Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf Sandökosystemen des Binnenlandes, die zu den gefährdetsten Offenland-Lebensräumen Zentraleuropas gehören. Diese Landschaften sind in hohem Maße fragmentiert und beherbergen viele bedrohte Pflanzenarten in räumlich isolierten Habitaten. In letzter Zeit wurden ein Rückgang von Populationen mit seltenen gebietsspezifischen Arten, eine Erhöhung der Vegetationsdichte und die Ruderalisierung von typischen Offenhabitaten beobachtet. Begründet wurde dies mit erhöhten Stickstoffdepositionen und mit der Aufgabe von ehemals extensiv genutztem Ackergrünland. Als Folge kann spontane Sukzession auftreten. Zum Erhalt von Gemeinschaftsstrukturen und Populationsdynamiken wurde der Einsatz verschiedener Naturschutz-Pflegemaßnahmen erforderlich. Aus diesem Grund haben sich in trockenen Offenhabitaten insbesondere extensive Schaf-Beweidungsregimes zu einer geeigneten Pflegemaßnahme entwickelt.
Das Ziel dieser Dissertation lag in der Aufklärung von zentralen abiotischen und biotischen Einflüssen auf Sukzessionsprozesse in bedrohten Sandökosystemen des Binnenlandes entlang eines Sukzessionsgradienten.
Als Hauptuntersuchungsfläche diente das Naturschutzgebiet „Ehemaliger August-Euler-Flugplatz von Darmstadt“ in der nördlichen Oberrheinebene in Deutschland. Die charakteristischen Pflanzengesellschaften dieses Gebiets gehören zu den hochgefährdetsten in Zentraleuropa entsprechend den EU-Richtlinien für Biotope. Der Vegetationskomplex besteht im östlichen Teil aus frühen Sukzessionsstadien einer Koelerion glaucae-Pioniergesellschaft, der westliche Teil aus mittleren Sukzessionsstadien des Armerio-Festucetum trachyphyllae. Das Bodensubstrat besteht primär aus kalkreichem Sand (Koelerion glaucae) mit einer leichten Versauerung im Oberboden (Armerio-Festucetum). Vor der Einführung von Beweidung waren die Flächen während der militärischen Nutzung durch ein Mahdregime gekennzeichnet, danach erfolgte nur noch extensive Mahd und Mulchen. Schafbeweidung wurde im Gebiet in Jahren 1999/2000 etabliert.
Nährstoffzufuhr, durch z. B. atmosphärische Stickstoffdeposition oder der Transfer von Bodenpartikeln, ist eine große Bedrohung für viele gefährdete Offenland-Vegetationstypen. Als Modellsystem dienten bedrohte Sandrasen, auf denen im Jahr 2000 ein fünffach-repliziertes Nährstoffapplikationsexperiment in randomisiertem Blockdesign gestartet wurde. Der gesamte Datensatz wurde für neun Jahre untersucht, wobei im Rahmen dieser Arbeit in den Jahren 2007 bis 2009 zusätzliche Spezialuntersuchungen durchgeführt wurden. Auf die Experimentalflächen wurden folgende Nährstoffe appliziert: Stickstoff in schwacher Dosis (n) zur Simulation atmosphärischer Deposition, Stickstoff in hoher Dosis (N), hochdosierter Stickstoff in Kombination mit verschiedenen Mikro- und Makronährstoffen bzw. -elementen (NP, NPK, NPKM), Phosphor (P) und eine Kohlenstoffquelle (C) zur Immobilisierung des pflanzenverfügbaren Stickstoffs. Zudem konnte die Samenlimitierung mittels des lokalen Samenregens gemessen werden. Der Datensatz wurde mithilfe einer „Detrended Correspondence Analysis“ (DCA) und gemischt-linearen Modellen ausgewertet.
Die DCA zeigte zwei Sukzessionspfade auf: einen, der typisch für bedrohte Sandrasen ist, und einen, der eine beschleunigte Sukzession dokumentiert und sich zudem klar vom typischen Pfad abgrenzt. Diese Auftrennung war erst nach einer „Lag Phase“ von ungefähr fünf Jahren deutlich. Als allgemeiner Sukzessionstrend verringerte sich die Phytodiversität auf allen Flächen, jedoch war die Abnahme auf Flächen mit hochdosiertem Stickstoff signifikant höher, welches sich auch durch erhöhte Turnover-Raten auf diesen Flächen zeigte. Habitat-spezifische Arten der Pionierstadien („Stress-Strategen“ oder „Ruderal-Strategen“) und „Rote Liste“-Arten nahmen durch Nährstoffapplikation ab. Zugleich nahm aber die Deckung von hochwüchsigen Pflanzen, Geo- und Hemikryptophyten, „Konkurrenz-Stress-Ruderal-Strategen“ und kompetitiven Gräsern auf Flächen mit hochdosiertem Stickstoff zu. Die oberirdische Phytomasseproduktion der Phanerogamen verdreifachte sich durch N, NP, NPK oder NPKM-Applikation, sie war jedoch signifikant niedriger im Falle der Kryptogamen. Im Gegenzug zeigte die Behandlung mit niedrigdosiertem Stickstoff und Phosphor keinen Einfluss mit Ausnahme der Leguminosen, die insbesondere von P profitierten. Die Spezialuntersuchungen zeigten, dass fast alle untersuchten Arten auf die Nährstoffapplikation reagierten und höher wuchsen oder mehr Früchte bzw. Samen produzierten. Der lokale Samenregen bestand sowohl aus vielen autochthonen als auch allochthonen Arten. Die Arten mit der höchsten Abundanz waren dennoch keine Zielarten, und sogar Karyopsen von Calamagrostis epigejos konnten nachgewiesen werden.
