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‘Candidatus Phytoplasma mali’ und die Blüten des Kulturapfels (Malus domestica): Untersuchungen zum Infektionsweg und zu den Auswirkungen des Pflanzenpathogens auf morphologische und chemische Blütensignale

Maurer, Doris Lydia (2022)
‘Candidatus Phytoplasma mali’ und die Blüten des Kulturapfels (Malus domestica): Untersuchungen zum Infektionsweg und zu den Auswirkungen des Pflanzenpathogens auf morphologische und chemische Blütensignale.
Technische Universität
doi: 10.26083/tuprints-00020288
Ph.D. Thesis, Primary publication, Publisher's Version

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Item Type: Ph.D. Thesis
Type of entry: Primary publication
Title: ‘Candidatus Phytoplasma mali’ und die Blüten des Kulturapfels (Malus domestica): Untersuchungen zum Infektionsweg und zu den Auswirkungen des Pflanzenpathogens auf morphologische und chemische Blütensignale
Language: German
Referees: Jürgens, Prof. Dr. Andreas ; Gross, PD Dr. Jürgen
Date: 2022
Place of Publication: Darmstadt
Collation: 107 Seiten
Date of oral examination: 9 November 2021
DOI: 10.26083/tuprints-00020288
Abstract:

Im Laufe der Coevolution von Pflanzen, Insekten und Mikroorganismen entstand eine Vielzahl von trophischen Interaktionen. In jeder wechselseitigen Beziehung kann eine der beteiligten Arten die Rolle eines Mutualisten, Kommensalen oder Parasiten gegenüber einer oder mehreren anderen Arten der Biozönose einnehmen. Die Apfeltriebsucht, eine Krankheit die seit Jahrzehnten im europäischen Apfelanbau bekannt und gefürchtet ist, wird durch das parasitische Bakterium ‘Candidatus Phytoplasma mali’ hervorgerufen. Dieses lebt im Phloem von Malus domestica und wird durch die parasitische Ernährungsweise des Phloem-saugenden Insekts, Cacopsylla picta, von Baum zu Baum übertragen. Bisher erforscht sind die Auswirkungen der Apfeltriebsucht auf die Morphologie der vegetativen Pflanzenorgane und der Früchte, physiologische Veränderungen beim Stofftransport und Veränderungen bei den abgegebenen Grünblattdüften. Die Blüten infizierter Bäume waren bis heute jedoch noch nicht im Fokus der Forschung. In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, ob eine Infektion mit ‘Ca. P. mali’ möglicherweise auch Auswirkungen auf die Blütenmorphologie und -chemie von Apfelbäumen hat, denn solche Veränderungen könnten wiederum die trophischen Interaktionen mit blütenbesuchenden Insekten beeinflussen. Um herauszufinden, ob Bestäuber gegebenenfalls auch als Überträger in Frage kommen, wurden die Blütengewebe und der Nektar molekularbiologisch auf das Vorhandensein der Erreger-DNA hin überprüft. Parallel dazu wurden vergleichende DNA-Analysen mit den Blüten infizierter Pflanzen des Modellorganismus Nicotiana tabacum durchgeführt. Nach der Blüte wurde der Infektionsstatus der sich entwickelnden Apfelfrüchte regelmäßig überprüft sowie die F1-Generation hinsichtlich ihres Infektionsstatus untersucht. Weiterführend wurde erforscht, ob es zu krankheitsbedingten Veränderungen an den Blütenmerkmalen kommt, die zur Anlockung von bestäubenden Insekten dienen. Analysiert wurde dazu die Morphologie und der Blütenduft sowie die Nektarzusammensetzung. Des Weiteren wurde untersucht, ob sich eine Infektion auch auf die Pollenviabilität, die Eigenschaften der Früchte und die Keimrate von Samen infizierter Bäume auswirkt. Während der Blütezeit konnte die DNA von ‘Ca. P. mali’ unter natürlichen Bedingungen nicht in den Blütengeweben und im Nektar von Apfelbäumen nachgewiesen werden. Erst ab Ende Mai konnte sie erfolgreich in den heranreifenden Früchten detektiert werden. Eine vertikale Übertragung der Apfeltriebsucht auf die F1-Generation fand jedoch nicht statt. Im Gegensatz dazu konnte die DNA des Erregers bei N. tabacum in allen Blütenorganen, mit Ausnahme der Pollenkörner, nachgewiesen werden. Während es bei den untersuchten Apfelsorten keinen Hinweis auf krankheitsbedingte, morphologische Veränderungen an den Blüten gab, war die Blütengröße infizierter Tabakpflanzen signifikant verringert. Die Farbe der Kronblätter veränderte sich jedoch weder bei M. domestica noch bei N. tabacum. Beim Blütenduft von M. domestica hatten die Sorte und das Versuchsjahr eine deutlich größere Auswirkung auf die quantitative Zusammensetzung als der Infektionsstatus. Auch die Analyse der Zuckerzusammensetzung im Nektar zeigte, dass bezüglich der Hauptkomponenten Fructose, Glucose und Saccharose keine signifikanten Unterschiede zwischen gesunden und infizierten Bäumen auftraten. Eine signifikante Auswirkung auf die Viabilität der Pollenkörner konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. Allerdings war bei infizierten Apfelbäumen das Gewicht der reifen Früchte um ca. 13 % und das der Kerne um ca. 14 % verringert. Bei N. tabacum konnte ebenfalls eine signifikant reduzierte Größe der Samenkapseln und ein geringeres Gewicht der Samen von infizierten Pflanzen festgestellt werden. Die Anzahl der Kerne pro Apfelfrucht unterschied sich nicht zwischen den gesunden und infizierten Bäumen, allerdings war die Keimrate der Nachkommen infizierter Mutterbäume um 9 % deutlich verringert. Ein wesentliches Fazit dieser Studie ist, dass zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgegangen werden kann, dass ‘Ca. P. mali’ während der Apfelblüte nicht bis in die Blütenorgane von M. domestica vordringt und damit auch keine tritrophische Interaktion mit bestäubenden Insekten besteht. Darüber hinaus scheint der Erreger der Apfeltriebsucht keinen Einfluss auf die Blütensignale des natürlichen Wirts zu haben. Eine Bevorzugung oder Diskriminierung von Blüten infizierter Apfelbäume durch blütenbesuchende Insekten ist daher sehr unwahrscheinlich. Ein direkter Vergleich der Ergebnisse von M. domestica mit denen des Modellsystems N. tabacum ist aufgrund der Wirtsspezifität jedes Phytoplasma-Systems schwierig. Es bleibt daher weiterhin zu klären, ob die Ergebnisse aus dem M. domestica-‘Ca. P. mali’-System verallgemeinert werden können oder es in einer anderen Phytoplasmen-Pflanzen-Kombination und/oder in einer anderen Klimazone nicht doch zu einer trophischen Interaktion zwischen Phytoplasmen, Bestäuber und Pflanzen kommt.

