Abstract: |
Die Entwicklung von Konstruktionswerkstoffen, die eine Kombination aus hoher Festigkeit und hoher Duktilität bieten, stellt eine große Herausforderung für die materialwissenschaftliche Forschung dar. Ein vielversprechender Ansatz ist die Erzeugung ultrafeinkörniger (UFG) Metalle mit Korngrößen im Submikrometer Bereich, die eine weitaus höhere Festigkeit bieten als Metalle mit konventionellen Korngrößen. Aufgrund der hohen Korngrenzdichte bestehen in UFG Gefügen große Triebkräfte für Rekristallisations- und Kornwachstumsprozesse, weshalb die Stabilität der Gefüge ein wichtiger Aspekt ist, der berücksichtigt werden muss. So besteht einerseits die Gefahr, dass bei erhöhten Temperaturen oder auch unter zyklischer mechanischer Beanspruchung eine Vergröberung des Gefüges eintritt und zu einer Abnahme der Festigkeit führt. Andererseits stellen Wärmebehandlungen auch eine Chance dar die Festigkeit und Verformbarkeit gezielt zu beeinflussen und somit die mechanischen Eigenschaften auf das jeweilige Anforderungsprofil hin zu optimieren. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, einen Beitrag zum Verständnis der thermischen Stabilität von UFG Gefügen und des Einflusses von Wärmebehandlungen auf deren mechanische Eigenschaften zu leisten. Der Fokus der Arbeit liegt dabei auf niedriglegierten Stählen (ZStE500 und DD11) mit UFG Gradientengefügen, die durch die innovativen Umformprozesse des Spaltprofilierens und Spaltbiegens erzeugt werden. Es konnte gezeigt werden, dass bei Wärmebehandlungen im untersuchten Temperaturbereich bis 600 °C Erholungsprozesse, kontinuierliches und diskontinuierliches Kornwachstum sowie dehnungsinduzierte Korngrenzmigration z.T. einzeln oder in Kombination ablaufen. Das Gefüge und die lokalen mechanischen Eigenschaften der untersuchten UFG Gradientengefüge bleiben nach Wärmebehandlungen bei Temperaturen bis 300 °C vollständig erhalten. Oberhalb 300 °C treten Erholungsprozesse auf, die zu einer Abnahme der Härte ohne Beeinflussung der Korngröße oder der Gefügemorphologie führen. Der Effekt der Erholung auf die Härte ist in den Bereichen mit der geringsten Korngröße am stärksten ausgeprägt, was auf einen Gradienten in der Versetzungsdichte schließen lässt. Ab Temperaturen von ca. 450 °C tritt neben einer Erholung auch kontinuierliches Kornwachstum auf, wobei die Kornwachstumsexponenten mit der Temperatur von ca. 0,03 bei 450 °C auf ca. 0,15 bei 550 °C ansteigen. Aufgrund der niedrigen Wachstumsexponenten bleiben Korngrößen < 1 μm auch nach mehrstündigen Wärmebehandlungen erhalten. Die Texturanalyse zeigt, dass im Bereich der geringsten Korngrößen ein selektives Kornwachstum stattfindet, wodurch die Intensität entlang der α-Faser zunimmt und entlang der γ-Faser abnimmt. Dieser Effekt ist auf eine dehnungsinduzierte Korngrenzmigration infolge der lokal unterschiedlichen Versetzungsdichten in verschieden orientierten Körnern zurückzuführen. Bei Wärmebehandlungen oberhalb 550 °C tritt diskontinuierliches Kornwachstum und damit eine Zerstörung des UFG Gefüges auf, wobei die Zeit bis zum Einsetzen des Prozesses über den Gefügegradienten variiert. Eine vollständige Stabilität gegen diskontinuierliches Kornwachstum besteht, trotz der z.T. hohen Großwinkelkorngrenzanteile, in keinem Bereich des Gradienten. Aufgrund der Erholungs- und Kornwachstumsprozesse, die einem diskontinuierlichen Kornwachstum vorangehen, geht die Erzeugung bimodaler Gefüge mit einem starken Abfall der Festigkeit einher. Zwar zeigen diese Gefüge hohe Gleichmaßdehnungen, jedoch liegt die Festigkeit unter dem Niveau des Anlieferungszustands. Wärmebehandlungen bei Temperaturen zwischen 300 °C und 550 °C, bei denen Erholungsprozesse und z.T. kontinuierliches Kornwachstum auftreten, führen zu Festigkeiten zwischen denen des Anlieferungszustands und des Gradientengefüges im nicht wärmebehandelten Zustand. Die Gleichmaßdehnung steigt dabei jedoch nur geringfügig, so dass auch diese Wärmebehandlungen nicht zur Optimierung der mechanischen Eigenschaften geeignet sind. Somit scheint eine deutliche Steigerung der Umformbarkeit unter Zugspannungen bei weitgehendem Erhalt der Festigkeit durch Wärmebehandlungen, zumindest für die in dieser Arbeit untersuchten niedriglegierten Stähle, nicht möglich zu sein. Die Untersuchungen zur Korrelation zwischen Gefüge und lokalen mechanischen Eigenschaften in UFG Gradientengefügen ergeben, dass neben der Korngröße auch die Versetzungsdichte maßgeblich zur Festigkeit beiträgt. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass der Einfluss der Korngröße und der Versetzungsdichte auf die Festigkeit lokal unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Bei Korngrößen > 0,4 μm bzw. Korngrenzdichten < 6/μm ist der Einfluss der Versetzungsdichte auf die Streckgrenze vernachlässigbar und die Streckgrenze über die Hall-Petch Beziehung direkt von der Korngröße abhängig. Bei Korngrößen < 0,4 μm bewirkt eine Abnahme der Korngröße einen weitaus geringeren Anstieg der Streckgrenze und folgt damit nicht mehr der Hall-Petch Beziehung. Dieser Effekt wird in den untersuchten UFG Gradientengefügen durch den zunehmenden Einfluss der Versetzungsdichte kompensiert, die mit Abnahme der Korngröße einen steigenden Beitrag zur Festigkeit leistet. Dadurch entsteht der Eindruck, dass die Streckgrenze über den gesamten Gefügegradienten der Hall-Petch Beziehung folgt, auch wenn diese bei strenger Betrachtungsweise nur für einen begrenzten Korngrößenbereich gültig ist. Neben der thermischen Stabilität wurde auch die mechanische Stabilität der UFG Gradientengefüge untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Gefüge und mechanischen Eigenschaften bei Biegebeanspruchungen weitgehend stabil sind. Eine zyklische Vergröberung tritt nicht auf. Eine zyklische Entfestigung ist je nach Werkstoff nicht feststellbar (ZStE500) oder mit ca. 10 % Härteabnahme (DD11) relativ schwach ausgeprägt. Bei beiden untersuchten Werkstoffen ist eine deutliche Steigerung der Dauerfestigkeit durch das UFG Gradientengefüge in Relation zum Anlieferungszustand zu verzeichnen. Mithilfe von FEM Modellierungen der Biegebeanspruchung und unter Berücksichtigung von Eigenspannungen konnte gezeigt werden, dass der Anstieg der Dauerfestigkeit annähernd proportional zum Härteanstieg ist. |