Abstract: |
Die Wechselwirkung schwerer Ionen mit Plasmen bildet einen der zentralen Forschungsschwerpunkte
der Arbeitsgruppe Laser- und Plasmaphysik der TU Darmstadt, die ihre Experimente am GSI Helmholtz-
Zentrum für Schwerionenforschung GmbH durchführt. Diese Experimente werden zum einen durch
grundlegende atomphysikalische Fragestellungen motiviert, zum anderen durch die schwerioneninduzierte
Trägheitsfusion. Dem zweiten Punkt folgend bietet die Erzeugung von Plasmen durch Laser den
Vorteil, dass mit ihnen sowohl hohe Dichten als auch hohe Temperaturen erzeugt werden können.
Die in dieser Arbeit erzeugten Plasmen werden mit Hilfe der direkten Bestrahlung einer dünnen Kohlenstofffolie
von 0,5 µm Dicke durch die beiden Hochenergielasersysteme Phelix und nhelix erzeugt.
Mit diesem Verfahren werden Plasmatemperaturen von T=140-200 eV erreicht, gleichzeitig beträgt die
Dichte des Targets bis zu drei Promille der Festkörperdichte. Dies hat zur Folge, dass die erzeugten Kohlenstoffplasmen
bereits nach 7 ns in vollionisiertem Zustand vorliegen. Der experimentelle Aufbau wurde
von der einseitigen Bestrahlung des Targets mit einem Hochenergielasersystem bei der Laserwellenlänge
von 1,064µm zu einer gleichzeitigen Heizung des Targets von beiden Seiten mit Hilfe von Phelix
und nhelix bei der doppelten Laserfrequenz modifizert. Diese Änderung führt dazu, wie anhand von
2D-Hydrodynamiksimulationen gezeigt wird, dass aufgrund des Anstiegs der kritischen Dichte der Anteil
der durch Strahlung transportierten Wärme um einen Faktor drei ansteigt. Das hat eine globale Heizung
des Targets zur Folge und reduziert den Einfluss von Inhomogenitäten im Laserfokusprofil auf den Plasmabildungsprozess
deutlich. Diese Inhomogenitäten haben, wie im Rahmen der vorliegendem Arbeit
gezeigt wird, einen signifikanten Einfluss auf die Qualität der Daten der Vermessung von Energieverlust
und Umladung. Während der Laser-Plasma-Wechselwirkung bei Bestrahlung des Targets mit der Grundwellenlänge
der Heizlaser wurde dort in vorangegangenen Experimenten ein zu Beginn dieser Arbeit
physikalisch nicht verstandener Rückgang des Energieverlustes beobachtet. Mit dem neuen Versuchsaufbau
konnte der Einfluss der Hydrodynamik des Targets auf die Energieverlust- und Ladungszustandsmessungen
jedoch deutlich reduziert werden. Diese wirkt sich nur noch während der ersten 4 ns der Laser-
Plasma-Wechselwirkung aus. Vorher war dies für die ersten 12 ns der Fall. Die Expansionseigenschaften
des Plasmas konnten mit Hilfe eines neu-designten Multi-Frame-Interferometers charakterisiert werden.
Dieses Interferometer erlaubt die Aufnahme von vier zweidimensionalen Elektronendichteverteilungen
des Plasmas während einer Laser-Plasma-Wechselwirkung. Der zeitliche Abstand der Bilder untereinander
beträgt dabei 2 ns. Dessen Ergebnisse wurden zur Optimierung von 2D-Hydrodynamiksimulationen
genutzt. Diese sind notwendig, um sämtliche Plasmaparameter des Targets bestimmen zu können. Die
Unterschiede in dem der Diagnostik zugänglichen Dichtebereich und den Simulationsrechnungen sind
meist geringer als 20.
Die Entwicklung eines auf polykristallinem Diamant basierenden Ladungsspektrometers erlaubt in dem
durchgeführten Flugzeitexperiment sowohl die gleichzeitige Vermessung des Energieverlustes des Ionenstrahls
im Plasma als auch seiner Ladungsverteilung nach Austritt aus dem Plasma. Es ermöglicht
weiterhin die Bestimmung der Ladungsverteilung mit einer Genauigkeit von 6% pro Ladungszustand.
