Zur Erhaltung der Integrität des Genoms haben Zellen vielfältige Mechanismen entwickelt, um die strukturellen und funktionellen Eigenschaften des Genoms nach einem DNA-Schaden wiederherzustellen. Eine schnelle und fehlerfreie Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen (DSBs) ist essenziell für die genomische Stabilität und das Überleben der Zellen. Die homologe Rekombination (HR) ist ein fehlerfreier DSB-Reparaturmechanismus, der proliferierenden Zellen zur Verfügung steht. HR ist außerdem an der fehlerfreien Duplikation des Genoms beteiligt, indem es dazu beiträgt Replikationsstress zu tolerieren und Schäden, die die Replikationsgabel blockieren zu prozessieren (Einzelstrangbrüche, gaps oder einendige DSBs). An zweiendigen DSBs können zwei Unterwege der HR ablaufen, die unterschiedliche genetische Endprodukte haben: der double Holliday junction (dHJ) pathway, wodurch crossover (CO) Produkte entstehen und synthesis dependent strand annealing (SDSA) wodurch non-CO Produkte entstehen. Wobei über die ersten Schritte der HR, wie z.B. die Resektion, sehr viel bekannt ist, ist über die späteren HR-Schritte und die Faktoren, die an der Wahl des Unterwegs beteiligt sind, vor allem in Säugerzellen nur wenig bekannt. In dieser Studie wurde die HR-Reparatur von Röntgenstrahl (IR)-induzierten DSBs in der G2 Phase untersucht. Durch die spezifische Analyse von G2-Phase Brüchen konnten S-Phase Brüche ausgeschlossen werden und somit die Analyse auf 2-endige DSBs fokussiert werden. Im ersten Teil dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass die Histon-Variante H3.3 nach der Entfernung von Rad51 und somit in einem späten Stadium der HR erforderlich ist. Außerdem konnte gezeigt werden, dass H3.3 epistatisch mit dem Chromatin-remodeler ATRX wirkt. H3.3 wird für die Reparatursynthese und die darauffolgende Ausbildung von Schwesterchromatidaustauschen (SCEs) in G2 Zellen benötigt. Um den Chromatineinbau von H3.3 in vivo zu messen wurde eine stabile Zelllinie hergestellt, die SNAP-H3.3 exprimiert. Mithilfe dieser Zelllinie konnte der Einbau von neu synthetisierten H3.3 Histonen an Laser-induzierten DNA-Schäden visualisiert werden. H3.3 wird zu frühen Zeitpunkten (bis 1 h) post IR mithilfe eines HR-unabhängigen Mechanismus in das Chromatin eingebaut. Zu späteren Zeitpunkten (8 h) post IR wird H3.3 aktiv am DNA-Schaden durch HR in das Chromatin eingebaut und ist daher abhängig von Rad51, ATRX und DAXX. Des Weiteren ist der aktive Einbau von H3.3 abhängig von PCNA und RCF-1, was eine direkte Verbindung mit der DNA-Synthese nahelegt. Diese Ergebnisse legen ein Modell nahe, bei dem der Einbau von H3.3 in das Chromatin durch ATRX und DAXX vermittelt wird und eng an die DNA-Reparatursynthese gekoppelt ist. Dabei wird die Progression des D-Loops unterstützt und CO Produkte entstehen.
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Um die Regulierung der Wahl des HR Unterwegs besser zu verstehen wurde die HR-Reparaturkapazität von ATRX- und RECQ5-defizienten Zellen untersucht. Für den direkten Vergleich der beiden Unterwege wurden U2OS Zellen mit induzierbarer ATRX-Expression und HeLa Zellen verwendet. Während beide Zelllinien für die Reparatur von G2-induzierten DSBs Rad51 benötigen, können ATRX-defiziente Zellen ihre DSBs ausschließlich mit Hilfe des RECQ5-abhängigen SDSA reparieren, während HeLa Zellen von beiden Unterwegen Gebrauch machen können. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass Zellen denen beide Unterwege zur Verfügung stehen, ATRX-abhängiges HR bevorzugt verwenden. Dies führt zu erhöhten IR-induzierten SCEs in Zellen mit induzierter ATRX Expression. Überraschenderweise konnte gezeigt werden, dass der essenzielle HR-Faktor Rad54 für die Reparatur mittels SDSA nicht benötigt wird, was auf die tieferen inhärenten Unterschiede zwischen diesen beiden Unterwegen hinweist und eine komplexere Regulierung der Wegwahl nahelegt.
Die quantitative Analyse von HR-Ereignissen zeigte, dass etwa 50% der ATRX-abhängigen HR-Ereignisse zu einem CO-Produkt führen, eine viel höhere Frequenz als bisher angenommen. Die weiterführende Analyse der ausgebildeten HR-Strukturen zeigte, dass IR-induzierte ultrafeine Brücken (UFBs) in Anaphasezellen sichtbar werden. Die Anzahl der UFBs, die nach IR gebildet werden, ist signifikant höher in Zellen ohne die Resolvasen Mus81 und Gen1. Dies zeigt, dass HR-Strukturen weitgehend durch resolution aufgelöst werden. Darüber hinaus zeigte die Analyse der Mus81-Foci, dass Mus81 zu DSBs in mitotischen HeLa-Zellen rekrutiert wird, jedoch nicht in U2OS-Zellen. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass unterschiedliche HR-Intermediatstrukturen in diesen Zellen vorliegen. Die Rekrutierung von Mus81 wurde durch eine BLM-Depletion nicht beeinträchtigt, was darauf hindeutet, dass Mus81 alle geeigneten Substrate in Anwesenheit von BLM besetzt und dass diese Strukturen nicht durch dissolution aufgelöst werden. Des Weiteren hatte eine BLM-Depletion keinen Effekt auf Rad51-Foci, γH2AX-Foci oder die Anzahl der IR-induzierten SCEs, was die Vermutung, dass die BLM in diesem HR-Unterweg nicht aktiv ist, weiter bestätigt. Insgesamt deuten die Daten darauf hin, dass ATRX-abhängiges HR gegenüber dem RECQ5-abhängigen SDSA bei der Reparatur von zweiendigen DSBs in G2-Zellen überwiegt. Bei diesem Reparaturweg werden HR-Intermediate ausgebildet, die ausschließlich von den strukturspezifischen Nukleasen Mus81 und Gen1 aufgelöst werden, und somit nicht durch dissolution aufgelöst werden können, was die erhöhte Anzahl von SCEs erklärt. Dies legt ein Modell nahe, bei dem die ATRX-abhängige Histonablagerung innerhalb des D-loops die Verdrängung des DNA Strangs während SDSA und die dissolution einer dHJ durch BLM strukturell behindert. | German |