Cellulose ist das häufigste natürliche Polymer. Die Bedeutung von Cellulose resultiert nicht nur aus den hervorragenden physikalischen Eigenschaften der Cellulose selbst, sondern auch aus der Tatsache, dass Cellulose zu Cellulosederivaten mit interessanten Eigenschaften umgewandelt werden kann. Cellulosederivate sind komplexe Copolymere, die zumindest in bezüglich der Molmasse und der chemischer Zusammensetzung heterogen sind. Diese Heterogenität wirkt sich kritisch auf viele der Eigenschaften aus, wie beispielweise die Haftfestigkeit, Löslichkeit, Viskoelastizität, Transparenz und die Fähigkeit der kontrollierten Wirkstofffreisetzung aus hydrophilen Tabletten. Deshalb ist die Untersuchung der Heterogenität von Cellulosederivaten von großer Bedeutung.
Trotz der großen Anzahl von Anwendungen umfassen die heutige Charakterisierungsstrategien für Cellulosederivate hauptsächlich die Charakterisierung der mittleren Molmassen und Molmassenverteilungen, des mittleren Substitutionsgrades (DS) und die Verteilung der Substituenten in den einzelnen Anhydroglucoseeinheiten (AGU), d.h. die partiell Substitutionsgrade in den Positionen O-2, O-3 und O-6.
Die Größenausschlusschromatographie (SEC) wird dabei zur Charakterisierung von Molmassen und deren Verteilung eingesetzt. NMR-Techniken werden verwendet, um die mittlere Substitutionsgrade und die Verteilung der Substituenten in den AGUs zu ermitteln.
Jedoch ist die Eignung von Cellulosederivaten für eine bestimmte Anwendung stark abhängig von der Verteilung der Substituenten zwischen den Polymerketten (Heterogenität der ersten Ordnung) und entlang der Polymerketten (Heterogenität der zweiten Ordnung). Um Informationen zur Verteilung der Monomerbausteine zu erlangen werden Cellulodederivate oftmals (partiell) durch Verwendung von Säuren oder Enzymen abgebaut. Hieraus resultieren Mischungen von Monomeren und/oder Oligomeren in unterschiedlichen Zusammensetzungen. Die resultierenden Produkte werden getrennt und anschließend detailliert bezüglich der Zusammensetzung und der Substituentenverteilung auf die Oligomere charakterisiert, wobei verschiedene analytische Techniken, wie SEC, Anionenaustauscherchromatographie (AEC), Gas-Flüssigkeitschromatographie (GLC) und Massenspektrometrie (MS) allein oder in Kombination, eingesetzt werden. Hierdurch erhält man Informationen zur Verteilung der verschieden substituierten AGUs entlang der Polymerkette (Heterogenität der zweiten Ordnung).
Durch den vollständigen oder partiellen Abbau gehen jedoch die Information darüber verloren, ob die unterschiedlichen monomeren oder oligomeren Einheiten aus der gleichen oder aus unterschiedlichen Ketten stammen. Die Charakterisierung der chemischen Heterogenität von Cellulosederivaten auf der Ebene intakter Polymerketten ist auch heute noch immer eine hochgradig herausfordernde Aufgabe.
Die Gradienten-HPLC stellt ein leistungsfähiges Verfahren Tool zur Trennung von (Co)Polymeren nach der chemischen Zusammensetzung dar. Derartige Trennungen erlauben die Berechnung der chemischen Zusammensetzung Verteilung (CCD) der Copolymeren. Jedoch sind bislang Informationen zur Trennung von Cellulosederivaten, besonderes von Celluloseacetat (CA), nach dem Substitutionsgrad in der Literatur nur sehr begrenzt verfügbar.
Die vorliegende Arbeit befasste sich daher hauptsächlich mit der Anwendbarkeit der Flüssigchromatographie zur Charakterisierung der molekularen Heterogenität von CAs.
