TUD Technische Universität Darmstadt
Universitäts- und Landesbibliothek
ULB Darmstadt

EPDA - Elektronische Publikationen Darmstadt


Autor: Arntz, Melanie
Titel:The Geographic Mobility of Heterogeneous Labour in Germany
Dissertation:TU Darmstadt, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, 2007

Die Dokumente in PDF 1.3 (mit Adobe Acrobat Reader 4.0 zu lesen):

dissertation_arntz.pdf (4891223 Byte)

Abstract auf Deutsch:


Die im internationalen Vergleich niedrige räumliche Mobilität in Deutschland wird häufig als Ursache für einen unzureichenden Ausgleich regionaler Ungleichgewichte genannt und mit einer hohen regionalen Mismatch-Arbeitslosigkeit in Verbindung gebracht. Hinsichtlich des wünschenswerten Ziels eines Wachstums- und Beschäftigungszuwachses sowie der Reduktion interregionaler Disparitäten rückt die Mobilitätsbereitschaft von Arbeitslosen unmittelbar in den Mittelpunkt des Interesses. Entscheidend für die Nutzung oder Nichtnutzung von Wachstums- und Beschäftigungspotenzialen durch räumliche Mobilität sind jedoch die individuellen Anreizstrukturen dieser Erwerbspersonen, die keineswegs homogen sein müssen.

Ein wesentliches Ziel der vorliegenden empirischen und mikroökonometrischen Arbeit besteht daher darin, die Determinanten individueller Mobilitätsentscheidungen von Arbeitslosen zu analysieren. So soll zunächst der Frage nachgegangen werden, in welchem Maße heterogene Gruppen von Arbeitslosen (z.B. Qualifikationsgruppen) ihre Suchstrategien auf regionale Arbeitsmarktbedingungen abstimmen. Eine solche Anpassung an regionale Arbeitsmarktbedingungen ist vor allem für den Ausgleich regionaler Ungleichgewichte wünschenswert. Die empirischen Ergebnisse zeigen jedoch, dass nur gut ausgebildete und besser verdienende Arbeitslose auf eine verschlechterte regionale Arbeitsnachfrage mit einer erhöhten Abwanderung reagieren. In einem weiteren Schritt untersucht die Arbeit daher, in welchem Maße institutionelle Faktoren für die räumliche Immobilität einiger Arbeitsmarktsegmente verantwortlich gemacht werden können. Während die empirischen Analysen darauf hinweisen, dass der mobilitätshemmende Einfluss eines erhöhten regionalen Angebots an aktiven Arbeitsmarktprogrammen als begrenzt einzuschätzen ist, zeigt sich in verschiedenen Analysen wiederholt der mobilitätshemmende Einfluss einer verlängerten Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld und einer höheren Lohnersatzquote. Da geringqualifizierte Arbeitslose häufig sehr hohe Lohnersatzquoten erhalten, könnte dies somit eine Ursache für deren geringe Mobilitätsneigung und schwache Reaktion auf regionale Arbeitsmarktbedingungen sein. Die vorliegende Arbeit identifiziert somit institutionelle Faktoren, die die Mobilität von Arbeitslosen reduzieren und zeigt damit Möglichkeiten auf, wie bestehende Wachstums- und Beschäftigungspotenziale durch räumliche Mobilität konsequenter genutzt werden können.

Den potenziellen Vorteilen einer erhöhten Mobilität stehen jedoch auch eine Reihe von Nachteilen gegenüber. Neben einem potenziellen Verlust an sozialem Kapital durch die Un-terbrechung sozialer Netzwerke entstehen Kosten für die Gesellschaft beispielsweise durch die Notwendigkeit, die öffentliche Infrastruktur (z.B. Schulen, Krankenhäuser) sowohl in den Zuzugs- als auch in den Wegzugsgebieten einer veränderten Zahl und Struktur der ortansässigen Bevölkerung anzugleichen. Darüber hinaus führt die negative Selektion der Dagebliebenen in den Wegzugsgebieten zu einer ungünstigen Qualifikations- und Altersstruktur der Bevölkerung, welche das langfristige Entwicklungspotenzial der Region gefährdet. Neue Investitionstätigkeiten finden in der Abwanderungsregion kaum noch statt, so dass der ursprüngliche Abwanderungsschub einen weiteren Niedergang im Sinne eines kumulativen Prozesses bewirkt. Anstelle einer räumlichen Konvergenz kann eine erhöhte interregionale Mobilität daher auch zu einer räumlichen Divergenz beitragen. Ein Politikansatz zur Nutzung der Beschäftigungs- und Wachstumspotenziale durch eine Erhöhung räumlicher Mobilität sollte daher durch eine ausgleichende Sozial- und Wirtschaftspolitik flankiert werden, die versucht die Kehrseiten der Flexibilisierung aufzufangen.

