Abstract: |
In den letzten Jahren erschlossen sich den kurzfaserverstärkten thermoplastischen Werkstoffen, gerade für höher und hochbeanspruchte Bauteile, zahlreiche neue Einsatzgebiete. Mit der Forderung nach Einsparung von Zeit und Kosten bei der Bauteilentwicklung gewinnt die rechnerische Auslegung von hochbeanspruchten Bauteilen zunehmend an Bedeutung. Neben den herkömmlichen analytischen Berechnungsmethoden gehören numerische Verfahren wie beispielsweise Finite-Element-Methoden (FEM) mittlerweile zum Standardrepertoire der Konstruktions- und Berechnungsabteilungen. Die FEM hilft, den Werkstoffeinsatz und damit die Bauteilmasse zu minimieren. Dies bedeutet aber auch, dass die Betriebsbeanspruchungen näher an die Versagensgrenzen heranrücken müssen. Während durch ständige Zunahme der Rechnerleistung in den letzten Jahren ein befriedigendes Maß bei den Berechnungsgeschwindigkeiten erreicht wurde, stellt die Abbildung des Werkstoffverhaltens sowohl durch Materialgesetze als auch durch einfache Experimente noch immer einen wesentlichen Schwachpunkt der Auslegung dar. An Polybutylenterephthalat mit 30 Gew% Glasfasern (PBT-GF30) und Polyamid 6.6 mit 25 Gew% Glasfasern (PA66-GF25) wird gezeigt, wie es möglich ist, die ermittelten Faserorientierungen aus Spritzgießsimulationen in eine Steifigkeitssimulation oder Kriechsimulation zu implementieren. Bei der dargestellten Vorgehensweise ist es notwendig, die elastischen Eigenschaften eines Verbundes mit unidirektional orientierten Fasern zu ermitteln. Diese Eigenschaften können unter Zuhilfenahme von mikromechanischen Werkstoffmodellen (wie zum Beispiel die Halpin-Tsai-Gleichung) berechnet werden. Doch die vereinfachten Annahmen, die diesen Berechnungen zu Grunde liegen, führen in der Regel zu einer zu steifen Abbildung des Verbundes. Es ist daher sinnvoll, die elastischen Kennwerte und das Kriechverhalten experimentell zu ermitteln. Die folgenden Simulationen zeigen, dass es an einfachen Probekörpern möglich ist das elastische Materialverhalten in Abhängigkeit der Faserorientierung zu simulieren. Der Fehler dieser Simulationen liegt unter zehn Prozent. Die Simulation des Kriechverhaltens erfolgte auf zwei unterschiedliche Arten. Zum Einen wurde eine isotrope Simulation durchgeführt, bei der die Faserorientierungen nicht berücksichtigt wurden. Zum Anderen fand eine anisotrope Berechnung statt. Die Simulationsprogramme sehen eine direkte Eingabe von richtungsabhängigen Kriechfunktionen nicht vor. Das anisotrope Kriechen wird in der Weise definiert, dass mit einer anisotropen Vergleichsspannung nach dem Hill-Potential gerechnet wird. Die Simulationen des anisotropen Kriechverhaltens zeigen, dass, wenn die Faserorientierungen genau genug bestimmt werden können, die Fehler kleiner fünfzehn Prozent liegen. Das Simulationsmodell wurde dann auf ein Praxisbauteil angewendet. Bei diesen Berechnungen wurde aber ein Simulationsfehler von vierzig Prozent erreicht. Der Grund für den nicht akzeptablen Simulationsfehler liegt in der Tatsache, dass die Faserorientierungen nicht genau genug simuliert werden können. Obwohl deshalb eine exakte Beschreibung des Kriechverhaltens nicht möglich ist, liefert das entwickelte Verfahren doch eine praktisch brauchbare Abschätzung der Kriecheigenschaften der Verbundwerkstoffe. |