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Lineare Stabilitätsanalyse von Meta-Nahrungsnetzen

Brechtel, Andreas (2020)
Lineare Stabilitätsanalyse von Meta-Nahrungsnetzen.
Technische Universität Darmstadt
doi: 10.25534/tuprints-00011479
Ph.D. Thesis, Primary publication

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Item Type: Ph.D. Thesis
Type of entry: Primary publication
Title: Lineare Stabilitätsanalyse von Meta-Nahrungsnetzen
Language: German
Referees: Drossel, Prof. Dr. Barbara ; Gross, Prof. Dr. Thilo
Date: 2020
Place of Publication: Darmstadt
Date of oral examination: 19 February 2020
DOI: 10.25534/tuprints-00011479
Abstract:

Ein Teilgebiet der theoretischen Ökologie ist die Analyse der Stabilität von Meta-Nahrungsnetzen. Bei Meta-Nahrungs\-netzen handelt es sich um Nahrungsnetze, die in einen räumlichen Kontext eingebettet sind. Ein Nahrungsnetz beschreibt die Räuber-Beute-Interaktionen der verschiedenen Spezies. Der räumliche Kontext ist durch ein Netzwerk von Habitaten gegeben, in dem sich die verschiedenen Spezies ausbreiten können. Ziel der Untersuchung ist es, die Stabilität von Meta-Nahrungsnetzen zu bewerten und Faktoren zu identifizieren, die sich positiv oder negativ auf die Stabilität eines gegebenen Systems auswirken.

Einen Ansatz für die lineare Stabilitätsanalyse komplexer, nichtlinearer dynamischer Systeme stellt die generalisierte Methode dar. Im Rahmen dieser wird ein System auf einen gegebenen Gleichgewichtszustand normiert. Dabei ist es nicht nötig die Interaktionsfunktionen des Systems explizit zu definieren, wodurch ungerechtfertigte Annahmen vermieden werden können. Es reicht die Abhängigkeiten der Interaktionen von den verschiedenen Populationen zu spezifizieren. Dadurch ist es möglich die Jacobi-Matrix eines Systems in Abhängigkeit von generalisierten Parametern zu bestimmen, die im Kontext von Meta-Nahrungsnetzen über klare biologische Interpretationen verfügen.

Betrachtet man ein homogenes Gleichgewicht eines dynamischen Systems, das in ein räumliches Netzwerk eingebettet ist, so ist es mit Hilfe des Master-Stability-Funktions-Ansatzes möglich das Eigenwertproblem der Jacobi-Matrix, das der linearen Stabilitätsanalyse des Gleichgewichts zugrunde liegt, in zwei Teile zu zerlegen. Der erste Teil ist das Eigenwertproblem der Laplace-Matrix des räumlichen Netzwerks. Der zweite Teil ist ein Eigenwertproblem, das von der lokalen Dynamik des Systems, der Art der räumlichen Kopplung und den Eigenwerten der räumlichen Laplace-Matrix abhängt. Durch diesen Ansatz können diffusionsgetriebene Instabilitäten in diskreten räumlichen Netzwerken in Analogie zu diffusionsgetriebenen Instabilitäten im kontinuierlichem Raum verstanden werden. Dabei haben Netzwerke ein komplexes Spektrum, das lokalisierte Moden enthält, die zu lokalisierten Mustern führen können.

In dieser Arbeit wird dies veranschaulicht, indem der Master-Stability-Funktions-Ansatz auf ein generalisiertes Meta-Nahrungsnetzmodell angewendet wird. Dabei zeigt sich die Abhängigkeit der Dynamik des Systems von der räumlichen Struktur. Im Rahmen von expliziten Simulationen zeigt sich, dass in einem gewissen Rahmen das Verhalten des Systems jenseits des betrachteten Gleichgewichts vorhergesagt werden kann. So können die Eigenvektoren der räum\-lichen Laplace-Matrix als Indikatoren für die auftretenden räumlichen Muster dienen. Dies ist sowohl bei stationären als auch bei raumzeitlichen Mustern der Fall.

Im nächsten Schritt wird das generalisierte Meta-Nahrungsnetzmodell um globale Spezies erweitert, die das gesamte räumliche Netzwerk als einzelnes großes Habitat wahrnehmen, in dem sie jagen können. Der Master-Stability-Funktions-Ansatz wird auf solche Systeme erweitert. Im Rahmen einer statistischen Untersuchung von breiten Klassen von Modellen zeigt sich, dass Systeme mit einem globalen Spitzenräuber stabiler sind, als Systeme mit einem lokalen Spitzenräuber. Globale Spitzenräuber können das System stabilisieren, wenn sie über eine Vielzahl von Beutespezies verfügen. Damit Spitzenräuber ihren stabilisierenden Einfluss voll entfalten können, ist es nötig, dass diese sich frei in ihrem Einzugsgebiet bewegen können. Die Erkenntnisse, die für homogene Systeme mit Hilfe des Master-Stability-Funktions-Ansatzes gewonnen werden konnten, wurden durch entsprechende Analysen von kleineren heterogenen Systemen untermauert.

