In unserem Labor wurden funktionelle „Yeast-survival-screens“ zur Identifikation neuer anti-apoptotischer Onkogene durchgeführt. Als Ausgangsmaterial der Identifikation dienten cDNA-Bibliotheken, welche aus Tumorgeweben hergestellt worden waren. Das „far upstream element binding protein 1“ (FUBP1) wurde im Laufe eines solchen Screens als anti-apoptotisches Onkoprotein detektiert.
Zu diesem Zeitpunkt war FUBP1 bereits als transkriptioneller Regulator des c-myc-Onkogens beschrieben. Die Tatsache, dass FUBP1 offensichtlich anti-apoptotische Eigenschaften aufweist, veranlasste uns dazu, immunhistochemische Expressionsanalysen von FUBP1 in verschiedenen Tumorgeweben durchzuführen. Anhand dieser Analyse konnte gezeigt werden, dass 83% (90 / 109) aller untersuchten hepatozellulären Karzinom (HCC)-Proben eine starke nukleäre Färbung für FUBP1 aufwiesen, während das Protein in gesunden Lebergeweben nicht nachzuweisen war. Des Weiteren konnte in in vitro Experimenten gezeigt werden, dass ein stabiler FUBP1 knock-down in der humanen HCC-Zelllinie Hep3B eine deutlich verminderte Proliferation sowie die Sensitivierung der Zellen gegenüber apoptotischer Stimuli zur Folge hatte. In einem anschließenden Maus-Xenograft Transplantations-Experiment führte der stabile FUBP1 knock-down in den verwendeten Hep3B Zellen zu einem deutlich verminderten Tumorwachstum im Vergleich zu den kontrollimplantierten Wildtyp-Zellen. Diese Daten etablierten FUBP1 als wichtiges, im HCC stark überexprimiertes Onkoprotein, welches das Tumorwachstum durch direkte und indirekte Inhibition von Zellzyklusinhibitoren und anti-apoptotischer Zielgene reguliert.
Auf Grundlage dieser Ergebnisse wurde die Hypothese aufgestellt, dass die Inhibition von FUBP1 im hepatozellularem Karzinom zu einem therapeutischen Nutzen für die Patienten führen könnte. Daher war die Identifikation und Validierung neuer FUBP1-inhibierender Substanzen das Ziel dieser Dissertation. Zu diesem Zweck wurde eine rekombinante Expression von FUBP1 in E. coli durchgeführt und das Protein über einen 3-stufigen Prozess aufgereinigt. Um die Funktionalität des rekombinanten Proteins nachzuweisen, wurden Bindungsstudien mit FUBP1 und dessen Ziel-DNA-Sequenz „FUSEp21“ mit Hilfe der sogenannten „surface plasmone resonance (SPR)“ Methode durchgeführt. Der durch dieses Experiment durchgeführte Nachweis einer spezifische Bindung ermöglichte es, das rekombinante Protein, sowie das FUSEp21 Oligonukleotid für weitere Experimente zu verwenden. Das Screening von 16.000 potentiell inhibitorischen Substanzen wurde mit Hilfe des AlphaScreen® Interaktions-Verdrängungsassays durchgeführt. Nach bioinformatischer Evaluation wurden solche Substanzen als „Hit“ bewertet, welche das Interaktionssignal von FUBP1 und FUSEp21 zu mindestens 70% verminderten. Eine der gefunden Hit-Substanzen war Camptothecin (CPT), dessen inhibitorisches Potential in einem zweiten, unabhängigen SPR-Test bestätigt wurde, bevor weitere in vitro-Tests folgten. Die Behandlung unterschiedlicher HCC-Zelllinien (Hep3B, HuH7 und HepG2) mit CPT führte zu einer Sensitivierung gegenüber apoptotischen Stimuli. Besonders die Kombination von Camptothecin mit Mitomycin C bewirkte eine signifikante, synergistische Steigerung der Apoptoserate in Hep3B Zellen. Des Weiteren wurde eine reduzierte Zellexpansion sowie eine verminderte mitochondriale Aktivität in CPT-behandelten Hep3B Zellen nachgewiesen. Zudem hatte die Behandlung mit CPT in allen drei untersuchten HCC-Zelllinien eine signifikante Steigerung des p21-mRNA Levels zur Folge, welches ein bekanntes Zielgen von FUBP1 darstellt und dessen Expression von FUBP1 inhibiert wird.
Diese Daten legen nahe, dass CPT zusätzlich zu seinem bekannten anti-Tumor Wirkungsmechanismus, der Topoisomerase I Inhibition, auch mit der FUBP1 Funktion in HCC Zellen interferieren könnte. Um diesen Verdacht zu erhärten, wurden weitere Topoisomerase-I-Inhibitoren wie NSC 725776, NSC 724998 und das Camptothecinderivat 7-Ethyl-10-Hydroxycamptothecin auf eine mögliche FUBP1-Inhibition hin untersucht. Durch SPR-Messungen konnte gezeigt werden, dass alle getesteten Topoisomerase-I-Inhibitoren auch die Bindung von FUBP1 an FUSEp21 inhibieren können. Des Weiteren zeigt die Behandlung verschiedener HCC Zelllinien die gleichen Effekte, die auch durch die Behandlung mit Camptothecin sichtbar wurden.
Insgesamt zeigen die in vitro-Experimente mit der FUBP1-Inhibition nicht nur eine bisher unbekannte Funktion der untersuchten Topoisomeraseinhibitoren, sondern auch deren pro-apoptotische Wirkung in verschiedenen HCC-Zelllinien nach Kombination mit unterschiedlichen Chemotherapeutika wie Mitomycin C.
Um die Wirkung von CPT auf einen etablierten Xenograft-Tumor untersuchen zu können der nach subkutaner Injektion einer humanen HCC-Zelllinie entstand, wurden Maus-Xenograft-Transplantations-Experimente mit dem CPT-Derivat Irinotecan durchgeführt. Alle mit Irinotecan und Irinotecan plus Mitomycin C behandelten Tiere zeigten eine 100%-ige Tumorremission.
Zusammenfassend unterstützen die Daten, die während dieser Dissertation erhoben wurden, die Annahme dass FUBP1 ein geeignetes Ziel in der HCC- Therapie darstellt. Des Weiteren konnte durch unterschiedliche zelluläre Experimente eine neue potentielle HCC-Therapie entwickelt werden, die im in vivo Mausmodell zu einer 100%-igen Tumorremission führte.
Als Weiterführung dieses Projektes wurde eine investigative Pilotstudie in zwei Patienten mit intermedian klassifiziertem HCC gestartet, die über eine transarterielle Chemoembolisation mit einer Kombination aus CPT und Mitomycin C behandelt werde
| German |