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Modellierung dynamischer Güterflüsse zur Analyse von Risiken in der Lebensmittelversorgung

Balster, Andreas (2019)
Modellierung dynamischer Güterflüsse zur Analyse von Risiken in der Lebensmittelversorgung.
Technische Universität
Ph.D. Thesis, Primary publication

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Item Type: Ph.D. Thesis
Type of entry: Primary publication
Title: Modellierung dynamischer Güterflüsse zur Analyse von Risiken in der Lebensmittelversorgung
Language: German
Referees: Boltze, Prof. Dr. Manfred ; Friedrich, Prof. Dr. Hanno
Date: 2019
Place of Publication: Darmstadt
Date of oral examination: 24 September 2018
Abstract:

Die zuverlässige Versorgung mit Lebensmitteln ist ein wesentlicher Teil der Daseinsvorsorge. In Deutschland wird diese herausfordernde Aufgabe durch die Zusammenarbeit einer Vielzahl privatwirtschaftlicher Akteure bewältigt. Grundvoraussetzungen für eine zuverlässige Versorgung sind dabei die Funktionstüchtigkeit von Infrastrukturen sowie die Verfügbarkeit von Gütern und Dienstleistungen weiterer Sektoren. Extreme Ereignisse wie Stromausfälle, Hitzewellen oder Pandemien stellen Gefahren dar, deren Eintritt dieses komplexe und dynamische System der Lebensmittelversorgung signifikant beeinträchtigen kann, mit entsprechend schwerwiegenden Folgen für die Bevölkerung. Die bestehenden Notfallkonzepte staatlicher wie privatwirtschaftliche Akteure sind derzeit nicht darauf ausgelegt, durch frühzeitige Eingriffe die Auswirkungen extremer Ereignisse auf die Lebensmittelversorgung abzumildern, um beispielsweise schwerwiegende Arbeitskräftemängel oder großflächige, anhaltende Ausfälle technischer Basisinfrastrukturen überbrücken zu können. Derartige Planungen erfordern quantitative Analysen, welche die wirtschaftliche Verflechtung, räumliche Struktur und zeitliche Dynamik des Lebensmittelversorgungssystems hinreichend berücksichtigen. Rein statische Analysen bestehender Statistiken genügen für solch eine integrierte Betrachtung nicht. Um mögliche Risiken aufzudecken, müssen aussagekräftige Indikatoren, wie zum Beispiel Bestandsentwicklungen und erforderliche Transportkapazitäten, bestimmt werden. Hierzu ist ein quantitatives Modell erforderlich, das die Lebensmittelversorgung simuliert und dabei die Abhängigkeiten, die sich aus dem wirtschaftlichen, räumlichen und zeitlichen Kontext von Produktion, Lagerung, Transport, Handel und Konsum ergeben, wirklichkeitsnah auf Basis von Realdaten abbildet.

Die bestehenden Forschungsarbeiten in diesem Bereich fokussieren auf qualitative Risikoanalysen oder beschränken die Betrachtung auf abgegrenzte Subsysteme, wie einzelne Unternehmen, spezifische Lieferketten oder ausgewählte Räume. Risiken, die aus der Dynamik und Komplexität des gesamten Lebensmittelversorgungssystems entstehen, können bisher nicht umfassend analysiert werden.

Die vorliegende Arbeit adressiert diesen Forschungsbedarf, indem ein makroskopisches und gleichzeitig detailliertes, dynamisches Güterverkehrsnachfragemodell der deutschen Lebensmittelversorgung entwickelt wird. Das Modell namens FOODFLOW unterscheidet 51 Gütergruppen in drei Temperaturbereichen. Die wirtschaftlichen Verflechtungen dieser Gütergruppen werden im Rahmen einer Input-Output-Analyse identifiziert. Das daraus entstehende sektorale, physische Input-Output-Modell wird mittels räumlichen Verflechtungen zu einem MSMRIO-Modell erweitert. Dafür werden zuerst Güteraufkommen und Nachfrage auf 402 Regionen innerhalb Deutschlands sowie die 50 wichtigsten internationalen Handelspartner verteilt. Dabei wird das gesamte Versorgungssystem inklusive Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung, Großhandel, Lebensmitteleinzelhandel sowie Endkonsumenten abgedeckt. Durch Kalibrierung an Daten der Bundesverkehrswegeplanung werden realistische Ergebnisse gewährleistet. Das dafür entwickelte Kalibrierungsverfahren kombiniert Gravitations- und Optimierungsmodelle. Auf dieser Basis werden die Verläufe der Bestände und benötigten Transportkapazitäten aller Gütergruppen, Akteursgruppen und Regionen simuliert. Basisjahr für die Modellanwendung ist 2012 mit einer tagesgenauen Auflösung.

Die resultierenden Anwendungsmöglichkeiten werden an vier Beispielen verdeutlicht: Zuerst wird mit FOODFLOW die Vulnerabilität der deutschen Regionen anhand verschiedener Indikatoren veranschaulicht. Anschließend wird am Beispiel des EHEC-Ausbruchs von 2011 gezeigt, wie die kalibrierten räumlich-wirtschaftlichen Verflechtungen zur Verfolgung von lebensmittelbezogenen Krankheitsausbrüchen genutzt werden können. Neben diesen statischen Anwendungen ist es mit FOODFLOW erstmals möglich, die Ausbreitung von Störungen in der Lebensmittelversorgung räumlich und zeitlich nachzuvollziehen und dadurch die Auswirkungen für die Endkonsumenten abzuschätzen. Diese Funktionalität wird anhand der Szenarien der Sperrung des Hamburger Hafens sowie einer extremen Steigerung der Getränkenachfrage im Großraum Berlin veranschaulicht.