In der genannten Konfiguration wurde für die Ladungsverteilung von Argonionen im Plasma ein Anstieg
der hohen Ladungszustände bei gleichzeitiger Reduktion der Anteile niedriger Ladungszustände im Vergleich
zum Festkörper gemessen. Im Vergleich zur kalten Folie steigt der mittlere Ladungszustand von
15,8 +- 0,1 auf 16,2 +- 0, 1. In Relation zu einem kalten Gas mit 15,1 ist dieser damit
deutlich erhöht. Für den Energieverlust wird im direkten Vergleich zum Festkörper eine Erhöhung von
bis zu 53% +- 4% im Plasma gemessen. Mit Hilfe dieser Diagnostik wurde eine Energieauflösung von
\Delta E/E = 6 * 10^{-4} erreicht. Die oben erwähnte systematische Verbesserung des Experimentaufbaus im Rahmen
dieser Arbeit erlaubte erstmals die Vermessung des Energieverlustes von schweren Ionen in einem
lasererzeugten Kohlenstoffplasma ohne den bereits erwähnten Rückgang des Energieverlustes zu Beginn
der Laser-Plasma-Wechselwirkung unter den Energieverlust des Festkörpers.
Des Weiteren wird im Rahmen dieser Arbeit eine mikroskopische theoretische Beschreibung sowohl der
Ladungsverteilung als auch des Energieverlustes entwickelt. Die Berechnung der Ladungsverteilung
schwerer Ionen im Plasma basiert auf den Berechnungsroutinen für die verschiedenen Ionisations-,
Anregungs- und Rekombinationsprozesse des Codes ETACHA. Diese Berechnungsroutinen werden im
Rahmen dieser Arbeit für den Fall von teil- und vollionisierten Kohlenstoffplasmen erweitert. Weiterhin
werden die relevanten Wirkungsquerschnitte für die Wechselwirkung mit freien Elektronen hinzugefügt.
Die Berechnung der sich einstellenden Ladungsverteilungen erfolgt mit Hilfe eines Monte-Carlo-
Ansatzes. Im Plasma sinkt der Wirkungsquerschnitt für die direkte Rekombination, wohingegen der
Wirkungsquerschnitt für die direkte Ionisation leicht ansteigt. Die alleinige Betrachtung dieserWirkungsquerschnitte
ist jedoch nicht ausreichend. Da die theoretische Beschreibung sowohl die verschiedenen
Schalen des Projektils als auch des Targets berücksichtigt, ist auch das Studium der Auswirkungen gekoppelter
Effekte auf die sich einstellenden Ladungsverteilungen möglich. So wird im Rahmen dieser
Arbeit gezeigt, dass im Fall des betrachteten Laserplasmas trotz des Anstiegs der Wirkungsquerschnitte
für die direkte Ionisation aufgrund der Expansionseigenschaften des Targets die Ionisation über eine
zuerst erfolgende Anregung stark gebundener Elektronen und anschließender Ionisation weitestgehend
verschwindet. Dies hat eine Reduktion der Ionisationswahrscheinlichkeit des Projektils um einen Faktor
zwei im Vergleich zum Festkörper zur Folge. Weiterhin ist aufgrund der geringeren Dichte des Plasmas
im Vergleich zum Festkörper auch ein deutlicher Anstieg der Rekombinationswahrscheinlichkeiten aufgrund
des effektiven Einfangs in höherenergetischere Schalen und anschließendem Zerfall des Niveaus
in den Grundzustand zu verzeichnen. Erst ab Temperaturen von ca. 80 eV im Kohlenstoffplasma sinkt die
sich tatsächlich einstellende Rekombinationsrate unter das Niveau des Festkörpers und die Veränderung
der Wirkungsquerschnitte für die direkten Ionisations- und Rekombinationsprozesse bestimmen die sich
einstellende Ladungsverteilung.