Als ein Beitrag zu diesem Vorhaben, besteht ein weiteres Anliegen der vorliegenden Arbeit daher darin, Möglichkeiten zu identifizieren, einer divergenten Wirkung der räumlichen Mobilität auf das regionale System entgegenzuwirken. Dies ist insbesondere vor dem Hinter-grund der Abwanderung Hochqualifizierter von Ost- nach Westdeutschland und der Gefahr einer Verfestigung des West-Ost-Gefälles von hoher Relevanz. Ziel der empirischen Analyse ist es daher, die Determinanten der qualifikatorischen Zusammensetzung von Migrationsströmen in Deutschland zu bestimmen und somit Wege aufzuzeigen, dem Wegzug von Hochqualifizierten aus Ostdeutschland entgegenzuwirken. Zu diesem Zweck werden Zielregionenentscheidungen von hochqualifizierten und weniger qualifizierten Arbeitskräften analysiert. Dabei zeigt sich, dass Hochqualifizierte vor allem Zielregionen mit einem hohen Lohniveau bevorzugen, während für weniger Qualfizierte eine geringe regionale Arbeitslosigkeit von größerer Bedeutung ist. Die Wirtschaftspolitik könnte somit einen Beitrag dazu leisten, den Wegzug von Hochqualifizierten zu stoppen ohne den Wegzug von weniger Qualifizierten zu erhöhen, indem sie die Voraussetzungen für einen Anstieg von Löhnen für hochqualifizierte Arbeitskräfte in Ostdeutschland schafft, der nicht zugleich auch zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führt. Neben Maßnahmen zur Steigerung der ostdeutschen Produktivität könnten auch regional flexiblere Lohnabschlüsse, die beispielsweise ein regional höheres Maß an Lohnspreizung zulassen, hierfür Ziel führend sein.

Die Dissertation leistet somit einen Beitrag zur Gestaltung einer Wirtschaftspolitik, die die Anreizwirkungen auf die räumliche Mobilität heterogener Arbeitsmarktsegmente stärker berücksichtigt und damit zur Nutzung möglicher Flexibililisierungspotenziale beiträgt, aber gleichzeitig auch die möglichen negativen Auswirkungen einer räumlichen Flexibilisierung auf die Zu- und Abwanderungsregionen abzumildern vermag.




Abstract auf Englisch:

Levels of interregional migration in Germany are relatively low in international comparison and may contribute to lower overall employment levels, lower economic growth and persistent regional employment disparities. Increasing levels of geographic mobility may thus be a means of realising potential welfare gains and reducing regional employment disparities. Against this background, the willingness and ability of unemployed individuals to seek employment elsewhere is of central concern if geographic mobility is to contribute to higher overall employment levels and to an accelerated regional convergence. The effectiveness of migration as a means of realising these desirable goals, however, depends on the heterogeneous disincentive and incentives that shape individual mobility decisions.

The major objective of this empirically and microeconometrically oriented dissertation thus is to shed light on the determinants of individual mobility decisions for heterogeneous groups of unemployed. In particular, the thesis examines whether different groups of unemployed jobseekers adjust their search strategies to local labour market conditions. Such responsiveness to local labour market conditions is desirable if migration is to contribute to a reduction of regional employment disparities. Empirical results indicate that only skilled and well-earning individuals respond to unfavourable local labour demand conditions by higher levels of migration. As a next step, the thesis thus examines to what extent institutional factors such as active and passive labour market policies are responsible for the immobility of certain labour market segments. While the empirical results point towards a limited mobility-reducing impact of the local supply of active labour market programs, several results throughout the theses indicate that the unemployment compensation, especially prolonged entitlements to unemployment benefits as well as higher income replacement rates, noticeably reduce mobility levels. Since low-skilled unemployed tend to have very high income replacement ratios, the relatively generous unemployment compensation system in Germany could be one explanation for the low mobility level and weak responsiveness to regional labour market conditions among low-skilled unemployed. This thesis thus reveals institutional barriers to mobility, especially for low-skilled unemployed, and hence identifies some scope for increasing geographic mobility and realising some of the aforementioned welfare gains.

In addition to the potential welfare gains from raising interregional mobility in Germany, there are also a number of possible downsides. Besides a potential loss of social capital due to the interruption of social networks that are important for the informal organization of child care and the care for the elderly, costs to the society may arise from the necessity to adjust the public infrastructure in net in-migration and net out-migration regions to the changing level and composition of the local population. In addition, the negative selection of those remaining in depressed regions in terms of age and qualification may undermine the future growth potential of these regions, thus triggering a self-reinforcing decline. Higher levels of interregional mobility may thus have a divergent rather than a convergent impact on the regional system. Policies to realise the potential welfare gains from higher levels of interregional mobility should thus be complemented by compensating social and economic policies that aim at mitigating its possible negative consequences.

As a contribution to such a comprehensive policy approach, a second objective of this thesis is to provide insights on how to cushion one particular downside of a higher level of geographic mobility, namely its potentially divergent effect on the regional system. This is of high relevance given the net migration of skilled individuals from eastern to western Germany which may reinforce the existing regional employment and wage disparities between both parts of Germany. The thesis thus aims at identifying the scope for counteracting the brain drain in eastern Germany by empirically examining the factors that determine the skill composition of migration flows in Germany. For this purpose, the study looks at destination choices of heterogeneous skill groups. The findings indicate that spatial job matching patterns by high-skilled individuals are mainly driven by interregional income differentials, while interregional job matches by less-skilled individuals are mainly affected by interregional differentials in job-finding opportunities. Economic policy could thus contribute to reducing the brain drain from eastern Germany without raising east-west migration among less-skilled by creating the conditions for an increasing skill premium and stable unemployment levels for less-skilled workers. Besides measures for raising eastern productivity levels, regionally tailored wage agreements which allow for regionally higher levels of wage dispersion, may thus be a promising policy direction.

This dissertation thus contributes to designing a comprehensive policy approach that, one the one hand, aims at reducing institutional disincentives in order to raise geographic mobility and realise its potential welfare gains and that, at the same time, tries to cushion the possible downsides of a higher level of interregional mobility.



Dokument aufgenommen :2007-07-10
URL:http://elib.tu-darmstadt.de/diss/000843