Abstract: |
Suchterkrankungen stellen eine häufige Erkrankung in der Bevölkerung dar, welche mit einer Vielzahl körperlicher Folgeschäden einhergehen und mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden sind. Im Zusammenhang mit der Entstehung und Aufrechterhaltung wird immer wieder Stress als ein Hauptfaktor diskutiert. Daher ist es vor allem während einer stationären Rehabilitationsmaßnahme wichtig diesen zu reduzieren, um so eine effektive Rückfallprophylaxe zu gewährleisten. Eine Möglichkeit der Stressreduktion stellen Entspannungstrainings dar. Insbesondere die Effektivität der Progressiven Muskelrelaxation (PMR) ist vielfach belegt. Da jedoch sowohl das Stresserleben als auch das Stressbewältigungsverhalten starken interindividuellen Differenzen unterliegt, scheint es auch im Hinblick auf den Einsatz von Entspannungstrainings sinnvoll zu sein diese Differenzen zu berücksichtigen und so das Therapieangebot zu optimieren. Es wird angenommen, dass insbesondere stressbezogene dispositionelle Merkmale und Verhaltensweisen wie der Einsatz spezifischer Stressbewältigungsstrategien, die Ausprägung auf der Persönlichkeitsdimension Neurotizismus und die habituelle Affektivität des Patienten mit Unterschieden in der psychischen bzw. subjektiven Entspannungsreaktion, in der immunologischen Entspannungsreaktion, gemessen anhand des sekretorischen Immunglobulin A (sIgA) sowie in der physiologischen Entspannungsreaktion, gemessen anhand des Blutdrucks, verbunden sind. Auch wird vermutet, dass situative Merkmale wie die Dauer seit der der Patient abstinent lebt, sowie die Erfahrung mit Entspannungstrainings, aber auch die Motivation zur Teilnahme an einem solchen mit Unterschieden in der Entspannungsreaktion einhergeht.
In der vorliegenden Studie, welche in den Kliniken Wied, einer stationären Rehabilitationseinrichtung zur Behandlung von Suchterkrankungen, stattfand, wurden insgesamt 62 Versuchspersonen während eines vierwöchigen, jeweils 2x pro Woche (8 Messzeitpunkte) stattfindenden Entspannungstrainings (PMR) hinsichtlich ihrer psychobiologische Entspannungsreaktion in Abhängigkeit von o.g. Merkmalen untersucht.
Es konnten keine Unterschiede in der psychobiologischen Entspannungsreaktion hinsichtlich der Therapiedauer und der Erfahrung der Teilnehmer mit Entspannungstrainings festgestellt werden. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass Personen die sehr motiviert waren in Bezug auf die Teilnahme am Training eine größere Zunahme des subjektiven Entspannungsgefühl über die verschiedenen Messzeitpunkte hinweg zeigten, als weniger motivierte Patienten. Unterschiede hinsichtlich des Einsatzes von Negativ-Strategien zur Stressbewältigung konnten nur bei älteren Patienten (46-66 Jahren) festgestellt werden, nicht bei jüngeren (22-45 Jahre). So zeigten ältere Patienten, die häufig Negativ-Strategien zur Stressbewältigung einsetzen tendenziell eine Abnahme der sIgA Konzentration über die verschiedenen Messzeitpunkte hinweg, wohingegen ältere Patienten, die weniger Negativ-Strategien einsetzen tendenziell Zunahmen der sIgA Konzentration verzeichnen können. Im Hinblick auf den Einsatz von Positiv-Strategien der Stressbewältigung konnte lediglich für die explizite Strategie „Entspannung“ zur Stressbewältigung gezeigt werden, dass Patienten die diese Strategie vermehrt anwenden, ein insgesamt größeres subjektives Entspannungsgefühl über die verschiedenen Messzeitpunkte hinweg empfinden. Entgegen der Hypothese zeigte sich, dass Personen, die hohe Neurotizismuswerte aufweisen eine signifikant größere Zunahme im subjektiven Entspannungsgefühl über die verschiedenen Messzeitpunkte hinweg zeigten. Möglicherweise haben diese Patienten mehr von der Gelegenheit Gebrauch gemacht zu lernen sich zu entspannen. Bezüglich der habituellen negativen Affektivität zeigte sich, wie erwartet, dass Personen, die hohe Werte in diesem Bereich aufweisen, signifikant geringere Zunahmen in der sIgA Konzentration über die Messzeitpunkte hinweg aufweisen. Darüber hinaus zeigte sich, dass Personen mit hohen Werten in habitueller negativer Affektivität ab Messzeitpunkt 5 signifikant höhere Blutdruckwerte aufweisen als Personen mit geringen Werten in habitueller negativer Affektivität. Personen mit hohen Werten in habitueller positiver Affektivität zeigten im Vergleich zu Personen mit geringen Werten in habitueller positiver Affektivität über alle Messzeitpunkte hinweg ein signifikant größeres subjektives Entspannungsgefühl. Es konnten keine signifikanten Zusammenhänge zwischen der Veränderung der subjektiven bzw. psychischen Entspannung und der biologischen Entspannung (sIgA und Blutdruck) über die verschiedenen Messzeitpunkte hinweg festgestellt werden.