Das Freilandexperiment konnte zeigen, dass sich die floristische Struktur, die Sukzessionslinien, die Phytodiversität und die Pflanzenstrategien des untersuchten Systems nach einer fünfjährigen Phase änderten und ein gefährdeter Vegetationstyp teilweise durch einen mit dominanten und/oder kompetitiven Arten ersetzt wurde. Diese Ergebnisse zeigen die Bedeutung von Langzeitbeobachtungen für die Untersuchung von nährstoffinduzierten Effekten.
Im Rahmen eines zehnjährigen Langzeitexperiments im Freiland habe ich weitere Untersuchungen in Bezug auf Schafbeweidung als ein Beispiel für Störung mittlerer Intensität durchgeführt. Während dieses Zeitraums traten „Experimente der Natur“ auf, die in Form von schweren biotischen (Kaninchenbeweidung) und abiotischen (Trockenheit) Störungen untersucht wurden, um die Faktoren „Erholung“ und „Resilienz“ zu überprüfen.
In den Jahren 2000 bis 2009 wurden innerhalb eines sechsfach replizierten und randomisierten Split-Plot-Designs 25 m²-Flächen von Armerio-Festucetum trachyphyllae-Vegetation in der nördlichen Oberrheinebene (Deutschland) untersucht. Wir analysierten Schaf-beweidete und unbeweidete Flächen (beide mit einem nur sehr geringen Kanincheneinfluss bis zur ersten Hälfte des Jahres 2005). Im Jahre 2005 wurde ein zusätzlicher Flächentyp mit Ausschluss von Kaninchen- und Schafbeweidung etabliert. Der starke Kanincheneinfluss wurde ausführlicher in den Jahren 2006 bis 2008 hinsichtlich Blütenressourcen, Samenproduktion, endozoochorer Samenausbreitung und Phytomasseentzug untersucht. Die Daten wurden mithilfe von Ordinationsverfahren und gemischt-linearen Modellen ausgewertet.
Mittlere Störung durch Schafbeweidung konnte in Zeiten eines niedrigen Kaninchenbesatzes die Artendiversität aufrecht erhalten. Durch die starke Trockenheit im Jahre 2003 nahmen die Artenzahlen deutlich ab, das System hatte sich aber bereits in 2004 wieder erholt. Der danach aufgetretene hohe Kanincheneinfluss verursachte eine Abnahme der Artenzahlen, der Moosdeckung, der Blütenmengen und des Samengehalts im Dung. Die Artenzahlen nahmen auch auf den Flächen ohne Kaninchenbeweidung ab, dies hatte jedoch andere Ursachen. Es konnten keine Verschiebungen der phänologischen Phasen bedingt durch Kaninchenbeweidung beobachtet werden, aber die Blütensummen und die Anzahl blühender Arten nahmen signifikant ab. Nach dem Rückgang der Kaninchenpopulation zeigten die Artenzahlen einen leichten Anstieg in 2009. Unbeweidete Flächen zeigten einen Anstieg von Streu.
Trotz der starken Störungen durch Kaninchen oder Trockenheit war die Gemeinschaftsstruktur relativ stabil, welches insbesondere auf die nicht-ruderalisierten Flächen zutraf, die sich nur wenig veränderten. Wir konnten ein konzeptionelles Modell entwickeln, dass das hohe Erholungs- und Resilienzpotential im Falle starker Störungen aufzeigt.
Abgesehen von direkten Beweidungseffekten wie die Schaffung von Lücken durch extensive Viehbeweidung konnten vorangegangene Studien den Nutzen durch Samenausbreitung (Endo-, Epizoochorie) zeigen, aber dennoch ist wenig über Prozesse nach der Ausbreitung bekannt wie beispielsweise Effekte durch Trampeln. Ich untersuchte die Rolle der Hufeinwirkung („trampling“) von Schafen auf das Schicksal von Samen, die in Schaf- und Kaninchendung eingeschlossenen waren, nach deren Ausbreitung und stellte die Hypothese auf, dass die Etablierung von Keimlingen begünstigt wird als Folge des Aufbrechens der Dungpellets. Schaf- und Kaninchendung wurde in gefährdeten Sandrasen gesammelt und deren Samenpotential in einer Klimakammer getestet. In einem faktoriellen Freilandexperiment wurden die Effekte des Trampelns (mittels Schafhuf-Replikaten) und des Dungtyps auf das Keimlingsaufkommen und den Fruchterfolg festgestellt.
Das Keimlingsaufkommen im Freiland entsprach für beide Dungtypen nur 5 bzw. 7 % des Potentials ohne Trampeln, mit Trampeln jedoch 18 bzw. 14 %. Flächen mit betrampeltem Schaf- oder Kaninchendung zeigten signifikant mehr Keimlinge (3,6- oder 2,1-fach), mehr Arten (2,4- oder 1,9-fach) und mehr fruchtende Individuen (3,9- oder 2,6-fach) und fruchtende Arten (2,1- oder 1,9-fach) verglichen mit den Flächen ohne betrampeltem Dung. Es profitierten nicht nur Zielarten durch das Trampeln, auch Nicht-Zielarten. Dies könnte sich nachteilig hinsichtlich der Naturschutzziele auswirken, aber der Anteil an Zielarten war dennoch deutlich erhöht durch das Trampeln.
Schafe spielen eine facettenreiche Rolle in Ausbreitungsprozessen: nach dem endozoochoren Transport haben sie eine Art „Gärtnerfunktion“ nicht nur für Schaf-ausgebreitete Samen sondern auch für die Samen, die durch Kaninchen ausgebreitet werden. | German |