Schöpp, Ferdinand (2024)
Quantifizierung der Treibhausgasemissionen des oberleitungsgebundenen Straßengüterverkehrs.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.26083/tuprints-00027013
Ph.D. Thesis, Primary publication, Publisher's Version
Text
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Item Type: | Ph.D. Thesis | ||||
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Type of entry: | Primary publication | ||||
Title: | Quantifizierung der Treibhausgasemissionen des oberleitungsgebundenen Straßengüterverkehrs | ||||
Language: | German | ||||
Referees: | Boltze, Prof. Dr. Manfred ; Linke, Prof. Dr. Hans-Joachim | ||||
Date: | 30 April 2024 | ||||
Place of Publication: | Darmstadt | ||||
Series: | Schriftenreihe der Institute für Verkehr, Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik | ||||
Series Volume: | Heft V52 | ||||
Collation: | 286 Seiten in verschiedenen Zählungen | ||||
Date of oral examination: | 25 March 2024 | ||||
DOI: | 10.26083/tuprints-00027013 | ||||
Abstract: | Im Jahr 2030 dürfen nach Bundes-Klimaschutzgesetz im Verkehrssektor 85 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente emittiert werden (Anlage 2 (zu §4) KSG). Im Vergleich zum Jahr 2019 entspricht dies einer Reduzierung der verkehrsbezogenen Treibhausgasemissionen um knapp die Hälfte (BMUV 2022b). Demgegenüber steht jedoch unter anderem ein langfristig wachsender Verkehrssektor und in diesem insbesondere ein prosperierender Straßengüterverkehr (BMVBS 2008, S. 212-213 & S. 236-237; BMVI 2021, S. 218-219 & S. 244-245). Aufgrund verschiedenster Einflüsse verdoppelte sich in der Zeitspanne von 1990 bis heute (2023) die über die Straße realisierte Güterverkehrsleistung. Darüber hinaus gewann der Straßengüterverkehr über die vergangenen Dekaden aufgrund seiner vorteilhaften, charakteristischen Systemeigenschaften verkehrsträgerübergreifend sukzessive auch an immer weiteren Marktanteilen im Modal Split: Mit rund 75 % ist der Straßengüterverkehr gegenwärtig der mit Abstand bedeutendste Verkehrsträger im innerdeutschen Güterverkehrsmarkt (BMVBS 2008, S. 236-237; BMVI 2021, S. 244-245; Muchna u. a. 2021; Schulte 2013; Kummer u. a. 2006; Aberle 2009; Posset u. a. 2014, S. 12). Der Straßengüterverkehr steht allerdings auch für eine nicht unerhebliche Menge an Treibhausgasemissionen. Rund ein Drittel der im innerdeutschen Verkehrssektor anfallenden Treibhausgasemissionen lässt sich auf den Straßengüterverkehr zurückführen. Dies entspricht rund sieben Prozent sämtlicher in Deutschland emittierten Treibhausgase (BMUV 2022b; BMU 2021, S. 36). Diese Treibhausgasemissionen entstehen vor allem in Folge der Verbrennung fossiler Energieträger durch den Einsatz dieselbetriebener Fahrzeuge (BMU 2021, S. 36; Allekotte u. a. 2020, S. 44). Möchte Deutschland seine ambitionierten Klimaschutzziele einhalten, wird es für das vorstehend umrissene Spannungsfeld effektiver, aber auch effizienter Lösungen bedürfen. Gelingt es dabei nicht, umgehend zukunftsfähige Lösungen für den Straßengüterverkehr erfolgreich zu etablieren, die ökonomisch, ökologisch und sozial verträglich sind, wird Deutschland seine Klimaschutzziele verfehlen. Die vorliegende Dissertationsschrift setzt an dieser Stelle an und beschäftigt sich intensiv mit dem sogenannten eHighway-System – eine oberleitungsgebundene Elektrifizierungsoption zur Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs. Das eHighway-System ermöglicht entsprechend ausgestatteten Lastkraftwagen – sogenannte Oberleitungs-Lastkraftwagen (O-Lkw) – während der Fahrt