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Anforderungen an ein System zur Evaluierung potentieller Langzeitschäden durch den Einsatz gentechnischer Methoden in der Nahrungsmittelherstellung und -verarbeitung

Katzek, Jens (2000)
Anforderungen an ein System zur Evaluierung potentieller Langzeitschäden durch den Einsatz gentechnischer Methoden in der Nahrungsmittelherstellung und -verarbeitung.
Technische Universität
Ph.D. Thesis, Primary publication

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Item Type: Ph.D. Thesis
Type of entry: Primary publication
Title: Anforderungen an ein System zur Evaluierung potentieller Langzeitschäden durch den Einsatz gentechnischer Methoden in der Nahrungsmittelherstellung und -verarbeitung
Language: German
Referees: Gassen, Prof. Dr. Hans Günther ; Friedl, Prof. Dr. P.
Advisors: Gassen, Prof. Dr. Hans Günther
Date: 27 June 2000
Place of Publication: Darmstadt
Date of oral examination: 8 May 2000
Abstract:

Der Einsatz der gentechnischer Methoden bei der Synthese und Veränderung von Lebensmittelbestandteilen unterliegt strengen gesetzlichen Regeln, die eine umfangreiche Risikoabschätzung vor dem Inverkehrbringen gewährleisten sollen. Erfahrungen aus anderen Technikbereichen – insbesondere der Pharmazie – zeigen jedoch, daß Risikoabschätzungen vor dem Inverkehrbringen eines Produktes nicht in der Lage sind, alle möglichen Rahmenbedingungen für die Evaluierung des Gefährdungspotentials bereits im voraus zu erfassen. Um sowohl die im Rahmen des pre-marketing getroffenen Aussagen bezüglich der Risikoabschätzung verifizieren zu können, als auch um eine größere Akzeptanz für den Einsatz gentechnischer Methoden in der Lebensmittelherstellung und –verarbeitung zu erreichen, wird verstärkt gefordert, ein post-Marketing Surveillance oder auch post-Marketing Monitoring System (pMMS) aufzubauen. Im Rahmen dieser Arbeit wurde erstmals aus wissenschaftlicher Sicht ein Protokoll für das Langzeitmonitoring gentechnisch veränderter Organismen und für die im Zusammenhang mit der Verwendung gentechnischer Methoden postulierten Risiken in einem breiten Bevölkerungskreis erarbeitet. Dafür wurde zunächst die relevante Literatur auf mögliche Hinweise für solche Langzeitfolgen untersucht. In einem nächsten Schritt wurde die Risikoabschätzung von bereits zugelassenen Produkten und insbesondere die Erfahrungen im post-Marketing Monitoring dieser Produkte analysiert. Hierzu gehören: (1) Medikamente; wobei dies auch die Untersuchung der Strukturen und der Effektivität der bestehenden gesetzlichen Grundlagen für ein post-Marketing Monitoring im pharmazeutischen Bereich umfaßte; (2) bestrahlte Lebensmittel; (3) Lebensmittelzusatzstoffe; (4) der Fettersatzstoff Olestra. Aus diesen Erfahrungen wurden dann allgemeingültige Aussagen getroffen, die auf andere Lebensmittel übertragbar sind. Des weiteren wurde die im Rahmen des gesetzlichen Rahmens vorgeschriebene und durchgeführte Risikoabschätzung verschiedener gentechnisch hergestellter Produkte analysiert um mögliche Ansatzpunkte für besondere Fragestellungen zu identifizieren, denen im Rahmen eines post-Monitoring Systems nachgegangen werden sollte. Bei diesen Produkten handelte es sich um: (1) die Verwendung des aus gentechnisch verändertem Aspergillus gewonnenen Enzyms Xylanase, das in der Brotherstellung genutzt wird, (2) gentechnisch veränderte Tomaten, wie die FLAVR SAVR ?