Scientific Railway Signalling Symposium 2024. Einfach Fahren! – Digitale Transformation im Spannungsfeld Automatisierung, europäische Standardisierung und schneller Rollout
Scientific Railway Signalling Symposium 2024. Einfach Fahren! – Digitale Transformation im Spannungsfeld Automatisierung, europäische Standardisierung und schneller Rollout
„Einfach Fahren!“ ist einer der häufigsten Wünsche von Bahnreisenden. Allzu oft kann dieser Wunsch jedoch aufgrund verschiedener Sachzwänge im System Bahn nicht in der gewünschten Qualität erfüllt werden. Insbesondere Folgeverspätungen, die z.B. durch Kapazitätsengpässe verursacht oder begünstigt werden, führen zu Unzufriedenheit bei den Fahrgästen. Damit die auch im Rahmen der Verkehrswende angestrebten Kapazitätssteigerungen im Schienennetz erreicht werden können, müssen unter anderem die verfügbare Infrastruktur, der Bahnbetrieb sowie die Leit- und Sicherungstechnik (LST) optimal aufeinander abgestimmt werden. Auf der Infrastrukturseite müssen bestehende Engpässe durch beispielsweise gezielte Neu- und Ausbauprojekte beseitigt werden. Dies erfordert aufgrund des Fachkräftemangels eine Planung mit automatisierter Planungsunterstützung und zur Aufrechterhaltung eines akzeptablen Betriebs eine kundenfreundliche Bauausführung. Weitere Verbesserungen müssen im bestehenden Netz durch innovative Ansätze der Leit- und Sicherungstechnik erreicht werden. Um Interoperabilitätsbrüche zu vermeiden und Skaleneffekte bei der Beschaffung realisieren zu können, ist die europäische Standardisierung insbesondere der zukünftigen Systemarchitektur von großer Bedeutung. Gleichzeitig ist ein zügiger, schrittweiser Rollout anzustreben. Diesen spannenden Themen widmete sich das 7. Scientific Railway Signalling Symposium (SRSS) 2024, das am 28. November erstmals in Berlin stattfand und vom Fachgebiet Bahnbetrieb und Infrastruktur der TU Berlin gemeinsam mit dem Institut für Bahnsysteme und Bahntechnik der TU Darmstadt sowie der DB InfraGO AG organisiert wurde. Ca. 100 Fachexpert:innen aus Forschung und Praxis verfolgten die unterschiedlichen Vorträge unter dem Tagungstitel „Einfach Fahren! – Digitale Transformation im Spannungsfeld Automatisierung, europäische Standardisierung und schneller Rollout“ und brachten ihre Expertise in Diskussionsrunden ein. Zu Beginn des Symposiums stellte Daria Menzel vom CERSS Kompetenzzentrum Bahnsicherungstechnik GmbH in ihrer Keynote die Entwicklungen und Zulassungsprozesse in der Leit- und Sicherungstechnik (LST) vor. Zunächst erläuterte sie den Begriff der digitalen Transformation (auch „digitaler Wandel“) und die notwendigen Schritte, um diesen Veränderungsprozess voranzutreiben. Darauf aufbauend ging sie auf die strategischen Schritte zur Einführung innovativer Systeme wie dem Digitale Stellwerk (DST) ein. Darüber hinaus erläuterte sie die Herausforderungen, die sich aus der Komplexität der Entwicklung und Zulassung ergeben und skizzierte die Prozesse der Zulassungsbewertung. Damit war ein gelungener Einstieg in das Symposium gegeben. Anschließend folgten die Fachvorträge des Symposiums in parallelen Sessions. Den Abschluss bildete Bernd Elsweiler, der über seine Erfahrungen bei der Inbetriebnahme des digitalen Stellwerks Meitingen-Mertingen berichtete und einen Ausblick auf den weiteren Forschungsbedarf gab. In dieser Publikation sind diejenigen Beiträge enthalten, die erfolgreich den Review-Prozess durchlaufen haben. In gleich zwei Fachbeiträgen wird das Forschungsprojekt „Automatisiert fahrende Regionalzüge in Niedersachsen (ARTE)“ vorgestellt. Tobias Bekehermes von der ALSTOM Signal GmbH stellt die notwendige Fahrzeugausrüstung für ATO GoA3/4 und RTO vor, um die Möglichkeit aufzuzeigen, auch mit Altfahrzeugen und auf Regionalstrecken bzw. in Abstellanlagen ohne ETCS-Streckenausrüstung fahrerlos zu fahren. RTO stellt dabei eine mögliche Rückfallebene dar. Neben der Automatisierung in GoA 3 und 4 ist ein weiterer Schwerpunkt des ARTE-Projektes die Entwicklung einer vereinfachten Fernsteuerung mittels Tabletcomputer für die Rückfallebene. Justin Adam und Bekir Arslan von der Technischen Universität Berlin stellen gemeinsam mit Anja Naumann vom DLR die Entwicklung und Realerprobung einer Steuerung über Tablet für Remote Train Control vor, die neue betriebliche Möglichkeiten für die Übernahme von gestörten Zügen durch das Zugbegleitpersonal auch innerhalb des Zuges eröffnet. Aufgrund der Digitalisierung und Automatisierung spielt die IT-Sicherheit für Schienenfahrzeuge eine sehr wichtige Rolle. Damit Angriffe in Echtzeit detektiert und schnellstmöglich abgewendet werden können, stellen Simon Unger und Stefan Katzenbeisser von der Universität Passau in ihrem Beitrag eine Hardware-basierte Sicherung von Eisenbahn-Intrusion-Detection-Systemen vor. Diese erkennt fahrzeugseitig Angriffe und warnt zuständiges Personal. Sicherer Bahnbetrieb ist kein verhandelbares Ziel. Miroslav Pejic, Bilal Üyümez und Andreas Oetting von der TU Darmstadt stellen gemeinsam mit Robert Arndt und Marko Pavlic von der M2C ExpertControl GmbH ein KI-gesteuertes FOS-System für sicherheitskritischen Anwendungen im Bahnverkehr vor. Der Fokus liegt dabei auf Zugortung und Zugintegrität. Jochen Trinckauf vom CERSS Kompetenzzentrum Bahnsicherungstechnik GmbH und Norbert Klaus Apel von der DB InfraGO AG stellen in ihrem Beitrag eine Teilautomatisierung der Bauüberwachung und der Abnahmeprüfung von Anlagen der Leit- und Sicherungstechnik am Beispiel der ETCS-Balise vor. Um die Kommunikation zwischen dem Fahrdienstleiter und dem Disponenten des EIU zu unterstützen und den Arbeitsaufwand zu reduzieren, stellen Moritz Wühr, Arne Cassens, Sebastian Schön sowie die Mitautoren von der DB InfraGO AG in ihrem Beitrag einen Autopiloten für Stellwerke vor. Felix Dschung stellt in seinem Beitrag die Notwendigkeit eines Lastmanagements für Akkuzüge vor und geht dabei auf mögliche Kommunikationstopologien ein. Markus Bolli von der SUPREXA AG widmet sich ausführlich der spannenden Frage „Wie Qualität Innovation verhindern kann“. Die breite Themenvielfalt der in diesem Tagungsband enthaltenen Artikel zeigt, wie dynamisch das Umfeld in unserer Branche derzeit ist und wie viele spannende Innovationen wir in den nächsten Jahren erwarten dürfen.