dynamisch mit elektrischer Energie versorgt werden zu können. Hierfür wird das effiziente Energieversorgungskonzept des elektrischen Schienen(güter)verkehrs auf die Straße übertragen, ohne dabei die charakteristisch hohe Flexibilität des Straßengüterverkehrs zu beeinträchtigen (Lehmann, Wauri, u. a. 2021, S. 24). Damit das funktioniert, wird in die bestehende Straßeninfrastruktur eine Oberleitungsanlage integriert. O-Lkw verfügen über einen Stromabnehmer, mit dem eine kraftschlüssige Verbindung zur Oberleitungsanlage hergestellt werden kann. In Folge wird der O-Lkw mit elektrischer Energie aus der Oberleitungsanlage versorgt. Bedarfsgerecht ausgelegte elektrische Energiespeicher und gegebenenfalls ein ergänzendes, weiteres Antriebssystem erlauben es, dass O-Lkw auch auf nicht elektrifizierten Streckenabschnitten eingesetzt werden können – beispielsweise im Vor- beziehungsweise Nachlauf eines elektrifizierten Streckenabschnitts, zwischen zwei elektrifizierten Streckenabschnitten, in Tunneln und Anschlussstellen oder um vorausfahrende, langsamere Fahrzeuge zu überholen beziehungsweise um Gefahrenstellen auszuweichen (Wietschel u. a. 2017, S. 19; Jöhrens, Lehmann, u. a. 2022, S. 5). Die in dieser Dissertationsschrift durchgeführte Forschung basiert auf dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Forschungsprojekt „ELISA“ (Elektrifizierter, innovativer Schwerverkehr auf Autobahnen). Auf einem der meistbefahrenen Autobahnabschnitten Europas, der Bundesautobahn (BAB) 5 zwischen Frankfurt am Main und Darmstadt, wurde 2018 ein fünf Kilometer langer Streckenabschnitt beidseitig mit einer Oberleitungsanlage ausgestattet. Fünf O-Lkw nahmen zwischen 2019 und 2020 sukzessive den Betrieb auf und befinden sich seitdem im operativen (und realen) Tagesgeschäft bei fünf diversifizierten Transportunternehmen (Boltze 2020; Schöpp u. a. 2022). Ausgestattet mit einem Datenlogger generieren diese O-Lkw mit einer Frequenz von 100 Millisekunden zu mehr als einhundert verschiedenen Fahrzeugparametern eine einzigartige und exklusive Datenbasis. Fast 650.000 auswertbare Kilometer dienen der vorliegenden Dissertationsschrift als Datengrundlage. In diesem Rahmen berichtet die Dissertationsschrift zu der Forschungsfrage, wie das eHighway-System konkret dazu beitragen kann, dass Deutschland seine gesetzten Klimaschutzziele wird erreichen können. Der Fokus der Untersuchungen liegt dabei auf der Quantifizierung der Treibhausgasemissionen des eHighway-Systems. Vor allem soll das Treibhausgasemissionsreduktionspotenzial von O-Lkw – resultierend aus dem Fahrzeugbetrieb – analysiert werden. Basierend auf der Durchführung und anschließenden Auswertung von Forschungsfahrten mit O-Lkw werden zunächst Betriebsmodi eines O-Lkws identifiziert und definiert. Zu unterscheiden sind einerseits die drei hybriden Betriebsmodi Hybrid-Standardmodus, Hybrid-Zwangslademodus und Hybrid-Oberleitungsmodus. Andererseits ist zwischen den drei elektrischen Betriebsmodi Elektrisch-Standardmodus, Elektrisch-Zwangsmodus und Elektrisch-Oberleitungsmodus zu differenzieren. Ferner wird festgestellt, dass zwischen dem Übergang von einem Betriebsmodus zu einem anderen Betriebsmodus Übergangsphasen entstehen – auch bezeichnet als Übergangsmodus. Aufbauend auf den Betriebsmodi werden charakteristische Energieflusskennwerte eines O-Lkws berechnet. Es zeigt sich, dass sich entsprechend des Betriebsmodus teils deutlich gegensätzliche Energieverbrauchskennwerte feststellen lassen. Operiert ein O-Lkw beispielsweise im Hybrid-Standardmodus, so ist dies