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Degradationsmechanismen in ferroelektrischen Massivkeramiken

Glaum, Julia (2011)
Degradationsmechanismen in ferroelektrischen Massivkeramiken.
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Item Type: Book
Type of entry: Primary publication
Title: Degradationsmechanismen in ferroelektrischen Massivkeramiken
Language: German
Date: 15 October 2011
Place of Publication: Gießen
Publisher: Laufersweiler
Series: Edition scientifique
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Abstract:

Ferroelektrische Keramiken haben während der letzten Jahrzehnte in den verschiedensten industriellen und alltäglichen Anwendungen Einzug gehalten. Abhängig von der Art der Anwendung müssen sie auch unter extremen Bedingungen, wie z.B. bei hohen Temperaturen oder unter Ansteuerung durch hohe elektrische Felder, verlässlich und langzeitstabil funktionieren. Kenntnisse über die Degradationsmechanismen in Abhängigkeit von verschiedenen Umgebungsparametern sind somit unerlässlich In dieser Arbeit wurden daher die Degradationsmechanismen in ferroelektrischen Massivkeramiken unter verschiedenen Belastungsszenarien untersucht. Die zurzeit industriell am meisten verwendete ferroelektrische Keramik ist Blei-Zirkonat-Titanat (PZT). Seit einigen Jahren gibt es allerdings auch Bestrebungen, Ferroelektrika, die ohne die umweltschädlichen Bestandteile Blei und Bleioxid auskommen, als Ersatz für PZT zu finden. Daher finden sich in dieser Arbeit vornehmlich Untersuchungen an PZT-Keramiken, aber es sind auch erste Ergebnisse von Ermüdungsuntersuchungen an Bismut-Natrium-Titanat – Barium-Titanat- Keramiken (BNT-BT) mit eingeflossen. Ziel der Arbeit war es, einen umfassenden Überblick über die egradationsmechanismen „Alterung“ und „Ermüdung“ zu geben und deren Ursachen zu erläutern. In der Literatur wird die bipolare Ermüdung durch Agglomeration von Ladungsträgern an geladenen Domänenwänden erklärt. Man geht hierbei vornehmlich von Sauerstoffleerstellen aus, da diese als Hauptladungsträgerart in PZT gelten. In dieser Arbeit wurden daher insbesondere die Auswirkungen der Zyklierung auf die reversiblen und irreversiblen Domänenwandprozesse untersucht. Hierzu wurde ein neues Verfahren entwickelt, das es durch Messung von Polarisation und Permittivität ermöglicht, beide Beiträge der Domänenwandbewegungen zu unterscheiden. Für diese Experimente wurden kommerzielle PZT-Proben verwendet. Es zeigte sich, dass insbesondere die irreversiblen Prozesse durch die bipolare Zyklierung gehemmt werden. Imermüdeten Zustand verbreitert sich der Bereich, in dem die meisten irreversiblen Prozesse stattfinden, zu höheren elektrischen Feldern. Auch die Umorientierung der Domänen während der Reduktion des externen Feldes vom Maximalfeld aus, findet nur verzögert statt. Reversible Prozesse wie z.B. Domänenwandvibrationen werden generell verringert, aber die Zyklierung führt nicht zu einer Verteilung der Prozesse über einen größeren Feldbereich. All diese Charakteristika lassen sich auf die sukzessive Klemmung der Domänenstruktur durch die agglomerierten Ladungsträger zurückführen. Diese verändern die lokalen elektrischen Potentiale, welche die Beweglichkeit der Domänenwände bestimmen. Ein weiterer Mechanismus, der zur Veränderung der lokalen Feldsituation führen kann, ist die Bildung vonMikrorissen durch die Zyklierung. Dies ist insbesondere für die bipolare Zyklierung häufig beobachtet worden.Welcher der beiden hier vorgestelltenMechanismen vorherrscht, hängt stark von der Art und der Herstellung der Proben ab und lässt sich daher nicht