Trotz anhaltender Bemühungen bleibt HIV-1 (der Erreger von AIDS) eine ungelöste Gesundheitsbedrohung. Gegenwärtige Therapieansätze blockieren effizient den viralen Lebenszyklus, können die Infektion jedoch nicht heilen, aufgrund des Vorhandenseins eines latenten Reservoirs. Es ist von entscheidender Bedeutung zu verstehen, daß das latente Reservoir neue Runden viraler Replikation initiieren und damit die Infektion weiter verbreiten kann. Das latente Reservoir ist definiert als Zellen (am besten charakterisiert sind ruhende CD4+ T-Gedächtniszellen), die replikationskompetentes Provirus in ihrem Genom beherbergen können, ohne aktiv neue Viren zu produzieren, wobei dieser Zustand umkehrbar ist. Zu den Strategien der Reservoir Beseitigung gehört unter anderem der sogenannte "shock and kill" Ansatz, bei dem es sich um einen zweistufigen Prozess handelt, der im ersten Schritt darauf abzielt, das latente Reservoir zu reaktivieren und neue Viren zu produzieren. In einem zweiten Schritt, der als "kill" bezeichnet wird, wird der Tod dieser virusproduzierenden Zellen durch bestimmte Zellen des Immunsystems induziert. Die Identifikation von Wirtsfaktoren, die an der Etablierung und Aufrechterhaltung von HIV-1-Latenz beteiligt sind, ist daher ein entscheidender Schritt für diesen Therapieansatz (und andere).
Diese Studie hatte zum Ziel, Wirtsfaktoren zu validieren, die an HIV-1-Latenz beteiligt sind. Als Ausgangspunkt dienten hierzu die Ergebnisse eines genomweiten siRNA-Screenings in HEK293T-Zellen, die infiziert waren mit einem HIV-1 Reportervirus das Luciferase exprimiert. Dieses Modell deckt Wirtsfaktoren auf, die potenziell an HIV-1 Transkription und Translation beteiligt sind, und ist an sich kein HIV-1 Latenzmodel, da Luciferase ständig vom viralen Promotor exprimiert wird. Dennoch gehen wir davon aus, dass es eine Überlappung von Wirtsfaktoren gibt, die nicht nur eine Rolle bei der HIV-1 Transkription spielen, sondern auch an der HIV-1 Latenz Etablierung/Beibehaltung. Diese Annahme wurde durch Veröffentlichungen von zwei Wirtsfaktoren bestätigt, nämlich BRD4 und CYLD, die Einfluss auf HIV-1-Latenz nehmen und ebenfalls im primären Screening identifiziert wurden. Für die Auswahl und Validierung primärer Screening-Treffer wurden zwei unterschiedliche Ansätze verfolgt: Für den ersten Ansatz wurden Folgetreffer auf der Grundlage ihrer Fähigkeit, Chromatin zu binden und/oder zu modifizieren, ausgewählt. Dieses Auswahlkriterium basiert auf der Bedeutung der Chromatinumgebung für die Bildung und Aufrechterhaltung der HIV-1 Latenz. In einer ersten Reihe von Experimenten wurde das primäre Screening-Experiment rekapituliert und TRRAP, ein Adaptorprotein, das in Multiprotein Chromatinkomplexen vorkommt und an der epigenetischen Transkriptionsregulation beteiligt ist, wurde erneut als
Treffer bestätigt. Weitere Experimente zielten darauf ab, eine mögliche Rolle von TRRAP in der HIV-1-Latenz zu identifizieren. Dafür wurden J-Lat Zellen verwendet, ein von Jurkat-Zellen abstammendes Latenzmodel, die durch shRNA oder siRNA TRRAP depletiert wurden, gefolgt von Stimulierung mit verschiedenen latenzumkehrenden Wirkstoffen (LRAs), um einen additiven Effekt auf die Latenz zu testen. Trotz intensiver Tests konnte keine eindeutige Beteiligung von TRRAP an HIV-1-Latenz beobachtet werden.
Im zweiten Ansatz wurden Folgetreffer ausgewählt, die durch kommerziell erhältliche chemische Substanzen, inhibiert werden können. Dieser Ansatz wird hier als „Druggability“ bezeichnet. Mehrere Substanzen wurden ausgewählt und auf ihren möglichen Einfluß auf die Latenz allein oder in Kombination mit LRAs getestet. Es wurde festgestellt, dass Auranofin die Umkehrung der Latenz erhöht, wenn es in Kombination mit allen getesteten LRAs, sprich TNFα, Prostratin, SAHA oder Natriumbutyrat, in J-Lat Zellen und in Kombination mit SAHA und Natriumbutyrat in U1 Zellen angewandt wird. Nach der Identifizierung von Auranofin wurden Substanzen, welche dieselben Wirtsfaktoren ansteuern, d.h. PRDX5 und sein übergeordneter Partner TXNRD1, die am Thioredoxin System beteiligt sind, getestet. Hierbei wurde keine Substanz gefunden, die den Effekt von Auranofin identisch rekapitulierte, aber Diminazen wurde identifiziert, die Latenz zu beeinflussen. Am wirksamsten war die Anwendung von Diminazen in Kombination mit TNFα oder Prostratin, der erzielte Effekt war wesentlich höher als der von Auranofin erzielte Effekt, war allerdings Zelllinien spezifisch, da dieser nur in J-Lat aber nicht in U1 Zellen gefunden wurde. Die Bestätigung des vermeintlichen Targets von Auranofin (und Diminazen) durch siRNA-Versuche zeigte einen kleinen Effekt und unterstützt die Vermutung, dass das assoziierte System wirklich das Ziel der Substanz(en) ist. Basierend auf Literaturangaben, beeinflußt Auranofin das Thiol-redoxin Sytem, welches an der Reduktion von reaktive Sauerstoffspezien und oxidierte Proteine beteiligt ist. Die Funktionalität dieses Prozesses ist von entscheidender Wichtigkeit für die Zelle. Diminazen, auf der anderen Seite, beeinträchtigt wohl das Polyamin Gleichgewicht, welches an einer Fülle von Prozessen und Interaktionen beteiligt ist. Ein Ungleichgewicht in der Polyamin Homöostase könnte den zellulären Redox Status beeinflussen. Dies könnte auf eine Verbindung zwischen den beiden Systemen hindeuten. Ob diese Systeme allerdings wirklich miteinander verbunden sind oder nicht, muß experimentell bestätigt werden. Nichtdestotrotz, sind beide Systeme von hoher Bedeutung für die Zelle mit weitreichenden Konsequenzen und somit ist auch ein potentieller Einfluss auf den Status des Provirus wahrscheinlich.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß wir in einem unvoreingenommenen System-basierenden Ansatz zwei Substanzen identifiziert haben, die eine Umkehrung der Latenz in Kombination mit anderen LRAs vermitteln. Wir
Targets von diesen Substanzen sind, genauer zu untersuchen, da dies bis dato noch nicht (intensiv) getestet wurde hinsichtlich eines Einflusses auf HIV-1 Latenz. Das Targeting dieser Systeme könnte helfen das latente Reservoir angreifbar zu machen. | German |