Hierbei konnten die folgenden wesentlichen Ergebnisse erhalten werden:
1. Bei der Synthese der CA Proben, wurde gezeigt, dass die alkalische partielle Verseifung einer CA mit hohem Substitutionsgrad ein geeignetes Verfahren zur Herstellung von CAs mit unterschiedlicher mittlerer Substitutionsgraden ohne Veränderung der Polymerisationsgrad darstellt. Der Vergleich der berechneten theoretischen Substitutionsgrade mit den durch 1H-NMR bestimmten zeigte, dass die Deacetylierungsreaktion kann durch die Menge an Natriumhydroxid kontrolliert werden.
2. Die FTIR/ATR konnte verwendet werden, um auch mit sehr geringen Probenmengen die Substitutionsgrade zu bestimmen. Hierdurch war es möglich, auch chromatographische Fraktionen bezüglich ihrer Substitutionsgarde zu charakterisieren.
3. Durch Löslichkeitstests wurden Dimethylsulfoxid (DMSO) und Dimethylacetamid (DMAc)/Lithiumchlorid (LiCl) als geeignete Lösungsmittel identifiziert um CA Proben im Bereich DS = 1,5-2,9 unabhängig von ihrem Substitutionsgrad zu lösen. Daher wurden diese beiden Lösungsmittel für chromatographische Experimente verwertet.
4. Es wurde eine SEC-Methode zur Charakterisierung der Molmassen und Molmassenverteilungen von CAs im Bereich DS = 1,5-2,9 entwickelt. Durch SEC mit Vielwinkel Lichtstreudetektion (MALLS) konnte gezeigt werden, dass in reinem DMSO und reinem DMAc Aggregate vorliegen, die durch den Zusatz von LiCl komplett unterdrückt werden können. Für die SEC-Untersuchungen wurde DMAc gegenüber DMSO bevorzugt, weil das spezifischen Brechungsindexinkrement (dn/dc) für CA in DMAc signifikant höher war als in DMSO. Proben unterschiedlicher Substitutionsgrade, die jedoch auf dem gleichen Ausgangsmaterial basierten zeigten nahezu identische Elutionsprofile und Kalibrierkurven. Dies deutet darauf hin, dass Variationen des Substitutionsgrades in den Bereich von 1,5 bis 2,9 nicht merklich das hydrodynamische Volumen verändern. Demzufolge können in diesem DS-Bereich alle Proben unabhängig vom Substitutionsgrad mittels der gleichen Kalibrierkurve ausgewertet werden. Die Vergleichbarkeit der durch Lichtstreuung erhaltenen mit den PMMA äquivalenten Molmassen zeigte, dass letztere die wahren Werten deutlich überschätzen. Deshalb wurden Korrekturfaktoren ermittelt, die innerhalb des DS-Bereiches DS = 1,5-2,9 und unabhängig vom vorliegenden DS die Bestimmung der korrekten Molmassen basierend auf einer PMMA Kalibrierkurve ermöglichen.
5. Es konnte weiterhin eine Gradienten HPLC Methode erarbeitet werden, die es erlaubt CAs im Bereich DS = 1,5-2,9 nach dem Substitutionsgrad zu trennen. Durch Kopplung der Flüssigkeitschromatographie mit der Infrarotspektroskopie konnte gezeigt werden, dass mit der Gradientenmethode nicht nur Proben, die sich in ihrer mittleren DS Werten deutlich unterscheiden, getrennt werden können, sondern dass auch innerhalb einer einzigen Probe eine Trennung nach Substitutionsgrad erfolgt. Die erarbeitete Gradientenmethode ermöglicht somit zum ersten Mal, um die experimentelle Bestimmung der Heterogenität der ersten Ordnung von intakten CAs, unabhängig von Substitutionsgrad.
6. Nachdem Trennmethoden nach Substitutionsgrad und Molmasse erarbeitet waren, konnten die Korrelationen zwischen Substitutionsgrad und Molmasse untersucht werden. Um dies zu tun, werden zweidimensionale Trennungen durchgeführt. Zuerst wurde eine chromatographische Trennung nach Substitutionsgrad unter Verwendung der neu entwickelten Gradienetenmethode durchgeführt. Die so erhaltenen Fraktionen, von denen angenommen wurde, dass sie bezüglich der Zusammensetzung homogen sind, wurden anschließend durch SEC getrennt. Diese neu entwickelte 2D-LC-Methode erlaubte neue Einblicke in die Heterogenität von CAs. | German |