-Tomate, (3) Öle aus gentechnisch verändertem Raps mit einer modifizierten Fettsäurezusammensetzung, (4) Soja, die gegenüber dem Herbizid RoundUp Ready resistent ist. Die Ergebnisse dieser Arbeit lassen sich wie folgt zusammenfassen: (1) Die Forderungen insbesondere aus dem politischen Raum nach der Etablierung eines post-Marketing Monitoring System (pMMS) für gentechnisch veränderter Lebensmittel bestehen und werden aufgrund der Zuspitzung der öffentlichen Diskussion über die Anwendung der Gentechnik im Lebensmittelbereich eher lauter. (2) Die Erfahrungen aus dem Langzeitmonitoring in verschiedenen anderen Bereichen, die im Rahmen dieser Arbeit analysiert wurden, lassen sich auf das Monitoring gentechnisch veränderter Lebensmittel übertragen. (3) In der hier vorgelegten Studie werden die Anforderungen beschrieben, die an ein solches pMMS zu stellen sind. Die herausgearbeiteten Schwierigkeiten bei der Detektion unerwünschter Langzeitfolgen, die durch den Verzehr gentechnisch veränderter Lebensmittel bedingt sein können, sowie der möglichst eindeutige Nachweis eines Kausalzusammenhanges zwischen dem Verzehr eines solchen Lebensmittels und der beobachteten gesundheitlichen Beeinträchtigung, haben zu der Erkenntnis geführt, daß ein post-Marketing Monitoring System nicht auf einer einzigen Maßnahme allein beruhen kann, sondern daß ein solches System verschiedene, gleichberechtigte Maßnahmen umfassen muß. (4) Der derzeit bestehende Rechtsrahmen sieht ein pMMS für Lebensmittel nicht vor. Es gibt jedoch aus anderen Bereichen (insbesondere der Pharmazie) Erfahrungen, die auf den Lebensmittelbereich übertragbar wären. (5) Für den Nachweis von Kausalzusammenhängen ist sowohl eine ausreichende Kennzeichnung des gentechnisch veränderten Lebensmittels notwendig, als auch die Bereitstellung entsprechender Analysetechniken, die es ermöglichen, im Falle einer Nicht-Kennzeichnung (z.B. im Falle von Offenware) den Nachweis der gentechnischen Veränderung zu erbringen. (6) Die Erfahrungen mit anderen pMMS zeigt, daß die Glaubwürdigkeit des Systems für die breite Öffentlichkeit und seine wissenschaftliche Aussagefähigkeit nur dann gewährleistet ist, wenn vor seiner Implementierung ein breiter Konsens zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren (Behörden, Wissenschaft, Unternehmen, Nicht-Regierungsorganisationen) über das System und seine Implementierung besteht. (7) Wenn ein pMMs etabliert wird, macht dies nur dann Sinn, wenn ein Vergleich zwischen dem gentechnisch verändertem Lebensmittel und seinem nicht-gentechnisch veränderten Pendant besteht. Um die Neutralität der im Rahmen eines solchen Systems erhobenen Daten und ihrer Interpretation zu gewährleisten, sollten die Daten zum einen durch eine möglichst nicht interessensgebundene Institution erhoben, zumindest aber bewertet werden und zum anderen auch positive Effekte, die im Zusammenhang mit dem Konsum des gentechnisch veränderten Lebensmittel stehen, erfaßt werden. (8) Aufgrund der Komplexität der Anforderungen, die an die Durchführung eines pMMS gestellt werden, das zum Ziel hat, potentielle negative Auswirkungen, die im Zusammenhang mit dem Konsum gentechnisch veränderter Lebensmittel stehen, zu detektieren und aufgrund der mit der Durchführung des pMM verbundenen Kosten ist aus wissenschaftlicher Sicht zu hinterfragen, ob die mit der Anwendung der Technologie postulierten Risiken einen solchen Prozeß rechtfertigen, der erhebliche volkswirtschaftliche Kosten verursacht. Nach Auffassung der Autoren spricht aus wissenschaftlicher Sicht der derzeitige wissenschaftliche Kenntnisstand über die in der Öffentlichkeit diskutierten Risikoszenarien (Allergien, Antibiotikaresistenz) und die gleichzeitige Rigidität der gesetzlichen Genehmigungsverfahren (Novel-Food-Verordnung, Freisetzungs-Richtlinie, saatgutrechtliche Bestimmungen) nicht notwendigerweise für die Bindung größerer volkswirtschaftlicher Kapazitäten. Hiervon unberührt bleibt jedoch die Frage, ob die Durchführung eines solchen post-Marketing Monitoring Systems unter dem Aspekt der Vertrauensbildung gegenüber den Verbrauchern nicht einen Beitrag dazu leisten kann, eine gesellschaftliche Situation zu erlangen, in der die Vermarktung gentechnischer Lebensmittel in anderem Maße möglich ist, als dies heute der Fall ist.