Die Ergebnisse werden im Hinblick auf die Grenzen der Studie, mögliche Implikationen für die Behandlung von Suchterkrankungen, sowie noch offene Fragen abschließend diskutiert. |
Alternative Abstract: |
Alternative Abstract | Language |
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Addiction to substances is a frequent disease, which is associated with many negative physical, psychological, and social consequences. Stress is discussed as the main factor in the emergence and fixation of addiction. Therefore, it is of utmost importance, to consider and reduce stress during the residential addiction therapy in order to prevent relapses.
Relaxation is one well established instrument to reduce stress. Especially the progressive muscle relaxation (PMR) technique showed evidence of successful stress reduction in many studies. However, due to individual differences in stress perception and stress coping, it is essential to adapt and well direct PMR in therapeutic applications. Personality traits like, for example, negative or positive affectivity, and individually learnt behavioral strategies are assumed to significantly influence relaxation. Biological and psychological indicators of relaxation are used in the present study. Secretory immunoglobulin A (sIgA), systolic, and diastolic blood pressure were measured before and after PMR training sessions. Psychological questionnaires, self-reported relaxation and situational circumstances like time in hospital and prior experience with relaxation techniques were obtained.
62 patients, residential in hospital for addiction treatment, were trained in PMR twice a week over a period of four weeks. Duration of therapy and prior experience with relaxation techniques had no effect, neither on sIgA, nor on systolic or diastolic blood pressure. Highly PMR motivated patients compared to those with lower motivation scores self-reported more increase of relaxation over the eight sampling point (2 per week over 4 weeks). Differences in the use of negative stress coping strategies occurred only in older patients (46-66 years), not in younger people (22-45 years). The older patients, who reported frequent use of negative stress coping strategies, showed a tendency of decreasing sIgA over time, while older patients who revealed less use of negative stress coping strategies revealed a tendency of sIgA increase. Among the self-reported positive stress coping strategies only the item “relaxation” was associated with more PMR success.
Against the a priori hypothesis, high neuroticism scores were associated with significantly more increase of self-reported relaxation over the eight training sessions. Probably, these patients availed themselves more of the opportunity to learn to relax. As expected, patients with high habitually negative affectivity showed less sIgA increases over the four weeks. Moreover, from sampling point 5 on, they showed significantly higher blood pressure values compared to their fellow patients with low negative affectivity habits. High positive affectivity scores on the other hand were associated with significantly more self-reported relaxation at all eight measurement points. Significant correlations of changes in self-reported relaxation and changes in the biosignals sIgA and blood pressure were not found.
The results are discussed with regard to the limitations of the study and possible implications for residential addiction therapy. | English |
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