durch einen vergleichsweise hohen Dieselkraftstoffverbrauch gekennzeichnet – im Durchschnitt werden in diesem Betriebsmodus 30,53 l/100 km Dieselkraftstoff verbraucht. Operiert der O-Lkw hingegen im Elektrisch-Standardmodus, kann gänzlich ohne Dieselkraftstoff gefahren werden. Bezieht ein O-Lkw elektrische Energie aus einer Oberleitungsanlage, wird einerseits der Dieselkraftstoffverbrauch erheblich, teils vollständig gesenkt; andererseits kann zusätzlich elektrische Energie zur Steigerung der elektrischen Reichweite auf nachgelagerten Streckenabschnitten ohne Verfügbarkeit einer Oberleitungsanlage aufgenommen werden. Insgesamt stellt sich heraus, dass der Einsatz von O-Lkw messbare Einsparungen von Treibhausgasemissionen im Straßengüterverkehr erlaubt. Mit einem Oberleitungsanteil von weniger als fünf Prozent (Bedingungen, die im ELISA-Forschungsprojekt vorliegen), kann ein O-Lkw bereits zwischen 14 % und 17 % an aus dem Fahrbetrieb resultierenden Treibhausgasemissionen (Well-to-Wheel) einsparen. Mithilfe eines im Verlauf der Arbeit entwickelten Skalierungs- und Vergleichsrechners („ERSparnis“) lässt sich darüber hinaus ermitteln, dass der Einsatz von O-Lkw allerdings auch Einsparungen an aus dem Fahrbetrieb resultierenden Treibhausgasemissionen in Höhe von bis zu 100 % ermöglichen kann. Voraussetzung hierfür ist, dass O-Lkw in einem sinnvoll ausgebauten Netz an Oberleitungsanlagen operieren, die externe elektrische Energieversorgung zu 100 % mit Ökostrom erfolgt und der O-Lkw über eine ausreichend leistungsfähige E-Maschine sowie einen sinnvoll dimensionierten elektrischen Energiespeicher verfügt. Eine Plug-in-Ladefunktion stellt dabei eine anzustrebende Ergänzung der technischen Konfiguration des O-Lkws dar. Die Quantifizierung der Treibhausgasemissionen des eHighway-Systems führt zu der Schlussfolgerung, dass es für den wirksamen Einsatz des eHighway-Systems eines größeren Kernnetzes an Oberleitungsanlagen bedarf. Ein solcher Ausbau kann aufgrund verschiedener Faktoren jedoch auf eine mangelnde Akzeptanz und Ablehnung in der Gesellschaft stoßen. Wird es nicht gelingen, den Ausbau eines Netzes an Oberleitungsanlagen und die gesellschaftliche Akzeptanz in Einklang zu bringen, wird der oberleitungsgebundene Straßengüterverkehr mangels ausreichender Netzdichte nicht zum Erreichen der nationalen Klimaschutzziele beitragen können. Eine Betrachtung der gesellschaftlichen Akzeptanz des eHighway-Systems darf aus diesem Grund nicht fehlen. Dieser Aufgabe wird im Verlauf der Dissertationsschrift mit einem Exkurs ergänzend nachgegangen. Basierend auf einer durchgeführten standardisierten Befragung mittels Online-Fragebogen zeigt sich (n=752), dass das eHighway-System von einem nicht unerheblichen Teil der Gesellschaft gegenwärtig nicht akzeptiert wird. Zwar lassen die befragten Personen durchaus verlauten, dass sie den Klimawandel für ein ernstzunehmendes Problem erachten (>90 %) und dass Treibhausgasemissionen zu reduzieren seien (>90 %). Auch sind sie der Auffassung, dass zwar möglichst viele Güter auf die Schiene verlagert werden sollten (ca. 80 %), aber dennoch auch der Straßengüterverkehr in Zukunft emissionsärmer zu realisieren sei (ca. 85 %). Statt einer Elektrifizierung von Lastkraftwagen favorisieren die befragten Personen jedoch vielmehr den Einsatz von Brennstoffzellen-/Wasserstoff-Lkw (mit knapp 80 % Zuspruch) beziehungsweise eine stetige Verbesserung von Verbrennungsmotoren oder die Entwicklung und Anwendung von synthetischen Kraftstoffen (mit einem Anteil von jeweils etwas mehr als die