verallgemeinern. Um mehr über den Mechanismus der unipolaren Ermüdung in Erfahrung zu bringen, wurden an kommerziellen PZT-Proben Zyklierungen bei verschiedenen Temperaturen und elektrischen Feldstärken durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass sich im betrachteten Bereich bis etwa 108 Zyklen für höhere Temperaturen höhere Offset-Felder ausbilden. Die Entwicklung der Offset-Felder bei hohen Zyklenzahlen lassen jedoch darauf schließen, dass sich für sehr lange Zyklierzeiten bei niedrigen Temperaturen ein höheres Offset-Feld ausbildet. Die Zyklierungen bei unterschiedlichen Feldstärken haben gezeigt, dass sich für höhere Feldstärken eine Sättigung in der Entwicklung des Offset-Feldes einstellt. Beide Effekte können prinzipiell durch ein einfaches Modell, das die zeitliche Entwicklung des Offset-Feldes mittels eines Maxwell-Wagner-Prozesses beschreibt, dargestellt werden. Durch Untersuchung der reversiblen und irreversiblen Beiträge der Domänenwandbewegung konnte ausgeschlossen werden, dass die Ermüdungserscheinungen durch Änderung der Nukleationsrate der Domänen bedingt ist. Vielmehr entwickelt sich durch die Umlagerung der Ladungsträger nicht nur das beobachtete Offset-Feld, sondern es entsteht ein leichter Klemmdruck auf die Domänenwände, der die Bewegung der Wände zusätzlich behindert. Dieses Modell konnte weiterhin durch Untersuchungen am Transmissionselektronenmikroskop bestätigt werden. In unipolar ermüdeten Proben zeigten sich die Domänen stabil gegen den Elektronenstrahl, wohingegen sie in einer nicht ermüdeten Probe leicht durch diesen bewegt und Unterstrukturen wie Mikro- und Nanodomänen induziert werden konnten. Die TEM-Aufnahmen zeigten weiterhin, dass sich in den unipolar ermüdeten Proben vermehrt Risse gebildet hatten. Diese können die lokale Feldverteilung beeinflussen und somit einen Beitrag zur Veränderung des Schaltverhaltens leisten. Weiterhin wurde das Ermüdungsverhalten von nicht-kommerziellen PZT-Proben durch unipolare Zyklierung bei Raumtemperatur untersucht. Die Proben waren mit unterschiedlichen Lanthan- und Eisen-Konzentrationen codotiert. Solches Material enthält nachweislich Defektdipole, zeigt aber keinerlei Alterungsverhalten. Die Kompositionen mit Eisen wiesen einen deutlich stärkeren Anstieg des Offset-Feldes innerhalb der ersten 1000 unipolaren Zyklen auf als die Komposition, die nur mit Lanthan dotiert war. Diese Entwicklung kann zum einen der erhöhten Leitfähigkeit in mit Eisen dotierten Proben zugesprochen werden. Diese führt zur schnelleren Abkompensation der Depolarisationsfelder und damit zur stärkeren Entwicklung des Offset-Feldes. Zumanderen kann der Beitrag durch dieUmorientierung von Defektdipolen, die in diesemMaterialien durch EPR-Untersuchungen nachgewiesen wurden [Erd07; Erd08], nicht vernachlässigt werden. Diese findet bereits auf einer Zeitskala von 101– 102 s statt. Durch die unipolare Zyklierung kommt es somit zur Ausrichtung der Defektdipole in Richtung des Zyklierfeldes. Diese Vorzugsrichtung wird jedoch durch die bipolare Messung wieder aufgehoben und im nächsten Zyklierschritt erneut induziert. Daher liefern die Defektdipole einen konstanten Beitrag zum Offset-Feld, der sich insbesondere im Bereich niedriger Zyklenzahlen bemerkbar macht. Die generelle Dynamik der Ermüdung kann – entsprechend des Modells für Proben ohne Defektdipole – der Anlagerung von Ladungsträgern an Korngrenzen zugeschrieben werden. Alterungsuntersuchungen wurden an mit Eisen dotierten PZT-Proben durchgeführt. Da sich die Charakteristika der Alterung abhängig vom Polungszustand unterscheiden, wurde die zeitliche