Im letzten Teil der Arbeit wird eine Methode vorgestellt, die strukturelle Informationen über ein System ausnutzt, um aus den Korrelationen fluktuierender Zeitreihen die Jacobi-Matrix zu rekonstruieren. Durch die Zuhilfenahme struktureller Informationen soll die Menge der für die Rekonstruktion benötigten Daten reduziert werden, die bei korrelationsbasierten Ansätzen oft eine große Barriere in der Anwendung darstellt. Die vorgestellte Methode zur Rekonstruktion von Jacobi-Matrizen wird anhand von Zeitreihendaten getestet, die aus verschiedenen expliziten Meta-Nahrungsnetzmodellen gewonnen worden sind, die um stochastische Fluktuationen ergänzt wurden. Im Rahmen dieser Untersuchung zeigt sich, dass der führende Eigenwert der rekonstruierten Jacobi-Matrix als Frühwarnsignal für einen bevorstehenden Stabilitätsübergang dienen kann. Ändert man in einem System, das sich in einem stabilen Gleichgewicht befindet, die Parameter auf eine Weise, sodass sich das System einer Bifurkation nähert, bei der das Gleichgewicht seine Stabilität verliert, dann nähert sich der Realteil des führenden Eigenwerts von unten der Null an. Der Nulldurchgang des Eigenwerts entspricht dabei dem Bifurkationspunkt. Die Tests zeigen eine gute Übereinstimmung zwischen den Eigenwerten der rekonstruierten Jacobi-Matrix und den Eigenwerten der Jacobi-Matrix des zugrunde liegenden deterministischen Modells. Dabei nimmt die Übereinstimmung in der Nähe der Bifurkation zu. Mit der vorgestellten Methode ist es also möglich eine hohe Genauigkeit zu erzielen, aber die Menge der dafür benötigten Daten ist weiterhin sehr groß.

Auch wenn die genannten Methoden in dieser Arbeit auf Meta-Nahrungsnetze angewendet werden, ist deren möglicher Einsatzbereich nicht auf die Ökologie begrenzt. Die gezeigten Methoden können allgemein als Werkzeug für die Analyse komplexer dynamischer Systeme dienen.

Alternative Abstract:
Alternative AbstractLanguage

One branch of theoretical ecology is the analysis of the stability of meta food webs. Meta food webs are food webs that are embedded in some kind of spatial context. A food web describes the predator prey interactions of the different species. The spatial context is given by a network of habitats in which the different species are able to disperse. The aim of the analysis is to identify factors that have a positive or negative impact on the stability of the system.

An approach to the linear stability analysis of complex nonlinear systems is the generalized method. Using this approach the system is normalized to a given equilibrium. This is done without the need to explicitly define the interaction functions, and therefore unwarranted assumptions can be avoided. It is sufficient to specify the dependencies of the interactions to the different populations. In this way it is possible to calculate the Jacobian of the system in dependance on generalized parameters that are directly interpretable in the biological context.

For homogeneous equilibria it is possible to use the master stability function approach to separate the eigenvalue problem of the Jacobian, that underlies the linear stability analysis, into two parts. The first part is the eigenvalue problem of the Laplacian of the spatial network. The second part is an eigenvalue problem that depends on the local dynamics, the type of spatial coupling and the eigenvalues of the spatial Laplacian. Using this approach it is possible to understand diffusion driven instabilities in spatial networks in analogy to diffusion driven instabilities in continuous space. However networks provide more complex spectra that can lead to localized patterns.

In this thesis we show this by applying the master stability function approach to a generalized meta food web model. Here, the dependance of the systems dynamics on the spatial structure becomes apparent. Explicit simulations suggest that the behavior of the system beyond the equilibrium can be predicted to some extend. The eigenvectors of the spatial Laplacian can be used as an indicator for occurring spatial patterns. This is the case for stationary patterns as well as for spatio-temporal patterns.

In the next step the generalized meta food web model is extended by global species that perceive the whole spatial network as a single habitat in which they are able to hunt. The master stability function approach is extended to acommodate this type of system. A statistical study of a broad class of model systems reveals that systems with a global top predator are more stable that systems with a local top predator. Global top predators stabilize the system if they prey on a large number of prey species. The stabilizing effect of top predators depends on their ability to roam freely. The results that where obtained using the master stability function approach for homogeneous systems where confirmed in smaller heterogeneous systems.

In the last part of this thesis a method for the reconstruction of the Jacobian is presented that uses some structural information of the system in addition to the correlations of stochastic time series data. The addition of structural information is aimed at reducing the amount of data that is needed for correlation based approaches and is a hindrance for many applications. To test the presented method for the reconstruction of the Jacobian matrices, explicit meta food web models with the addition of stochastic behavior are used to generate time series data. The tests show that the leading eigenvalue of the reconstructed Jacobian can be used as a early warning signal for forthcomming bifurcations. If the parameters of a system in a stable equilibrium are changed in such a way that the system is approaching a bifurcation leading to the loss of the equilibriums stability, the leading eigenvalue of the Jacobian approaches zero from below. The point where the eigenvalue crosses zero is the estimated bifurcation point. The tests show that the estimated eigenvalues are in good agreement with the analytically calculated ones of the underlying deterministic systems. The level of agreement increases near the bifurcation. The presented method works with high precision but still requires a large amount of data.

Although the methods shown in this thesis are applied to meta food webs, their potential use is not limited to ecology. The presented methods can generally serve as tools for the analysis of complex dynamic systems.

English
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-114798
Classification DDC: 500 Science and mathematics > 530 Physics
500 Science and mathematics > 570 Life sciences, biology
Divisions: 05 Department of Physics > Institute for condensed matter physics (2021 merged in Institute for Condensed Matter Physics)
05 Department of Physics > Institute for condensed matter physics (2021 merged in Institute for Condensed Matter Physics) > Statistische Physik und komplexe Systeme
Date Deposited: 02 Mar 2020 14:33
Last Modified: 02 Mar 2020 14:34
URI: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/id/eprint/11479
PPN: 462131009
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