Hälfte der befragten Personen). Bezüglich des eHighway-Systems zeigt sich konkret: Über ein Drittel der befragten Personen hegt Befürchtungen gegenüber dem eHighway-System; Knapp die Hälfte der befragten Personen nimmt eine negative Haltung gegenüber dem eHighway-System ein; Fast zwei Drittel der befragten Personen sind nicht dazu bereit, ihre Mitmenschen vom eHighway-System zu überzeugen; Rund die Hälfte der befragten Personen spricht sich dafür aus, dass sie nicht wünschen, dass das eHighway-System in Zukunft weiter ausgebaut wird. Es eröffnet sich ein Spannungsfeld: Einerseits wird im Rahmen der Dissertationsschrift der Nachweis erbracht, dass das eHighway-System – sofern O-Lkw entsprechend der vorstehend beschriebenen Voraussetzungen eingesetzt werden – erheblich zur Reduktion an Treibhausgasemissionen im Straßengüterverkehr beitragen kann. Andererseits wird das eHighway-Systems von einem nicht unerheblichen Anteil der Gesellschaft derzeit abgelehnt, trotz des Bewusstseins, Lösungsansätze zur Reduktion der Treibhausgasemissionen im Straßengüterverkehr zügig und wirksam implementieren zu müssen. Die Analyse dieses Spannungsfeldes erlaubt die Schlussfolgerung, dass zum aktuellen Zeitpunkt eine Diskrepanz zwischen dem in der Gesellschaft subjektiv wahrgenommenen und dem tatsächlichen Potenzial des eHighway-Systems zur Reduktion von Treibhausgasemissionen im Straßengüterverkehr vorliegt: Es diffundieren einerseits zu wenige, andererseits vor allem auch falsche Informationen zum Treibhausgasemissionsreduktionspotenzial des eHighway-Systems durch die Gesellschaft. Ohne die Eigenschaften eines Akzeptanzobjekts zu kennen oder gar fehlerhafte Informationen zu diesem vorliegen zu haben, wird sich ein Akzeptanzsubjekt von einem Akzeptanzobjekt jedoch nur selten überzeugen lassen. Eine unzureichende Informationsbereitstellung führt in Summe gegenwärtig zu einer Ablehnung des eHighway-Systems bei einem nicht unerheblichen Teil der Gesellschaft. Abschließend festzuhalten bleibt: Infolge des nachgewiesenen Potenzials zur Reduktion von Treibhausgasemissionen im Straßengüterverkehr durch den Einsatz von O-Lkw muss die Handlungsempfehlung ausgesprochen werden, dass das eHighway-System ausgebaut werden sollte. Das eHighway-System kann einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass Deutschland seinen Klimaschutzzielen auch im Straßengüterverkehr gerecht werden kann. Ein Ausbau wird im gleichen Zuge jedoch auch eine starke Intensivierung von aktiver Öffentlichkeitsarbeit bedürfen. Die Diskrepanz zwischen dem in der Gesellschaft subjektiv wahrgenommenen und dem tatsächlich möglichen Potenzial des eHighway-Systems zur Reduktion von Treibhausgasemissionen im Straßengüterverkehr muss gelöst werden, soll das eHighway-System erfolgreich am Markt platziert werden. |
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Alternative Abstract: |
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Status: | Publisher's Version | ||||
URN: | urn:nbn:de:tuda-tuprints-270134 | ||||
Classification DDC: | 600 Technology, medicine, applied sciences > 620 Engineering and machine engineering | ||||
Divisions: | 13 Department of Civil and Environmental Engineering Sciences > Institutes of Transportation > Institute for Transport Planning and Traffic Engineering | ||||
Date Deposited: | 30 Apr 2024 12:03 | ||||
Last Modified: | 10 May 2024 07:47 | ||||
URI: | https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/id/eprint/27013 | ||||
PPN: | 517677474 | ||||
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