Entwicklung der Alterung an zuvor thermisch entalterten Proben sowohl im gepolten als auch im ungepolten Zustand untersucht. Weiterhin wurde dem Einfluss von bipolarer elektrischer Zyklierung auf stark gealterte Proben nachgegangen. Dieser Prozess kann als „Elektrische Entalterung“ bezeichnet werden. Die Ergebnisse legen nahe, dass es für Alterungs- und Entalterungsuntersuchungen zwischen zwei Fällen zu unterscheiden gilt. Wurden die Proben vor denMessungen thermisch entaltert und dann schnell auf Raumtemperatur abgeschreckt, so können sich zunächst keine Defektassoziate aus Eisenionen und Sauerstoffleerstellen bilden, da dieser Prozess bei Raumtemperatur viel Zeit benötigt. Das dennoch beobachtete Alterungsverhalten wird daher sowohl im gepolten als auch im ungepolten Zustand durch die Umlagerung und Agglomeration von freien Ladungsträgern an z.B. Korngrenzen bestimmt. Mit Hilfe eines analytischen Modells, das auf der Drift von Sauerstoffleerstellen basiert, konnte für den Fall der zeitlichen Alterung gepolter Proben eine sehr gute Übereinstimmung mit den experimentellen Ergebnissen erzielt werden. Wurden die Proben langsam auf Raumtemperatur abgekühlt, so ist davon auszugehen, dass sich alle Eisenionen in Defektkomplexen mit Sauerstoffleerstellen befinden. Die geklemmte Domänenstruktur kann durch bipolare elektrische Zyklierung wieder beweglich gemacht werden. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass die Einschnürung der Polarisationshysterese verschwindet.DieDynamik des Prozesses abhängig von der Eisenkonzentration legt nahe, dass in diesem Fall die Defektdipole die dominierende Rolle spielen. Die Umlagerung und Agglomeration von freien Ladungsträgern kann somit als zentraler Mechanismus sowohl für die Ermüdung als auch für die Alterung von Keramiken, in welchen sich keine Defektassoziate bilden konnten oder keine existieren, identifiziert werden. Sind jedoch Defektdipole im Material vorhanden, so beeinflussen sie die Degradation durch unipolare Zyklierung mit einem konstanten Beitrag zum Offset-Feld. Im Fall der elektrischen Entalterung konnte die Umorientierung von Defektdipolen sogar als dominanter Mechanismus identifiziert werden. Die unipolare Zyklierung der bleifreien Proben ergab, dass sich die Degradation von BNT-BT sowohl aus Effekten der unipolaren Zyklierung als auch aus Ermüdungseffekten durch die bipolare Messung zusammensetzt. Proben, denen Kupferoxid zugesetzt worden war, ermüdeten deutlich weniger als reine BNT-BT-Keramiken. Die Ermüdungscharakteristika können durch Anlagerung von Ladungsträgern an Barrieren in der Probe (unipolarer Effekt) oder an geladenen Domänenwänden (bipolarer Effekt) erklärt werden. Allerdings ist auch zu beachten, dass es in BNT-BT-Proben, die kein Kupfer enthalten, durch Anlegen eines elektrischen Feldes zu einer irreversiblen Änderung der Kristallsymmetrie kommt, während Proben, denen Kupferoxid zugesetzt wurde, keine Symmetrieänderung erfahren. Diese Eigenschaft ist der Ausgangspunkt eines neuen Modellansatzes, der die Effekte der bipolaren Ermüdung durch Unterdrückung von Schaltprozessen bedingt durch eine feldinduzierte Symmetrieänderung beschreibt.

URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-27670
Additional Information:

Darmstadt, TU, Diss., 2011

Classification DDC: 500 Science and mathematics > 500 Science
Divisions: 11 Department of Materials and Earth Sciences
Date Deposited: 26 Oct 2011 12:06
Last Modified: 08 Jul 2020 23:58
URI: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/id/eprint/2767
PPN: 386258848
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