Die theoretische Beschreibung der Ladungsverteilung wird anschließend mit dem differentiellen Energieverlust
im Plasma verknüpft. Eine modifizierte Version des CasP-Codes erlaubt die Berechnung des
Energieübertrags sowohl an gebunde Elektronen eines Ions als auch an ein freies Elektronengas. Beide
Fälle werden im Rahmen eines Oszillatormodells beschrieben. Dabei wird sowohl die Abschirmung des
Projektils für jeden sich einstellenden Ladungszustand durch gebundene Elektronen berücksichtigt als
auch die Stoßparameterabhängigkeit des Energieverlustes. Es ist an keiner Stelle die Einführung einer
nichtphysikalischen effektiven Ladung des Projektils notwendig. Die Verknüpfung mit dem tatsächlichen
Ladungszustand des Ions erlaubt die mikroskopische Berechnung des Energieverlustes für jedes Teilchen
an jeder Stelle in jedem Zustand im Target. Im Fall der im Experiment erzeugten Laserplasmen sagt die
Theorie einen maximalen Anstieg des differentiellen Energieverlustes um einen Faktor zwei im Vergleich
zum Festkörper voraus. Im Vergleich zu einem kalten Gas mit gleichen Parametern verursacht dabei der
Anstieg des Ladungszustandes des Projektils im Target eine Erhöhung des Energieverlustes von etwa
12%. Der effektivere Energieübertrag an freie Elektronen aufgrund der geringeren Anregungsenergie
des entsprechenden Oszillators macht mit 88% den sehr viel größeren Anteil aus.
Der Vergleich zwischen den theoretisch berechneten Werten und den experimentellen Daten ergibt
im Fall der Ladungsverteilungen eine gute, im Fall des Energieverlustes eine hervorragende Übereinstimmung.
Im zweiten Fall beträgt die Standardabweichung zwischen experimentellen und theoretisch
berechneten Werten im Plasma 0,2MeV, was je nach eingenommenem Energieverlustwert zwischen
sechs und zehn Prozent Abweichung bedeutet. Dies entspricht den Fehlerbalken des Experiments.
Demzufolge liefert die vorliegende Arbeit sehr präzise experimentelle Daten über den Energieverlust von
Argonionen bei einer Energie von 4MeV/u in einem heißen Kohlenstoffplasma und bietet gleichzeitig
eine mikroskopische theoretische Beschreibung der dem Experiment zugrunde liegenden physikalischen
Prozesse. |
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The interaction of heavy ions with plasmas is one of the main fields of research of the laser and plasma
physics group at TU Darmstadt. The experiments are conducted at the GSI Helmholtz-Zentrum für
Schwerionenforschung GmbH. They are motivated by fundamental problems of atomic physics and heavy
ion fusion. Concerning the second application, the generation of plasmas with high energy laser
systems allows to produce high densities and high temperatures and the target is probed by the heavy
ion beam to study the interaction.
In this thesis, the plasma is created by directly irradiating a thin carbon foil from two sides with the laser
systems nhelix and Phelix. This setup allows to produce plasma temperatures of 140-200 eV while the
ion density of the target is still up to 3 per mill of the solid density. Hence the target is transformed into a
fully ionized state within 7 ns. The former setup in which the target was heated by only one of the two
laser systems from one side at 1.064/1.053 µm was modified to a two-sided irradiation using
both laser systems with frequency-doubled heating pulses. Consequently the critical density is increased
which leads to a larger energy transfer of laser energy into radiation. As shown with 2D hydrodynamic
simulations the contribution of radiation to the whole heating process is increased by a factor of three.
Hence the target is heated more volumetrically which significantly decreases the impact of inhomogeneities
in the laser focus profile on the plasma formation process. With the former setup these laser-induced
inhomogeneities had a strong influence on the quality of the experimental data for the energy loss in
earlier campaigns. This effect was not understood at the time of the beginning of this thesis. With the
new setup the influence both in amplitude as well as in time is reduced from 12 ns to 4 ns. The expansion
of the plasma is characterized by a re-designed multi-frame interferometer which allows to record four
images of the electron density distribution, each separated by 2 ns, during one laser-plasma interaction.