Alternative Abstract:
Alternative AbstractLanguage

A variety of trophic interactions have evolved during the coevolution of plants, insects and microorganisms. In each reciprocal relationship, one of the species involved can take on the role of a mutualist, a commensal or a parasite towards one or more species in the respective biocenosis. Apple proliferation, a disease which is well known and feared in European apple growing regions for decades, is caused by the parasitic bacterium ‘Candidatus Phytoplasma mali’. The bacterium lives in the phloem of Malus domestica and is transmitted by the parasitic dietary intake of the phloem-sucking insect Cacopsylla picta. To date, the effects of apple proliferation on the morphology of vegetative plant organs and fruits, physiological changes in phloem transport and changes of the emitted green leaf volatiles have already been investigated. However, only very few studies have focussed on the flowers of infected trees. In the present study it was analysed, whether an infection with ‘Ca. P. mali’ may cause changes in the flower morphology and chemistry of apple trees because such changes could in turn affect the trophic interactions with flower visiting insects. In order to investigate, whether pollinators can also serve as vectors of the disease, the floral tissues and the nectar were tested for the presence of the pathogen DNA. In parallel, comparative DNA analyses were carried out with the flowers of infected plants of the model organism Nicotiana tabacum. After flowering, the infection status of the developing apple fruits was regularly tested and the F1 generation was examined with regard to its infection status. To determine whether disease-related changes occur in floral traits that serve to attract pollinating insects, the morphology, scent and nectar composition were analysed. Finally, it was tested whether an infection also affects pollen viability, fruit characteristics and the germination rate of seeds from infected trees. During the flowering period, the DNA of ‘Ca. P. mali’ could not be detected in the flower tissues and nectar of apple trees under natural conditions. However, the pathogen DNA was found in the ripening fruit from the end of May onwards to the harvesting. A vertical transmission of apple proliferation to the F1 generation did not take place. In contrast, the DNA of the pathogen could be detected in all flower organs of N. tabacum, with the exception of the pollen grains. There was no evidence of disease-related morphological changes of the flowers of the examined apple cultivars. However, the flower size of infected tobacco plants was significantly reduced. The colour of the petals did neither change in M. domestica nor in N. tabacum. In the case of the floral scent of M. domestica, the variety and the collection year had a significantly greater effect onto the quantitative composition than the infection status. The analysis of the sugar composition in the nectar also showed that there were no significant differences between healthy and infected trees with regard to the main components fructose, glucose and sucrose. A significant effect on the viability of the pollen grains could not be found either. However, in infected apple trees, the weight of the ripe fruits was reduced by approximately 13 % and that of the seeds by about 14 %. In N. tabacum a significantly reduced size of the seed capsules and a lower weight of the seeds were also observed in infected plants. The number of seeds per fruit did not differ between the healthy and infected apple trees, but the germination rate of the offspring of infected mother trees was significantly reduced by 9 %. The results of the study suggest that ‘Ca. P. mali’ does not colonise the flower organs of M. domestica during apple blossom and that there is no tritrophic interaction with pollinating insects. Furthermore, it seems that the pathogen of apple proliferation does not influence the flower signals of the natural host plant. Therefore, a preference or avoidance of flowers of infected apple trees by flower-visiting insects seems very unlikely. A direct comparison of the results with the model system of N. tabacum is difficult, however, due to the host specificity of each phytoplasma system. It would be interesting to investigate in the future if these findings for the Malus domestica-‘Ca. P. mali’ system can be generalized or if trophic interactions between phytoplasmas, pollinators and plants do exist, for instance in different phytoplasma-plant systems and/or other climate zones.

English
Status: Publisher's Version
URN: urn:nbn:de:tuda-tuprints-202880
Classification DDC: 500 Science and mathematics > 570 Life sciences, biology
Divisions: 10 Department of Biology > Chemical Plant Ecology
Date Deposited: 31 Jan 2022 13:13
Last Modified: 31 Jan 2022 13:13
URI: https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/id/eprint/20288
PPN: 491452837
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