Mit der Implementierung von FOODFLOW wird gezeigt, dass es möglich ist, ein dynamisches Güterflussmodell der Lebensmittelversorgung durch Kombination und Interpretation verfügbarer Daten zu entwickeln. Die hohe räumliche Auflösung sowie die akteursgruppen- und tagesgenaue Abbildung der Systemdynamik erlauben es, auch unterjährige Entwicklungen und Abhängigkeiten zu identifizieren. Damit ermöglicht FOODFLOW erstmals eine umfassende Analyse der Vulnerabilität der deutschen Lebensmittelversorgung sowie der Störungsauswirkungen für die betroffene Bevölkerung. Außerdem kann der Umfang bestimmter reaktiver Maßnahmen, etwa die zusätzlich entstehende Güterverkehrsnachfrage, sowie der Einfluss bestimmter präventiver Maßnahmen prognostiziert werden.

Diese Ergebnisse erhöhen die Transparenz des Lebensmittelversorgungssystems und ermöglichen eine verbesserte Krisenprävention auf nationaler Ebene. Die vorliegende Arbeit leistet damit sowohl einen Beitrag zur Forschung als auch zur Sicherung der Lebensmittelversorgung.

Alternative Abstract:
Alternative AbstractLanguage

A reliable food supply is an essential part of the populations well-being. In Germany, this challenging task is being handled through the cooperation of a large number of private sector actors. The basic requirements for reliable supply are the operability of infrastructures and the availability of goods and services from other sectors. Extreme events, such as power outages, heat waves or pandemics, pose risks whose occurrence can significantly compromise this complex and dynamic food supply system, resulting in severe consequences for the population. The existing emergency plans of state and private sector actors are currently not designed to mitigate the effects of extreme events on food supply through early intervention, for example in order to cover major labour shortages or large-scale, prolonged disruptions of technical infrastructures. Better planning requires quantitative analyses that take into consideration the economic interdependence, spatial structure, and temporal dynamics of the food supply system. Purely static analyses of existing statistics are not adequate for such an integrated approach. In order to uncover possible risks, meaningful indicators such as stock developments and necessary transport capacities must be determined. For this purpose, a quantitative model is necessary that simulates the food supply and realistically maps the dependencies resulting from the economic, spatial and temporal context of production, storage, transport, trade, and consumption on the basis of real data.

Existing research in this area focuses on qualitative risk analyses or limits the scope to delimited subsystems, such as individual companies, specific supply chains, or selected areas. Risks arising from the dynamics and complexity of the entire food supply system cannot yet be analysed in detail.

This thesis addresses this research gap by developing a macroscopic and at the same time detailed, dynamic freight transport demand model of the German food supply system. The model called FOODFLOW differentiates 51 commodity groups in three temperature ranges. The economic interdependencies of these commodity groups are identified with an input-output analysis. The resulting sectoral, physical input-output model is extended to a multi-scale multi-regional input-output (MSMRIO) model by incorporating spatial interactions. To do so, commodity productions and demands are first allocated to 402 regions within Germany and the 50 most important international trading nations. Thereby the entire supply system including agriculture, food processing, food retailing, wholesale, and the end consumer is covered. Realistic results are ensured by calibration on official data of the Federal Transport Infrastructure Plan. The calibration method developed for this purpose combines gravitational and optimisation models. On this basis, the course of inventories and required transport capacities of all groups of goods, groups of actors, and regions are simulated. The base year for the model application is 2012 with a day-accurate resolution.

Possible applications are illustrated by four examples: Initially, FOODFLOW visualises the vulnerability of the German regions using various indicators. Afterwards, the example of the EHEC outbreak of 2011 will show how the calibrated spatio-economic interactions can be used to track foodborne disease outbreaks. In addition to these static applications, FOODFLOW makes it possible to track the spatial and temporal propagation of disruption impacts in the food supply system and thus to estimate the effects for end consumers. This functionality is demonstrated by the scenarios of the closure of the Port of Hamburg and an extreme increase in demand for beverages in the greater Berlin area.

The implementation of FOODFLOW shows that it is possible to develop a dynamic commodity flow model of the German food supply system by combining and interpreting available data. The high spatial resolution as well as the actor group and day-accurate mapping of system dynamics make it possible to identify developments and dependencies even during the year. For the first time FOODFLOW enables a comprehensive analysis of the vulnerabilities of the German food supply system as well as the impact on the affected population. In addition, the extent of certain responsive measures, like the resulting additional freight transport demand, and the influence of certain preventive measures can be forecasted.

These results increase the transparency of the German food supply system and enable improved crisis prevention at a national level. The present work thus contributes both to research and to securing the food supply system.

English
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-83362
Classification DDC: 300 Social sciences > 330 Economics
300 Social sciences > 380 Commerce, communications, transportation
600 Technology, medicine, applied sciences > 620 Engineering and machine engineering
600 Technology, medicine, applied sciences > 630 Agriculture, veterinary medicine
Divisions: 13 Department of Civil and Environmental Engineering Sciences > Institutes of Transportation
13 Department of Civil and Environmental Engineering Sciences > Institutes of Transportation > Institute for Transport Planning and Traffic Engineering
Date Deposited: 30 Jan 2019 14:04
Last Modified: 09 Jul 2020 02:28
URI: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/id/eprint/8336
PPN: 442018444
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