Komplexe biologische Systeme können nur mit rechnerischen und mathematischen Methoden analysiert werden. Sie sind unerlässlich, um die Wechselwirkungen zwischen den Komponenten biologischer Systeme zu untersuchen. Sie erzeugen ein Verständnis dafür, wie die Wechselwirkungen zwischen zellulären Signalnetzwerken bestimmte biologische Funktionen und Verhaltensweisen hervorrufen und steuern.
In dieser Arbeit stelle ich drei Beispiele vor, wie die Analyse von Einzelzelldaten aus der Zeitraffermikroskopie fluoreszierender Reporterzelllinien, von der Verwendung verschiedener Ansätze aus den Computerwissenschaften profitiert. Die Analyse von Einzelzelldaten ist eine Herausforderung, die von der Extraktion von Einzelzell-Zeitreihen aus den rohen Bilddaten, über die Identifizierung von Signalklassen, bis hin zur Identifizierung unterschiedlicher Muster in Einzelzell-Trajektorien reicht.
Es wurden verschiedene Methoden eingeführt, um die entsprechenden experimentellen Daten zu verarbeiten. Zur Extraktion von Einzelzell-Zeitreihen wurde ein neuartiges Tracking, basierend auf der Coherent Point Drift Methode, entwickelt. Die Eigenschaften der Coherent Point Drift Methode entsprechen den Charakteristiken der Zellbewegung. Der Motion Coherence Constrain der Coherent Point Drift Methode spiegelt die Beobachtung das Zellen sich nicht unabhängig voneinander bewegen; sie sind eingebunden in einen Zellverbund welcher ihre Bewegungsfreiheit beschneidet.
Das Dynamic Time Warping Framework ist ein nützlicher Ansatz, um mehrere biologische Prozesse zu untersuchen. Durch die Möglichkeit die Ähnlichkeit von Dynamiken zu quantifizieren wird ein neuer Blick auf Einzelzelldaten gewährt. Mittels der Berechnung eines optimalen Alignements zwischen zwei Einzelzelltrajektorien kann deren Ähnlichkeit quantifiziert werden. Dynamic Time Warping wurde so verändert, dass es die Flexibilität des Alignments eingeschränkt wird, wodurch dieses biologisch relevanter wird.
Basierend auf den berechneten Ähnlichkeiten zwischen einzelnen Signaldynamiken konnten Signalklassen in den untersuchten Daten identifiziert werden. Dynamic Time Warping wurde des Weiteren für multivariate Zeitreihen verwendet, was es erlaubt, die Ähnlichkeit zweier Zellen in Abhängigkeit gleichzeitiger Dynamiken verschiedener Signalwegkomponenten zu quantifizieren. Dies erlaubt den Ver\-gleich der Signalwegenaktivität zwischen Zellen unter Berücksichtigung der gleich\-zeitigen Dynamiken verschiedener Komponenten des untersuchten Signalweges.
Unterschiedliche Signalwege weisen eine unterschiedliche Signaldynamik auf. Daher wurden zwei Methoden zur Erkennung vorgeschlagen, die darauf abzielen, die Signaldynamik aus verschiedenen Blickwinkeln zu quantifizieren. Das Dynamic Time Warping Framework wurde genutzt, um eine Feature Detection Methode zu entwickeln, welches Muster in der Zeitreihe flexibel im Zeitbereich und unabhängig von der Skalierung identifiziert. Um globale Dynamiken zu identifizieren, wird ein überwachtes Lernverfahren eingeführt, dass die Dimensionalität der Zeitreihendaten reduzieren und grundlegende Dynamiken identifizieren kann, aus denen sich die beobachtete individuelle Dynamik zusammensetzt.
Um zu verstehen, wie Zellen den extrazellulären Input kodieren und Informationen übertragen, um angemessene Antworten zu erhalten, wurden für alle drei Szenarien quantitative, zeitaufgelöste Messungen der Signalwegaktivität auf Einzelzellebene erfasst. Die Anwendung der vorgestellten Tools bot einen neuen Einblick in grundlegende biologische Fragen. Auf der Ebene der rohen Bilddaten unterscheidet sich das Zelltracking zwischen den drei biologischen Beispielen kaum. Auf Einzelzellebene weisen die drei untersuchten Signalwege eine unterschiedliche Dynamik auf und stellen daher unterschiedliche Anforderungen an die Analyse.
Der TGFb-Signalweg ist ein multifunktionales Signalsystem, das zelluläre Prozesse im Bereich von Proliferation und Migration bis hin zu Differenzierung und Zelltod reguliert. Störungen der Zellantwort auf TGFb sind an schweren Erkrankungen des Menschen beteiligt. Es wurde gezeigt, dass die Reaktion auf eine gegebene Dosis von TGFb zellspezifisch durch die Konzentration der relevanten Signalproteine bestimmt wird und dass die beobachtete Heterogenität bei der Signalproteinexpression zur Aufspaltung der Zellen in Klassen mit qualitativ unterschiedlicher Signaldynamik führt. Wie sich die Dynamik zwischen den Signalklassen unterscheidet, ließ sich mithilfe des Ansatzes des überwachten Lernverfahrens quantifizieren.
Studien haben die positive Wirkung einer hyperthermischen Behandlung in Kombination mit Bestrahlung oder Chemotherapie bei Krebs gezeigt. Ich wollte verstehen, wie die Dynamik von p53 nach genotoxischem Stress durch die Temperatur über einen physiologisch relevanten Bereich moduliert wird. Im Bereich von 33°C bis 39°C wird die pulsierende p53-Akkumulationsdynamik in der Frequenz moduliert. Die in einem klinischen Umfeld eingesetzte leichte Hyperthermie oberhalb von 40°C wurde simuliert und dabei konnte ein reversibler Phasenübergang in Richtung einer anhaltenden Hyperakkumulation beobachtet werden. Dies stört die kanonische p53-Antwort auf DNA-Doppelstrangbrüche.
Der Blick auf p53 wurde erweiterte um die gleichzeitige Betrachtung einer weiteren Komponente des Signalweges. p21, ein Inhibitor von Cyclin-abhängigen Kinasen, ist der Mediator von p53 in der Wachstumssuppression und ein Marker der zellulären Seneszenz. Das p53 Signal kodiert Informationen über Signalintensität, -dauer und -identität in komplexer Dynamik. Ich habe untersucht, wie diese Dynamik mit der Dynamik von p21 in derselben Zelle zusammenhängt. Es konnte gezeigt werden, dass die p53- und p21-Dynamik nicht unabhängig voneinander sind und dass bestimmte dynamische Muster die dynamische Antwort auf genotoxischen Stress die Populationsdynamik bestimmen. Dies wurde durch die Klassifikation der Dynamiken basierend auf multivariaten Dynamic Time Warping gezeigt. Signalklassen und -dynamik waren mit dem Zellzyklusstatus verbunden. | German |