Das International X-ray Observatory (IXO) war ein von der ESA, NASA und JAXA geplantes, satellitenge- stütztes Röntgenteleskop und der designierte Nachfolger der erfolgreichen XMM Newton und Chandra Missionen. Ziel war es räumlich, zeitlich und spektral hochaufgelöste Observationen im Energiebereich von 0.1 keV – 40 keV mit hoher Sensitivität durchzuführen. Infolge des durch Budgetkürzungen beding- ten Rückzugs der NASA im Jahr 2010 entschied sich die ESA ein kleineres, rein Europäisches Projekt in Form eine L-Klasse Mission weiterzuführen: A Telescope for High ENergy Astrophysics (ATHENA).
Beiden Missionen gemein ist der Wide Field Imager (WFI), ein DePFET basierter Halbleiter- detektor, welcher räumlich hochauflösende (≤ 10arcsec) bildgebende Observationen mit modera- te spektroskopischer (∆E ≈ 70eV@1keV) und hoher Zeitauflösung (< 20μs) im Energiebereich von 0.1 keV – 15 keV ermöglichen würde. Die geplante hohe Sensitivität von ≈ 10−17 erg cm−2 s−1 für eine Beobachtungszeit von 100ks setzt einen maximalen teilcheninduzierten Hintergrund von ≈ 10−4 cts keV−1 cm−2 s−1 – 10−3 cts keV−1 cm−2 s−1 voraus. Eine solche Hintergrundrate ist für den ge- planten Orbit am zweiten Lagrange Punkt des Erde-Sonne Systems nur mit einem optimierten Abschir- mungskonzept und effizienten Hintergrund-Reduktionsalgorithmen als Teil der Datenprozessierung er- reichbar. Die Erforschung und Charakterisierung solcher Reduktionsmöglichkeiten mit Hilfe von Geant4 Monte-Carlo Simulationen ist das Kern-Thema dieser Arbeit.
Nach einer kurzen Einleitung in die Röntgenastronomie und die IXO/ATHENA Missionsparameter wird ein Überblick über das Geant4 Monte-Carlo Tool-kit und die Anforderungen an die Simulationsumgebung gegeben. Im Zuge dessen wird festgestellt, dass die in Geant4 enthaltenen Möglichkeiten zur Simulati- on von radioaktiven Zerfällen und Langzeitaktivierung für die Domäne der Röntgenastronomie nicht ausreichend sind. Basierend auf einer Analyse der experimentellen Anforderungen und vorhandener Zerfallssimulationen wurde im Rahmen dieser Arbeit deshalb ein neuer radioaktiver Zerfallscode für Geant4 entwickelt. Diese neue Software ist genauer als der existierende Geant4 Zerfallscode, was mit weitreichenden Verfikationstests und einer selbst-konsistenten Validierung mittels Germaniumdetektor- messungen überprüft wurde. Im speziellen wurde hierzu ein neuartiges, an die experimentelle Wirk- lichkeit angelehntes, statistisches Sampling-Verfahren entwickelt, welches die Intensitätsabweichungen von zerfallsbedingter Rönten- und Gammastrahlung um bis zu 50% reduziert. Gleichzeitig werden für die Simulation einzelner Zefälle Geschwindigkeitssteigerungen von 50% und für die Simulation von Zerfallsketten Steigerungen von bis zu 400% erreicht. Dieser neue Code und die zugehörige Langzeitak- tivierungssimulation wurden in die IXO/ATHENA Simulationsumgebung integriert. Diese Simulations- umgebung, deren Genauigkeit sowohl mit XMM Newton Hintergrundmessungen, als auch mit Space Shuttle STS-53 CREAM Langzeitaktivierungsdaten überprüft wurde, ermöglicht eine genaue Charakteri- sierung des IXO/ATHENA Hintergrundes. Basierend auf diesen Studien wurde eine optimierte Graded-Z Abschirmung entwickelt, welche effizient Fluoreszenzstrahlung unterdrückt. Eine weitere Reduktion des Hintergrundes um > 99% auf (6.42 ± 2.03) × 10−4 cts keV−1 cm−2 s−1 wird durch die im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Mustererkennungsalgorithmen erreicht. Mit Hilfe eines elektrischen Feldes, welches Sekundärelektronen, die stärkste Hintergrundkomponente, zu Energien außerhalb des Detektionsberei- ches beschleunigt, kann diese Rate zusätzlich um ≈ 50% auf (2.70 ± 2.67) × 10−4 cts keV−1 cm−2 s−1 gesenkt werden. Zu beiden Hintergrundraten muss noch der durch Langzeitaktivierung verursachte ver- zögerte Hintergrund hinzu gezählt werden. Dieser wurde zu (0.21 ± 0.05) × 10−4 cts keV−1 cm−2 s−1 , nach einer Missionsdauer von 10 Jahren, abgeschätzt. Die Hintergrundvorhersagen sind somit innerhalb der IXO/ATHENA Toleranzgrenze.
Allgemeinen gilt, dass die im Rahmen dieser Arbeit vorgestellte Hintergrundabschätzung und Op- timierung für viele Siliziumpixeldetektor-basierte Anwendungen nützlich sein wird. Von der ebenfalls erfolgten Geant4 Softwareentwicklung dürfte eine noch größere Gruppe von Experimenten profitie- ren. Sie umfasst Anwendungsmöglichkeiten auf den Gebieten der Niederhintergrund-Detektoren, der Materialforschung, der Reaktor- und Fusionsforschung, des Strahlenschutzes sowie der nuklearen Über- wachung. | German |