Alternative Abstract:
Alternative AbstractLanguage

The application of genetic engineering for the modification of food is based on strict legal requirements, which should guarantee a comprehensive risk assessment before placing the product on the market. Experience gained from other technological sectors – specifically the pharmaceutical sector – shows, however, that a risk assessment of a product before placing it on the market is not always able to take into account the total risk scenario up front. To be able to verify the assessment made during the pre-marketing phase, but also to be able to achieve a stronger acceptance for the application of genetic engineering in food production processing, the establishment of a post-marketing surveillance or a post-marketing monitoring system (pMMS) is being more urgently called for. In the framework of this study experience gained with the post-marketing monitoring of pharmaceuticals, of food additives, the fat substitute olestra and other foods have been analysed and assessed. Based on this analysis a system for the detection of potential long-term hazards in correlation with the application of genetic engineering in food production and processing has been developed. In addition the risk assessments requested by and defined in the legal framework of several products have been analysed to highlight any potential unanswered questions which the long-term monitoring could concentrate on. The products analysed were : (1) the enzyme xylanase, used in bread production and produced by a genetically modified Aspergillus, (2) genetically modified tomatoes, for example the FLAVR SAVR ?-tomato, (3) oil made from genetically modified rape seed containing a modified fatty acid composition, (4) soy beans which are resistant to the application of the herbicide RoundUp Ready. The result of this work can be summarised as follows: (1) Requests, specifically in the political arena, have been made for the establishment of a post-marketing monitoring system (pMMS) for genetically modified food and these request will be articulated more loudly because of the increasing focus of public debate on the application of genetic engineering in the food sector. (2) The know-how gained from long-term monitoring in other sectors, which has been analysed within this study, can be applied to the monitoring of genetically modified food. (3) This study sets out the requirements which such a pMMS has to fulfil. (4) The existing legal framework does not foresee a pMMS for food. There are, however, experience in other sectors (specifically the pharmaceutical one), which are applicable to the food sector. (5) In order to prove a causal relationship adequate labelling of the genetically modified food is necessary, and in addition the development of suitable analysis techniques, which provides proof of genetic modification in the case of non-labelling (e.g. in case of unpacked food). (6) The experience with other pMMS show, that public confidence in the system and its scientific relevance can only be assured if a broad consensus already exists between the various stakeholders (competent authorities, science, industry, Non-Governmental Organisations) on the system before its implementation. (7) If a pMM is to be established, it only makes sense if a comparison between the genetically modified food and its non-modified counterpart exists. To guarantee the neutrality of the data collected with the help of such a post-marketing monitoring system and its interpretation, the data should be gathered if possible by an independent body or at least be evaluated by such an institution. In addition to the monitoring of negative effects, positive effects in correlation with the consumption of the genetically modified food should also be monitored. (8) Because of the complexity of the demands on such a post-marketing monitoring system, the goal of which is to detect potential negative consequences which might occur as a result of the consumption of genetically modified food, and because of the costs related to the enforcement of such a pMMS, from a scientific point of view it is at least questionable, whether the risks which are postulated with the application of this technology really justify such a process, which would bind enormous economic capital. From the point of view of the authors the present scientific know-how on publicly debated risk scenarios (as e.g. allergies, antibiotic resistances etc.) and the rigidity of the existing legal authorisation procedures (Novel-Food-Regulation, Deliberate Release Directive, Seed Directives) does not argue for a stronger establishment of such a system. This statement, however, does not invalidate the question to whether the establishment of a post-marketing monitoring system would not contribute to raising consumer’s confidence in order to create an improved social environment with the result that the marketing of genetically modified food would be easier than today.

English
Uncontrolled Keywords: Food, postmarketing surveillance, long-term monitoring
Alternative keywords:
Alternative keywordsLanguage
Food, postmarketing surveillance, long-term monitoringEnglish
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-615
Classification DDC: 500 Science and mathematics > 540 Chemistry
Divisions: 07 Department of Chemistry
Date Deposited: 17 Oct 2008 09:20
Last Modified: 07 Dec 2012 11:46
URI: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/id/eprint/61
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