The results are used to optimize 2D hydrodynamic simulations which are utilized to obtain all plasma
parameters needed. The differences between the values of the diagnostics and of the simulations are
within 20%.
The development of a heavy ion charge state spectrometer based on polycrystalline diamond allows the
recording of both the heavy ion beam’s energy loss and its charge state distribution after having penetrated
the plasma. A precision of 6% per charge state is achieved in the experiments. Using the experimental
setup described above, an increase of the mean charge state for argon ions to 16.2 +- 0.1 compared
to the solid state with 15.8 +- 0.1 is recorded. This means a significant increase in relation to the
gaseous state with 15.1. For the energy loss measurements an energy resolution of the ion beam
of \Delta E/E = 6*10^{-4} is achieved. In direct comparison to the solid state at the beginning of the experiment an
increase of the energy loss of up to 53% +- 4% is measured. For the first time no decrease of the energy
loss below the solid state level at the beginning of the laser-plasma interaction is observed due to the
systematic improvement of the experimental setup.
In addition, this thesis presents a microscopic theoretical description of both the evolution of the charge
state distribution and the energy loss. The determination of the charge state distribution is based on
the calculation routines of the code ETACHA describing the different processes for ionization, excitation
and recombination. These routines are extended in this thesis to describe the case of partially and fully
ionized carbon plasmas. Furthermore, the relevant cross sections for collisions with free electrons are
added to the code. The resulting charge state distributions are calculated using a Monte-Carlo approach.
In the plasma the cross sections for direct recombination are decreased while the cross sections for direct
ionization are increased. However, considering only these direct dependencies is not sufficient. The
theoretical description takes the different shells of both the projectile and the target into account. This
allows to study the influence of coupled processes on the resulting charge state distribution. In the case
of the laser-plasmas generated in this thesis, the cross sections for direct ionization increase but the probability
for the channel of an initial excitation of a strongly bound electron into a more weakly bound
state and a subsequent ionization diminishes. This leads to a decrease of the ionization probability of a
factor of two compared to the solid state. In addition, a much higher probability for recombination in the
plasma is calculated. Due to the lower density the recombination into more weakly bound states with
a following decay into the ground state is much more pronounced. Only for temperatures higher than
80 eV in the carbon plasma the effective recombination rate decreases below the level of the solid state
and the changes in the direct ionization and recombination govern the evolution of the resulting charge
state distribution.
The theoretical description of the charge state distribution is subsequently connected to the stopping
power in the plasma. A modified version of the CasP code allows the calculation of the energy-transfer
to both bound and free electrons. Both cases are described by assuming harmonic oscillators. The screening
of the projectile by bound electrons is included for every charge state of the heavy ion as well as
the impact-parameter dependence of the energy loss. Within this method no unphysical effective charge
description is used at any point. The use of the real charge state of the heavy ion allows the microscopic
description of the stopping power at every point in the target. In the plasma generated in the experiment,
the theory predicts an increase of up to a factor of two compared to the solid state. In comparison to
a cold gas with the same parameters the higher mean charge state leads to an increase of the stopping
power of 12%. The more efficient energy-transfer to free electrons due to the lower excitation energy of
the corresponding oscillator leads to an increase of 88% and is hence much more important in this case.
With regard to the charge state distribution, the comparison between the theoretical values and the
experimental data leads to a good agreement, in case of the energy loss the agreement is excellent.
In the second case, the standard deviation between experimental and theoretical data in the plasma
is 0.2MeV which corresponds to a deviation of 6-10% depending on the absolute value of
the energy loss. This means the deviations are of the same size as the error bars in the experiment.
In conlusion, this thesis presents very precise experimental data on the energy loss of argon ions in a
hot carbon plasma as well as a theoretical description of the experiment and its underlying physical
processes. | English |
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