus diesen Berechnungen ist erkennbar, dass kleine Kationen bevorzugt Paare
mit kleinen Anionen in der Nähe hydrophober Oberflächen bilden im Vergleich zu reinem
Wasser. Dieser Effekt wird nicht in diesem Maße zwischen großen Anionen und Kationen
und zwischen kleinen und großen Ionen beobachtet. Aufgrund des höheren Ionen-Ionen
Assoziierungsgrad in der Nähe der hydrophoben Grenzfläche, ist die Art der Paarung
zwischen den Ionen eine durch das Lösungsmittel vermittelte Paarung. Für ein besseres
Verständnis auf molekularer Ebene wird das Profil der freien Energie der Ionenassozi-
ierung in einen entropischen und enthalpischen Teil zerlegt. Daraus geht hervor, dass
der entropische Beitrag zur freien Energie für die Zustände des durch das Lösungsmittel
verbundene Ionenpaar und für das im direkten Kontakt stehende Ionenpaar sowohl in
reinem Wasser als auch in der Nähe einer hydrophoben Oberfläche positiv ist . Ebenfalls
wird die hydrophobe Assoziierung in der Nähe einer Graphitoberfläche untersucht. Hier-
bei wird der direkte Kontakt zwischen Ionen ohne verbindendes Lösungsmittel verstärkt
beobachtet. Dies ermöglicht eine leichtere Ionen-Assoziierung in der Nähe hydrophober
Oberflächen.
Die elektrostatische Wechselwirkung zwischen der Oberflächenladung des Proteins und
der Ionen in Lösung ist ein weiterer wichtiger Aspekt, der zur Stabilität des Proteins
oder Peptids beiträgt. Die negativ geladene Acetatgruppe der Glutamat- und Aspar-
tatseitenkette kann spezifisch Kationen binden, welche zur Ionen spezifischen Protein-
Kation-Wechselwirkung beitragen. In Kapitel 6 werden sowohl die strukturellen Details
als auch die freie Energie, Entropie und Enthalpie der Ionenpaarung zwischen dem Ac-
etation, einer Modellverbindung eines geladenen Teilchens, und den Kationen K+ , Na+
und Li+ unter Anwesenheit eines Proteins oder Peptids diskutiert. Die verschiedenen
Affinitäten von K+ und Na+ zum Acetatanion sind anhand eines Entropie-Enthalpie-
Verstärkungsmechanismus zu erklären. Dieser tritt bei bei der Bildung eines Ionenpaares,
welches durch das Lösungsmittel verbunden wird, auf. Diese Verbindung wird über die
Bildung von Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Wasserstoffatomen des Wassers
und den gegensätzlich geladenen Ionen gebildet. Abschließend ist in Kapitel 7 eine
Schlussfolgerung und ein Ausblick auf zukünftige Forschungsschwerpunkte basierend auf
den Ergebnissen dieser Arbeit gegeben. | German |